nd.DerTag zu Medikamentenengpässen in Deutschland
Dass es in diesem Winter eine große Welle an Atemwegsinfekten geben würde, war eigentlich zu erwarten. Nach dem Ende der Corona-Maßnahmen kommt es zu einer nachholenden Entwicklung bei Grippe, RS- und Schnupfenviren. Doch obwohl Covid-19 kein Thema mehr ist, knirscht es im Gesundheitssystem an allen Ecken und Enden. In Krankenhäusern fehlen Personal und Intensivbetten, in Apotheken eine ganze Reihe wichtiger Medikamente.
Sicher, das deutsche Gesundheitssystem gehört zu den besten weltweit. Doch Stresstests besteht es nicht gut. Bisher dachte man, dies habe am singulären Pandemie-Extremfall gelegen. Aber dass dies jetzt auch bei normalen Atemwegsinfekten zutrifft, ist erschreckend. Daher müssten jetzt alle Strukturen auf den Prüfstand gestellt werden. Falsch sind schnelle (Pseudo-)Lösungen, wie sie in der Debatte um Medikamentenengpässe ins Spiel gebracht werden, etwa staatliche Beschaffungsmaßnahmen im Ausland.
Nein, es geht um Grundsätzliches: etwa den Irrweg, die Discountmentalität aus dem Lebensmittelbereich dem Medizinbereich überzustülpen. Das Ergebnis ist eine kaum rentable Generika-Herstellung, Dumpingdruck auf die Zulieferer in Indien und China und die gewaltige Verschwendung von Medikamenten. Eine bedarfsgerechte Herstellung und Verteilung bei hohen Qualitätsansprüchen ist so nicht zu erreichen. Das gilt auch für das andere Extrem, dass einige Pharmafirmen Mondpreise verlangen oder neue, teure Medikamente ohne Zusatznutzen andere verdrängen dürfen. Letztlich geht es um das, was die Player im Gesundheitswesen mit ihren egoistischen Interessen bisher immer zu verhindern wussten: mehr staatliche Frühwarnsysteme und Kontrolle, mehr Regulierung des Pharmamarktes.