28. Dezember 2024

100 Jahre Spaltung, und kein Ende

Coronabedingt mit über einem Jahr Verspätung, wurde am 22. Oktober 2022 mit einem Festakt in der Philharmonie in der Hauptstadt das 100-jährige Bestehen des »Lëtzebuerger Chrëschtleche Gewerkschaftsbond« (LCGB) begangen.

Anders als während der Festveranstaltung dargestellt, waren nicht die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter ausschlaggebend für die Gründung, sondern die Überzeugung der Rechtspartei (die Vorgängerin der heutigen CSV) und der Katholischen Amtskirche, dass es erfordert sei, den Einfluss des Luxemburger Berg- und Metallarbeiterverbandes, dessen Geschicke Sozialisten und Kommunisten leiteten, einzuschränken.

Der LCGB wollte keinen Klassenkampf und erst recht nicht den Kapitalismus abschaffen, sondern dazu beitragen, die Arbeiter auf der Grundlage der christlichen Soziallehre in der kapitalistischen Gesellschaft zu integrieren. Sie sollten bessergestellt werden und mehr Rechte bekommen, aber ohne dass sie auf den Gedanken kommen sollten, die bestehenden gottgegebenen Ausbeutungsverhältnisse grundlegend in Frage zu stellen.

Die Spaltung der Arbeiterklasse wurde dadurch begünstigt, dass der christliche Glauben statt der Ausbeutungsverhältnisse in den Mittelpunkt gerückt wurde, und im Jahr 1921 der große Märzstreik, den der Luxemburger Berg- und Metallarbeiterverband organisiert hatte, verloren ging, und die Gewerkschaft sich nur langsam von dieser Niederlage erholte.

Anschließend, und nicht zuletzt unter dem Einfluss der »Christlich-Sozialen Volkspartei« (CSV) entwickelte sich der LCGB zu einem erbitterten Gegner der Nachfolgegewerkschaft des Luxemburger Berg- und Metallarbeiterverbandes, des LAV, obwohl die zwei Gewerkschaften sich ideologisch auf der Grundlage der »Sozialpartnerschaft« näherkamen.

Das erleichterte es dem LAV und dem LCGB nach 1945 und bis zu Beginn der 1960er Jahre, die von den Kommunisten geführte Klassengewerkschaft FLA gemeinsam zu bekämpfen und alles zu tun, um sie mit Unterstützung des Patronats von Kollektivvertragsverhandlungen auszuschließen.

Gegen die Einheitsgewerkschaft

Die vom LAV und FLA ausgehenden Bestrebungen in den 1960er Jahren, eine Einheitsgewerkschaft zu gründen, in der alle Schaffenden – unabhängig von ihrer politischen und religiösen Zugehörigkeit – am gleichen Strang ziehen würden, lehnte die LCGB-Führung damals kategorisch ab, und seither immer wieder.

Damit verfestigte sie die Spaltung, die auch durch soziologische Veränderungen in der Arbeiterklasse begünstigt wurde, unter anderem dadurch, dass sehr viele portugiesischen Arbeiter, die während der nachfolgenden Jahrzehnte nach Luxemburg kamen, streng katholisch waren und sich folgerichtig der »christlichen Gewerkschaft« anschlossen.

In den verschiedenen »Sozialpartnerschaftsgremien«, aber auch in vielen Betrieben waren die Gewerkschafter des größeren LAV/OGBL und des kleineren LCGB jedoch quasi gezwungen zusammenzuarbeiten – und das bis heute –, um Verbesserungen durchzusetzen. Allerdings gingen die Forderungen des LCGB in der Regel immer weniger weit als die des OGBL, und die »Christlichen« fielen ihren Gewerkschaftskollegen bei der Aushandlung von Kollektivverträgen mehr als einmal in den Rücken.

Immer dann, wenn es wirklich darauf ankam – zum Beispiel am 9. Oktober 1973, als es galt, wichtige Sozialreformen gegen das Patronat und den CSV-Staat durchzusetzen, oder kürzlich, als es darum ging, eine Index-Manipulation zu verhindern, kniff die LCGB-Führung und stellte sich unmissverständlich auf die Seite der Regierung und des Kapitals.

Das schadet den Interessen der Schaffenden und bereitet nicht den Weg zur Einheit aller Lohnabhängigen, die heute, angesichts der Offensive des Kapitals und der Gefahr eines massiven sozialen und gesellschaftlichen Rückschritts, mehr denn je erfordert ist.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

ZLV