Vor 100 Jahren wurde Markus Wolf geboren
Der langjährige Leiter der Auslandsaufklärung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), Markus Wolf, wurde vor 100 Jahren, am 19. Jänner 1923, in Hechingen geboren und starb am 9. November 2006 in Berlin. Wolf musste mit seinem Bruder und späteren DDR-Filmregisseur Konrad Wolf und seinen Eltern 1933 aus Deutschland fliehen. Sein Vater war Arzt, Schriftsteller und Kommunist, außerdem hatte er jüdische Wurzeln, was ihn in mehrerlei Hinsicht der drohenden Verfolgung durch die Nazis aussetzte. Seine Mutter war die Kindergärtnerin Else Wolf.
Nach einigen Zwischenstationen ließ sich die Familie 1934 in Moskau nieder, wo sie bis zum Kriegsende 1945 blieb. Markus Wolf absolvierte in der Sowjetunion verschiedene Ausbildungen und kehrte als Journalist nach Deutschland zurück. Nach Tätigkeiten im journalistischen Bereich wurde er von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit der Mitarbeit am Aufbau eines Auslands-Nachrichtendienstes der DDR beauftragt, und übernahm 1952 schließlich die Leitung dieser neu geschaffenen Behörde. Ab 1956 hieß diese dann Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Wolf blieb bis 1986 deren Leiter.
Große Erfolge
In seine Zeit fallen große Erfolge des DDR-Auslandsnachrichtendienstes wie etwa die Unterbringung des Mitarbeiters Rainer Rupp (Deckname Topas) im NATO-Hauptquartier, der dort von 1977 bis 1989 tätig war. Auch im Team des Bundeskanzlers Willy Brandt wurde mit Günther Guillaume ein Agent der HVA platziert. Dessen Enttarnung führte im Mai 1974 auch zum Rücktritt von Brandt.
Markus Wolf quittierte im Jahr 1986 seinen Dienst bei der HVA und widmete sich anderen Dingen, vor allem dem Schreiben von Büchern. Seine selbstkritische Haltung zur eigenen Vita und sein charismatisches Auftreten nützten ihm dabei, noch einen letzten Versuch zur Rettung der DDR im Jahr 1989 zu unternehmen, an runden Tischen verschiedener politischer Kräfte teilzunehmen und auf Kundgebungen und Versammlungen der DDR-Opposition zu sprechen. Das war vergebene Liebesmühe, und er wurde ausgepfiffen.
Wolf gehörte zu denjenigen, die in der Perestroika-Politik Michael Gorbatschows in der UdSSR eine Chance zur Erneuerung des Sozialismus sahen, und eine ähnliche Politik auch in der DDR umsetzen wollten, obwohl ihm sicher nicht entgangen sein kann, dass sich im Jahr 1989 bereits abzeichnete, dass Gorbatschows Politik sich zu einer Katastrophe für die Sowjetunion entwickelte. Die planlose Öffnung der DDR hin zum Westen machte all diese Überlegungen überflüssig, die DDR war Geschichte.
Wolfs Vorstellung von der SED nach dem Mauerfall war in etwa, eine neosozialdemokratische Formation zu schaffen, was ja dann mehr oder weniger auch herauskam, und mit den Umbenennungen SED-PDS, PDS schließlich in der heutigen deutschen Linkspartei mündete. Leute wie Wolf wurden dann in der SED-Nachfolgepartei aber nicht mehr gern gesehen, da man sich von allem, was nach „Stasi“ roch zu distanzieren versuchte und sich voll und ganz der Hetze und Hysterie der Westmedien unterordnete.
Flucht in die UdSSR und nach Österreich
Alsbald setzte die politische Verfolgung Wolfs durch die deutsche Siegerjustiz ein. Er flüchtete 1990 mit einer Zwischenstation im Tiroler Ort Kitzbühel nach Moskau, wo er ein Jahr blieb. Nach der Absetzung Gorbatschows und dem nachfolgenden Chaos verließ Wolf Moskau. Sein Weg führte ihn im Herbst 1991 abermals nach Österreich, wo beherzte Internationalisten ihm eine sichere Zuflucht organisierten, die weder der deutsche, noch der österreichische Geheimdienst ausfindig machen konnte. Man wusste nicht einmal, dass er in Österreich war. Er stellte sich schließlich der österreichischen Staatspolizei, die vergeblich versuchte, Namen und Einzelheiten über NVA-Aktivitäten im Alpenland von ihm zu bekommen. Er wurde nach Deutschland ausgeliefert, dort in Haft genommen und 1993 vor Gericht gestellt. Die verhängte sechsjährige Freiheitsstrafe musste er nicht mehr antreten. In einem Prozess gegen einen HVA-Mitarbeiter wurde er zu Beugehaft verurteilt, weil er sich weigerte, als Zeuge Namen von ehemaligen Mitarbeitern zu nennen bzw. überhaupt die Aussage verweigerte.
Wolf schrieb weiterhin Bücher, unter anderem auch eines über die russische Küche. Während eines Wien-Aufenthaltes anlässlich einer Buchvorstellung kochte er gemeinsam mit dem bereits verstorbenen Genossen Alex Parschalk im Cafe Dogma russisch.
Markus Wolf starb am 9. November 2006 in Berlin.
Quelle: Zeitung der Arbeit