29. November 2024

Der Kapitalismus schafft Armut, die Regierung auch

Die Armut nimmt zu. Zum Ausdruck kommt dies unter anderem darin, dass die kommunalen Sozialämter und die »Cent Butteker« und »Epiceries Sociales« von Caritas und Rotem Kreuz einen Zulauf von Luxemburgern und portugiesischen und kapverdischen Immigranten haben wie nie zuvor.

Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn es gibt viele Menschen, die sich schämen, Hilfe vom Sozialamt in Anspruch zu nehmen und den Weg dorthin erst gehen, wenn gar nichts mehr geht und nach einem monate- oder jahrelangen Leben in Armut sämtliche Reserven aufgebraucht sind und, wie es dieser Tage in der Tagespresse zu lesen stand, »das Geld nicht für Essen reicht«.

Anders als zum Reichtum, gibt es inzwischen eine ganze Reihe Untersuchungen zur Armut, und immer kommen neue hinzu, welche sich mit der Armut befassen. Armut ist im reichen Luxemburg keine Randerscheinung mehr, seit immer mehr Menschen einem Armutsrisiko ausgesetzt sind, jeder sechste Einwohner von Armut bedroht ist und jeder zehnte Lohnabhängige arm ist, obwohl er vollzeitbeschäftigt ist.

Nun ist Armut keine Folge von Naturkatastrophen, sondern von gesellschaftlichen Katastrophen, die in erster Linie auf wirtschaftliche und soziale Entscheidungen mit Langzeitwirkung zurückzuführen sind.

Kapitalismus schafft Armut, die in Zeiten von Krisen noch größer ist, denn diese Gesellschaftsordnung und deren wirtschaftlichen Mechanismen sind nicht darauf ausgelegt, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, sondern auf die Nachfrage zahlungskräftiger Kunden zu reagieren.

Verschärft wird diese Entwicklung dadurch, dass die Regierungspolitik, statt gegenzusteuern und die Folgen der Ausbeutung im Wirtschaftsbereich einzuschränken, die Umverteilung auf politischer Ebene fortsetzt – von unten nach oben. Beispiele dafür gibt es genug, angefangen bei der jüngsten Indexmanipulation, die dazu diente, Hunderte von Millionen Euro zugunsten des Kapitals umzuverteilen, bis hin zu der Weigerung der Regierung und der Chamber, die Wohnungsnot und den Mietwucher konsequent zu bekämpfen, die Steuern für die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen zu senken und dafür Sorge zu tragen, dass jeder Arbeit hat, sich eine bezahlbare Wohnung leisten kann und ein gutes Leben hat.

Gegenwärtig verwaltet die Regierung die Armut, gibt Geld aus, um die Sozialämter personell aufzustocken und die Lohnabhängigen und Rentner, die an der Armutsgrenze leben, gerademal soweit zu unterstützen, dass sie überleben können und nicht gezwungen sind, zu revoltieren.

Andererseits achtet die Regierung, unterstützt von der Chamber und weiteren staatlichen Institutionen, darauf, dass die bestehenden Ausbeutungsmechanismen im Interesse des Kapitals möglichst störungsfrei funktionieren können und die Privilegien der Reichen geschützt bleiben.

Natürlich wird es notwendig sein, Dringlichkeitsprogramme, wie sie zum Beispiel Caritas, die Gewerkschaften, die Kommunistische Partei und andere vorschlagen, durchzusetzen, um kurzfristig die Armut zumindest zurückzugrängen, und das wird nur möglich sein, wenn viele gewerkschaftliche, soziale und politische Kräfte sich zusammenschließen.

Das heißt nicht, dass die Armut ausradiert werden kann, denn sie gehört zum Kapitalismus wie Blitz und Donner zum Gewitter. Langfristig geht es daher darum, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mechanismen, welche die Armut immer wieder reproduzieren, durch eine Systemänderung außer Kraft zu setzen.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

ZLV