Die Krise danach
Auch am sechsten Tag kämpfen Feuerwehrleute aus Kuba, Mexiko und Venezuela gemeinsam gegen die Flammen, welche seit Freitag das größte Treibstofflager des Landes in der Hafenstadt Matanzas heimsuchen. Die Ausbreitung der Brände konnte am Dienstag gestoppt werden, so dass sich die Einsatzkräfte derzeit Stück für Stück ihren Weg in das Gelände bahnen. Wie die Parteisekretärin der Provinz, Susely Morfa González, am Mittwochmorgen erklärte, ist die Lage am Brandherd mittlerweile unter Kontrolle. Jetzt geht die Sorge vor den Folgen einer sich zuspitzenden Energiekrise um.
Flammen unter Kontrolle
„Während wir uns bisher auf Defensivaktionen beschränken mussten, können wir jetzt in die Offensive gehen“, erklärte gestern ein Sprecher der kubanischen Feuerwehr. Wie am Montag bestätigt wurde, hatten drei der acht Tanks des Lagers Feuer gefangen, während die Lage des vierten Tanks aufgrund der schlechten Sicht lange Zeit unklar war. Am späten Nachmittag mussten die Einsatzkräfte feststellen, dass auch der vierte Tank unter Einfluss der Hitze geschmolzen war. Dessen rechtzeitige Entleerung hatte eine Ausbreitung der Flammen womöglich verhindert.
Als weitere Unterstützung sind am Dienstag zwei Feuerwehrschiffe aus Mexiko eingetroffen, welche den Brand vom Wasser aus bekämpfen. Spezialisten errichteten Barrieren, um auslaufendes Öl einzudämmen. Am Abend kehrte der in Folge des Brandes verletzte Energieminister Liván Arronte auf Krücken an den Einsatzort zurück. Wenig später folgte Präsident Miguel Díaz-Canel, der den Einsatzkräften vor Ort für ihren Mut dankte.
Augenblicklich beschränken sich die Flammen auf den Bereich des vierten Tanks, wo noch Reste des übergeschwappten Schweröls der Nachbartanks weiterbrennen. Der nachlassende Wind hatte die Löscharbeiten zuletzt weiter begünstigt. Laut jüngsten Berichten der kubanischen Nachrichten sind die versprengten Flammenherde inzwischen gut kontrollierbar und werden in dem andauernden Einsatz permanent mit Speziallöschmittel bespritzt. Hubschrauber der kubanischen Luftstreitkräfte bringen Wasser im Umkreis aus, um ein Übergreifen der Brandherde auf die angrenzende Vegetation zu verhindern.
Bislang wurde die Leiche eines Feuerwehrmannes geborgen, 14 weitere werden vermisst. Die Suche nach den Toten kann erst nach dem vollständigen Abklingen der Brände begonnen werden. Laut den Gesundheitsbehörden wurden insgesamt 128 Personen verletzt von denen sich zuletzt noch 20 in klinischer Behandlung befanden.
Kritische Energiesituation
Die größte Herausforderung stellt aktuell die Stromversorgung dar. Der Brand kam für Kuba zur Unzeit, inmitten der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten. In Folge des Ereignisses könnten bis zu einer Millionen Barrel Brennstoff vernichtet worden sein, was in etwa dem landesweiten Importbedarf eines halben Monats entspricht. Das leistungsfähigste Kraftwerk des Landes, die nur wenige Kilometer entfernte „Antonio Guiteras“, musste am Montag in Folge zur Neige gehender Brennstoffreserven und Problemen mit der Wasserversorgung heruntergefahren werden. Am Dienstag lag das Erzeugungsdefizit bei rund 41 Prozent oder 1200 Megawatt. In weiten Teilen Havannas wurde deshalb der Strom für rund fünf Stunden abgeschalten, in anderen Provinzen waren die Beeinträchtigungen noch stärker. Nur 17 Minuten nach der erfolgreichen Synchronisation musste die Guiteras am späten Dienstagabend wieder vom Netz genommen werden. Eine Stunde später gelang das Hochfahren des 1988 errichteten Kraftwerks, welches inzwischen 215 Megawatt ins Netz einspeist. Die Probleme mit der Kühlung konnten jedoch nicht beseitigt werden, weshalb das Kraftwerk weiterhin von Spezialisten beaufsichtigt wird.
Angesichts der akuten Brennstoffknappheit wurde wieder dazu übergegangen, die Energieerzeugung gegenüber dem Transportsektor zu priorisieren. In Havanna äußerte sich dies am Mittwoch in Form von langen Schlangen vor den Tankstellen. Durch die Synchronisierung der Guiteras ist das Stromdefizit heute auf weiterhin hohe 750 Megawatt zurückgegangen.
Die Krise ist damit allerdings noch lange nicht ausgestanden. Die Beschädigung der größten Tankbasis des Landes stellt einen schweren Schlag für Kubas Energielogistik dar. Nur in Matanzas können sogenannte Supertanker mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen gelöscht werden. Darüber hinaus ist das Lager Kubas wichtigster Misch- und Umschlagplatz, von dem aus zahlreiche Kraftwerke und Raffinerien versorgt werden. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf lokale Quellen berichtet, wird die Insel in Folge des Unglücks für absehbare Zeit auf schwimmende Betankung zurückgreifen müssen, was Aufwand und Kosten für Importe in die Höhe treibt. Laut Ansicht von Energieexperten sei eine Lockerung der US-Sanktionen in Bezug auf Treibstofflieferungen dringend erforderlich.
Es wird mehrere Wochen dauern, bis der Gesamtzustand der Basis klar ist, da auch die oberflächlich unbeschädigten Anlagen auf Hitzeschäden geprüft werden müssen. Wie die Betreiberfirma CUPET bekannt gab, waren zwei der Tanks relativ neu und wurden erst 2012 mit Hilfe des befreundeten Venezuelas errichtet. Noch sind entsprechend keine Details zu Wiederaufbauplänen bekannt, der wirtschaftliche Schaden dürfte in die dreistellige Millionenhöhe gehen. Ein Silberstreif kommt indes aus Russland: Laut Reuters-Informationen soll von dort kommende Woche ein Schiff mit 700.000 Barrel Schweröl nach Matanzas aufbrechen. Damit wäre ein großer Teil der unmittelbaren Verluste ausgeglichen. Bis die tiefen ökonomischen Narben des Brandes ausgeheilt sind, wird jedoch noch einige Zeit ins Land gehen.
Quelle: Cuba heute