Parteitaktik statt Vernunft
Kommentar zur Debatte um Panzerlieferungen an Kiew
Die Lieferung moderner westlicher Panzer wie des „Leopard 2“ würde nicht zu einem schnellen Sieg des ukrainischen Militärs gegen Russland führen. Die Umsetzung der nun erneut von einigen Politikern der Koalition und der oppositionellen Union erhobenen Forderung würde nur dazu beitragen, dass das Töten fortgesetzt werden kann. Die Ukraine ist kein bedürftiger Staat, was das Militär angeht. Vielmehr konnte sich die Regierung in Kiew bereits vor dem russischen Angriff auf westliche Staaten verlassen.
Seit Kriegsbeginn haben allein die USA Militärhilfen im Wert von 22 Milliarden Dollar geliefert. Mehr muss nicht sein. Klüger wäre es, auf beide Seiten einzuwirken, damit sie von ihren Maximalforderungen abrücken. Obwohl die Situation düster aussieht, sollte wenigstens der Versuch einer internationalen Vermittlung unternommen werden. Russland muss das Völkerrecht anerkennen. Gleichzeitig sollte die ukrainische Regierung der Realität ins Auge sehen, dass sich viele Menschen im Süden und Osten des Landes nicht befreit fühlen dürften, wenn das Kiewer Militär in diese Gebiete einrückt. So war auch die Sezession der Krim völkerrechtswidrig, ihre Bevölkerung aber in den vergangenen Jahren zu großen Teilen prorussisch orientiert. Ein autonomer Status der Regionen beziehungsweise eine föderale Struktur hätten eine Lösung des Problems sein können.
Doch anstatt sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, hat die Debatte im politischen Berlin einen Tiefpunkt erreicht. Politiker von Grünen und FDP wollen sich mit den Forderungen nach Panzerlieferungen profilieren und die bisher zurückhaltende SPD vor sich hertreiben. Wer sich solcher parteitaktischen Spiele bedient, der hat den Ernst der Lage noch immer nicht erfasst.