24. Dezember 2024

Selenskyj legt sich mit Amnesty International an

Berichte über Gefährdung der ukrainischen Zivilbevölkerung und des Völkerrechtsbruchs durch die ukrainische Armee werden in der Ukraine konsequent unterdrückt.

Die wohlbekannte Menschenrechtsorganisation Amnesty International veröffentlichte einen Bericht, der auf einer Sammlung von zahlreichen Augenzeugenberichten, Videos und Fotomaterial basiert. Zwischen April und Juli untersuchte Amnesty mehrere Wochen lang die russischen Angriffe, inspizierte die Anschlagsorte, befragte Überlebende, Zeuginnen, Zeugen und Angehörige der Opfer von Angriffen und führte Fernerkundungen und Waffenanalysen durch.

Dadurch entstand der Vorwurf gegen die Ukraine, die eigene Zivilbevölkerung bewusst gefährdet und das humanitäre Völkerrecht gebrochen zu haben. Der Bericht weist nach, dass die ukrainische Armee Militärbasen in belebten Wohngebieten eingerichtet hat. Von dort wurden russische Positionen beschossen – umgekehrt wurden diese Militärbasen sodann zu Zielen der russischen Armee. Die Vorwürfe beziehen sich auf rund 19 Städte, in denen man auf diese Weise systematisch vorgegangen ist.

Schutz der (eigenen) Zivilbevölkerung auch wichtig

Dies wiederum bedeutet einen Bruch des Völkerrechts. Denn das humanitäre Völkerrecht besagt, dass der Schutz der Bevölkerung durch beide kriegführenden Parteien sichergestellt werden muss. Die Russische Föderation stand immer wieder in der Kritik, wahllos Krankenhäuser und Schulen bombardiert zu haben. Dem Bericht von Amnesty International zufolge, wurden aber gerade dort ukrainische Truppen untergebracht, um auf russische Positionen zu schießen. Mit dieser Militärtaktik wurden unnötig Zivilistinnen und Zivilisten in lebensgefährliche Situationen gedrängt und damit gefährdet.

Amnesty beschreibt das ukrainische Vorgehen derlei:

„Die meisten Wohngebiete, in denen sich die Soldaten aufhielten, waren meilenweit von den Frontlinien entfernt, und es standen praktikable Alternativen zur Verfügung, die die Zivilbevölkerung nicht gefährdet hätten – wie Militärstützpunkte, dicht bewaldete Gebiete oder andere Strukturen, die weiter von Wohngebieten entfernt waren. In den von Amnesty dokumentierten Fällen ist nicht bekannt, dass das ukrainische Militär die Zivilbevölkerung aufgefordert oder dabei unterstützt hätte, nahe gelegene Gebäude zu evakuieren – ein Versäumnis, praktikable Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen.“

Selenskyj mag das nicht

Im Angesicht erschlagender Beweislast meldet sich auch Selenskyj zu Wort und legt sich nun offen mit der Menschrechtsorganisation an. Seine (Militär-)Taktik ist immer dieselbe: Ähnlich wie Putin geht es ihm darum, Kriegspropaganda zu treiben sowie Kritiker und Regimegegner mundtot zu machen. Wie bekanntwurde, wird kritischen Journalisten die Einreise verweigert, Musik und Literatur, die keinen ukrainischen Ahnenpass aufweist, verboten und Parteien, die nicht ins Konzept passen, verfolgt,  zerschlagen und verboten. In der Tat ist die gesamte parlamentarische Opposition ausgeschaltet.

Problematisch wird es aber bei Informationsquellen, die man von der Ukraine aus nicht kontrollieren und zensieren kann und die außerdem über so große Notorietät verfügen, dass sich auch die EU einmal zurückhalten muss. Selenskyj, der schon lange über Narrenfreiheit zu verfügen glaubt, attackierte die Menschenrechtsorganisation scharf: Sie wolle namentlich „eine Amnestie für den terroristischen Staat erlassen und die Verantwortung vom Aggressor dem Opfer zuschieben“ und wer einen solchen Zusammenhang herstellt, „muss sich eingestehen, dass er damit Terroristen hilft.“

Selenskyjs Totschlagargumenten sekundierte auch der ukrainische Kriegsminister Olexij Resnikow auf Facebook:

„Jeder Versuch, das Recht der Ukrainer infrage zu stellen, sich dem Völkermord zu widersetzen, ihre Familien und Häuser zu schützen“, müsse als „Perversion“ angesehen werden. Ein wenig Bekanntheit erlangte auch die Twitter-Aussage der britischen Botschafterin in der Ukraine, Melinda Simmons, wonach „das Einzige, was die Zivilbevölkerung“ bedrohe, „Raketen und Gewehre und plündernde russische Truppen“ seien, was sich in der Tat eher wie ein Tavernenspruch ausnimmt, als einen sachbezogenen Kommentar darzustellen. Oksana Pokaltschuk, Leiterin des ukrainischen Amnesty-Büros, bemängelte, dass ihre Bitte, den Bericht nicht zu veröffentlichen, übergangen wurde. Das Amnesty-Büro in der Ukraine werde den Bericht auf jeden Fall unter Verschluss halten und nicht ins Ukrainische übersetzen.

Amnesty bleibt dabei

Trotz der Kritik des ukrainischen Präsidenten steht Amnesty International aber fest hinter dem Bericht. Generalsekretärin Agnes Callamard bestätigte, dass die Ergebnisse auf „Beweisen, die im Rahmen umfangreicher Ermittlungen gesammelt wurden“, beruhen. Amnesty stehe „voll und ganz zu unseren Untersuchungen“, so Callamard. Darüberhinaus würde die Reaktion des ukrainischen Präsidenten das Risiko bergen, „dass die legitime und wichtige Diskussion über diese Themen abgeschreckt wird.“ Callamard sagt klipp und klar, dass die ukrainische Position der Verteidigung das Militär „nicht von der Einhaltung des humanitären Völkerrechts“

Auf Nachfrage des Standards betonte Amnesty International außerdem die moralische Verantwortung der Menschenrechtsorganisation:

„Würden wir über ukrainische Vergehen, die wir festgestellt haben, schweigen, würden wir uns selbst der Voreingenommenheit schuldig machen. Wir würden auch die vielen Zivilistinnen und Zivilisten, die infolge dieser Praktiken Angehörige verloren haben oder selbst getötet oder verletzt wurden, im Stich lassen,“ so Amnesty International.

Auch die russische Seite in der Kritik

Was die EU-Journaille besonders irritieren mag, ist die Tatsache, dass Amnesty eben keine prorussische Institution ist, nur weil sie über die ukrainischen Kriegsverbrechen wahrheitsgetreu berichtet. Amnesty International betont auch Vergehen der russischen Seite. Im Text wird auf die Unverhältnismäßigkeit mancher Angriffe der russischen Armee hingewiesen und das Einsetzen von Streumunition. Aber die Menschenrechtsorganisation wird nun mit Kritik von allen Seiten bedacht. Berichte über ukrainische Kriegsverbrechen passen nicht ins Bild, das von der Ukraine, der NATO und der EU gezeichnet wurde: Ein Märtyrer, der im heiligen Krieg gegen Russland immer das Opfer darstellt, über alle Zweifel erhaben ist und immer rechthat.

Quellen: AmnestyUK / ORF / Standard

 

Quelle: Zeitung der Arbeit

UkraineZeitung der Arbeit