21. November 2024

Die Interessen dahinter

In der Politik geht es um die Vertretung von Interessen. Das ist der Salariatskammer klar. Es ist wichtig aufzuzeigen, welche Interessen sich hinter den Zahlen des Budgets verstecken. Das tut die Salariatskammer auf 99 Seiten, weswegen wir in einem ersten Artikel nur kurz drüberfliegen können.

Die Salariatskammer begrüßt alles am Budget, was antizyklisch ist, was nicht Austerität ist und was aus der Umsetzung der Tripartite-Maßnahmen besteht. Mit letzteren wird immerhin voraussichtlich die Inflation im nächsten Jahr auf 3,4 Prozent halbiert, wobei sie jetzt schon hierzulande deutlich niedriger ist als rundherum wegen bereits umgesetzter Teile ganz besonders beim Thema Energie. Das alles ist schön, reicht aber nicht aus, um volle Zufriedenheit melden zu können.

Im Gegenteil, es gibt viele Gründe für Unzufriedenheit. Ein Punkt ist der Diskurs zur Staatsschuld. Bereits die 60 Prozent vom Bruttoinlandprodukt (BIP) des Maastricht-Vertrags sind von Anfang an arbiträr entstanden aus dem Mittelwert der großen EU-Mitgliedsländer (und es ist nicht klar, wie lange der Wert noch Bestand haben wird, aber das wurde nicht gesagt). Noch arbiträrer sind die 30 Prozent, die sich die Dreierkoalition als politisches Ziel gesetzt hat, denn bei Überschreiten droht keinesfalls automatisch der Wegfall des berühmt-berüchtigten »Triple A«. Das betonte sowohl Präsidentin Nora Back wie auch Salariatskammer-Direktor Sylvain Hoffmann gleich mehrmals in der Pressekonferenz.

Zudem wurde darauf verwiesen, daß sowohl Internationaler Währungsfonds (IWF) wie die EU-Kommission die Luxemburger Budgetlage weit optimistischer beurteilen als die Regierung. Im schriftlichen Text steht auch der Hinweis, daß laut EU-Kommission die Staatschuld Ende 2023 nicht 29,5, sondern 26Prozent des BIP betragen werde, wobei Luxemburg +1% beim BIP für 2023 zugetraut werden, während die Euro-Zone insgesamt bei Null, einige große Länder, allen voran die BRD, sogar in der Rezession gesehen werden.

Sylvain Hoffmann betonte, im Durchschnitt fielen die Konten übers Jahrzehnt jedes Jahr um 800 Millionen besser aus als das gestimmte Budget. Fürs laufende Jahr hält der Zentralstaat aktuell bei einem Überschuß von fast einer Milliarde. Es ist absolut nicht zu erklären, wie in den paar restlichen Monaten, auch wenn noch bis April 2023 aufs Vorjahr gebucht werden darf, daraus ein Defizit von 1,3 Milliarden werden soll. Genau das ist der EU-Kommission wie dem IWF nicht zu vermitteln gewesen.

Steuererhöhungen

Nicht nur bei der CO2-Steuer hat diese Regierung Steuererhöhungen beschlossen. Das Nicht-Anpassen der Steuertabellen an die Inflation ist mit der kalten Progression bei jeder Indextranche eine Steuererhöhung, die den Menschen Kaufkraft wegnimmt, der unteren Mittelschicht ganz besonders viel.

Denn wenn die Preise um 2,5 Prozent gestiegen sind und folglich mit der Indextranche 2,5 Prozent mehr Lohn brutto entsteht, so macht das netto für einen Durchschnittslohn nur mehr 1,75 Prozent aus. Den Rest kassiert der Staat als Zusatzsteuer, womit 0,75 Prozent Kaufkraft weg ist. Das obwohl eine Indextranche keine Lohnerhöhung ist, sondern nur ein nachträglicher Ausgleich für eine bereits erfolgte Preissteigerung!

Würde die seit der letzten Anpassung erfolgten Indextranchen in die Steuertabelle eingerechnet, gäbe es beim Durchschnittslohn 2.000 Euro Zusatzkaufkraft im Jahr für diese Leute. Dieses Geld würde zweifelsfrei direkt in die Wirtschaft fließen und dort also ein zusätzliches Steueraufkommen nach sich ziehen, zuerst bei der Mehrwertsteuer, dann ein Jahr später bei den Betriebssteuern.

Kein Plan gegen Ungleichheiten

Wir stellen fest, daß die Ungleichheiten in der Gesellschaft ständig wachsen. Das Armutsrisiko, das 1996 bei 11 Prozent lag, stieg seither regelmäßig an, auch wenn es ab und an mal ein paar Zehntelprozent weniger wurden. 2021 waren 18,1 Prozent erreicht, wobei obendrein Luxemburg in der Euro-Zone Platz 1 mit 13 Prozent Armutsgefährdung bei Leuten in Vollzeitarbeit hält – mit 3 Prozent Vorsprung auf … Estland, die Nummer 2.

Da fragt dann Nora Back, wie weit die Regierung das noch weiter steigen lassen will, bevor sie etwas tut, und Sylvain Hoffmann führt aus, daß die Erhöhung des Alleinerzieherabsetzbetrags zwar nett ist, aber das Problem nicht wirklich löst.

Für alle anderen wird auch mit den anderen, seit längerem nicht angepaßten Steuerkrediten kein Problem mehr gelöst, und auch die Teuerungszulage ist nicht richtig inflationsangepaßt, schon gar nicht für zwei oder drei Indextranchen 2023. Schließlich gibt es all das nur auf Antrag, das heißt, nicht alle bekommen es auch.

Das Argument, es sei kein Geld da, um eine Inflationsanpassung bei Steuerkrediten und Steuertarif vorzunehmen, läßt die Salariatskammer nicht gelten.

Einerseits, weil die Budgetlage weniger schlecht ist als es die Regierung darstellt, andererseits weil eine solche Anpassung sich über das Schaffen zusätzlicher Steuertranchen für höhere Einkommen und über die gleiche Besteuerung von Arbeits- wie Kapitaleinkommen teilfinanzieren ließe. Zudem, ganz besonders, wenn der Mindestlohn steuerfrei gestellt und die unteren Tranchen gestreckt würden, um den Mittelstandsbuckel aus der Steuertabelle rauszubekommen, würde dieser Steuerverzicht, wie vorhin erwähnt, zu neuen Steuereinnahmen führen bei Mehrwert- wie Betriebssteuer.

Weitere Einnahmen ließen sich erzielen, wenn die Spekulation im Wohnungswesen teuer gemacht wird. Ach ja, eine Vermögenssteuer könnte 1 Milliarde einbringen, legt Sylvain Hoffmann nach!

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

ZLV