„nd.Der Tag“ zu Umverteilung und Übergewinnsteuern in der EU
Dass schon wieder ein Jahr vergangen ist, merkt man daran, dass Ursula von der Leyen wie in jedem September ihren Bericht zur Lage der EU hält. Rede Nummer drei der seit Ende 2019 amtierenden Kommissionschefin fügte am Mittwoch den Problemen, mit denen sich die Gemeinschaft herumschlägt (Stichworte Klima, Corona, Migration), ein weiteres hinzu: der Ukraine-Krieg und insbesondere dessen Folgen für den Energiemarkt, sprich die explodierenden Preise für Strom und Gas. Aber auch dafür hat von der Leyen eine Lösung parat: Eine Übergewinnsteuer soll den Unternehmen, die mit den gestiegenen Preisen schamlos Kasse machen, den Zusatzprofit aus der Tasche ziehen und an die Verbraucher*innen umverteilen. Klingt gut.
Die Sache hat aber mindestens zwei Haken. Zum einen mahlen die Mühlen in der EU sehr langsam. Wann die Verordnung für eine EU-weite Abschöpfung kommt und umgesetzt wird, steht in den Sternen. Schneller handeln könnten dagegen die nationalen Regierungen, einige tun das bereits. Das allerdings ist Haken Nummer zwei. Denn gerade die nationalen Alleingänge sind es, die in der Vergangenheit immer wieder gemeinsame Reaktionen auf gemeinsame Herausforderungen gebremst, wenn nicht gar verhindert haben (Stichworte Klima, Corona, Migration).
Es ist ein – gewollter – Konstruktionsfehler der EU, dass Paris, Berlin oder Budapest eigene Interessen weiter über jene der Gemeinschaft stellen können. Nicht zuletzt, um bei den Wähler*innen punkten zu können. Wahlen werden zu Hause gewonnen und nicht in Brüssel. Vielleicht aber ist die neue Krise, die alle bisherigen in den Schatten stellt, ein Weckruf für mehr Gemeinschaft. Zumindest in dieser Hinsicht sei etwas Hoffnung erlaubt.