Erstaunliche Wendungen
Die Gasumlage mischt auch den niedersächsischen Landtagswahlkampf auf. Der lange Zeit zurückliegende CDU-Herausforderer Bernd Althusmann treibt SPD-Ministerpräsident Stephan Weil inzwischen mit der Forderung, die Umlage endlich zu Grabe zu tragen, vor sich her. Dafür sei die CDU sogar bereit, bei der Schuldenbremse alle Augen zuzudrücken.
Nicht nur die drohende Niederlage im Kampf um die niedersächsische Staatskanzlei am 9. Oktober lässt es mehr als fraglich erscheinen, ob das Bundeskabinett die Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde am Mittwoch – nach Redaktionsschluss – tatsächlich auf den Weg bringt. Am Sonntag hatte bereits Finanzminister Lindner (FDP) in der „BamS“ mit einem kräftigen Seitenhieb auf seinen Kabinettskollegen Robert Habeck (Grüne) die „Sinnhaftigkeit“ der Umlage infrage gestellt und stattdessen eine steuerfinanzierte Preisbremse gefordert.
Nutznießer einer Preisbremse wäre zum einen die Hälfte der Bevölkerung, die ihre Wohnungen mit Gas heizt, und zum anderen wären es die Konzerne, deren Gewinnspanne wie gehabt aus Steuermitteln aufrechterhalten werden wird. Jeder Cent weniger, so ließ das Wirtschaftsministerium verlauten, kostet die Staatskasse rund 2,5 Milliarden Euro, die nun noch auf die ganzen anderen Rettungsaktionen obendrauf kämen, die der Russlandfeldzug erfordert. Der klägliche Versuch, durch ein Zurechtbiegen der Verfassung nur die 100 Milliarden Euro zusätzlichen Rüstungskosten von der Schuldenbremse auszunehmen, wäre damit endgültig krachend gescheitert – Kriege kosten auch dann, wenn es zunächst Wirtschaftskriege sind.
Die Tempelwächter der Schuldenbremse aus CDU und FDP versuchen das Einpacken dieses Hammers, der so treue Dienste gegen alle sozialpolitischen Forderungen geleistet hat, wenigstens noch damit zu verbinden, Habeck die Zustimmung zur Laufzeitverlängerung der noch am Netz hängenden Atomkraftwerke abzuringen.
In der Debatte geschehen erstaunliche Wendungen. Am Montag erklärte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) angesichts des ganzen Gewürges: „Bei Wasser, Strom oder Gas muss man sich schon fragen, ob die Versorgung nicht in staatliche Hand gehört. Ich bin dafür.“ Die Kommunistinnen und Kommunisten dieses Landes sind es auch.
Quelle: Unsere Zeit