28. November 2024

Politik statt Propaganda

Jeder rational denkende Mensch weiß, daß eine militärische Entscheidung den Krieg in der Ukraine nicht beenden wird. Ein Krieg bis zur völligen Erschöpfung der Ressourcen ist faktisch nicht vorstellbar, ebenso wenig ein militärischer Sieg der einen oder der anderen Seite. Will der Westen seine »Werte« etwa dadurch demonstrieren, daß Selenski nach einem »Sieg auf dem Schlachtfeld« eine Siegesparade auf dem Roten Platz in Moskau abhalten und den Platz dann in »Bandera-Platz« umbenennen läßt?

Das Anheizen des Krieges durch immer neue Waffen und immer neue Propaganda-Attacken ist zutiefst irrational. Die Ereignisse der letzten Tage machen deutlich, daß es an der Zeit ist, zu einer Politik zurückzufinden, die nicht auf imaginären »Werten« beruht, sondern sich auf die Formulierung besinnt, daß Politik die Kunst des Machbaren sein sollte.

Wenn die Präsidentin der EU-Kommission erklärt, daß die Schuldigen für die Sabotage an den Gaspipelines in der Ostsee bestraft werden müssen, dann ist diese Stufe weit überschritten. Denn es ist nicht vorstellbar, daß die tatsächlich Schuldigen öffentlich benannt werden. Alle aus dem Hut gezauberten Argumente, laut denen Rußland seine eigene Pipeline absichtlich zerstört haben soll, sind so unsinnig wie der Gedanke, Rußland durch Wirtschaftskrieg und immer neue Sanktionen »ruinieren« zu wollen. Die schlimmsten Folgen dieser falschen Politik haben schon jetzt die Menschen in den Ländern des »Wertewestens« zu schultern.

Die schwedische Kriegsmarine, die demnächst auch offiziell zur NATO gehören soll, hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten jedes sowjetische und später russische U-Boot in der Nähe der schwedischen Hoheitsgewässer gemeldet, selbst dann, wenn gar keine da waren. Warum also sollten russische Kampftaucher vor Bornholm – die dänische Insel liegt näher am schwedischen als am dänischen Festland – diesmal nicht bemerkt worden sein? Und was passierte eigentlich während des NATO-Manövers im Juni in dieser Gegend?

Hat nicht die ganze Welt vernommen, daß der Präsident der USA mehr als zwei Wochen vor dem Eingreifen der russischen Armee in der Ukraine offen erklärt hat, man werde die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu verhindern wissen? Ist denn nicht eindeutig, daß nicht Rußland, sondern die einschlägigen Konzerne der USA den Riesen-Reibach machen seit dem von der EU gewollten Importstopp für russische Energieträger? Die Zerstörung der Pipeline – samt der in Kauf genommenen Schädigung des Klimas – ist ein eindeutiges Alarmsignal, daß es auf diesem Wege nicht weitergehen darf.

In dieser Situation ist auch die Äußerung des Vizepräsidenten des russischen Sicherheitsrates, laut der Rußland ein Recht auf den Einsatz von Atomwaffen habe, zutiefst kontraproduktiv. NEIN, Herr Medwedjew, NIEMAND hat das Recht, Atomwaffen einzusetzen, in keiner denkbaren Situation! Atomwaffen gehören abgeschafft, ALLE Atomwaffen, ganz gleich, wer sie besitzt!

Politiker und Diplomaten müssen sich endlich darauf besinnen, daß nicht plumpe Propaganda die internationalen Beziehungen beherrschen darf. Wenn wir alle nicht wollen, daß wir uns im Winter zwischen Hungern oder Frieren entscheiden müssen, daß die unsinnige Kriegshetze nicht nur das politische Klima immer mehr zugrunde richtet, dann muß jetzt ein Weg zu echter Diplomatie gefunden werden, bei der Argumente und tatsächliche Sicherheitsinteressen zählen statt Waffen, bei der die Lebensinteressen der Menschen zählen, und nicht die Profite der Rüstungs- und Energiekonzerne!

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

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