22. November 2024

Weizenanbau in Kuba ist kein Hirngespinst

Die Geschichte der kubanischen Wissenschaft ist geprägt von den Herausforderungen, denen sich mutige, hingebungsvolle und vor allem hartnäckige Forscher stellen mussten. Ein Beispiel dafür sind die Wissenschaftler, die versucht haben, Weizen, ein weltweites Grundnahrungsmittel, in unserem Land einzuführen und zu fördern.

Die Schwäche bei diesem Prozess ist in der langsamen Reaktion begründet, die Ergebnisse auf einbe breitere Ebene zu stellen, eine Ansicht, die von einigen Wissenschaftlern vertreten wird und der wahrscheinlich viele andere zustimmen.

Es ist dringend notwendig, diese Mentalität zu ändern, zumal das Land über ein Gesetz zur Ernährungssouveränität verfügt, das Teil der nationalen Sicherheitsstrategie ist. Wer daran noch zweifelt, sollte sich die hohen Preise für importierte Produkte vor Augen führen, die das Ergebnis der Inflation sind, die unter anderem durch die Auswirkungen von COVID-19 und den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurde, die neben Russland einer der wichtigsten Getreidelieferanten der Welt ist.

DER WISSENSCHAFTLICHE WEG DES WEIZENS

Der Weizen, ein Getreide von überragender Bedeutung auf internationaler Ebene, hat auf der Insel einen wissenschaftlich beschwerlichen Weg hinter sich. Dies geht aus einer Studie mit dem Titel „El cultivo del trigo en Cuba, un siglo de trabajos“ (Weizenanbau in Kuba, ein Jahrhundert an Arbeit) hervor, die von einer Gruppe von Autoren der Institute für Grundlagenforschung in tropischer Landwirtschaft, Molekularbiologie und Zuckerrohrforschung sowie der Universitäten in Villa Clara, Ciego de Avila, Havanna und Kanada verfasst wurde.

Den Forschungen zufolge kam diese Getreideart mit den spanischen Eroberern nach Kuba und wurde lange Zeit vor allem im zentralen Teil der Insel angebaut.

Die Studie führt verschiedene Dokumente an, darunter Aufzeichnungen des kubanischen Gelehrten Antonio Bachiller y Morales aus dem Jahr 1848.

Aus den Aufzeichnungen desselben Autors und anderer Kenner der Materie geht jedoch hervor, dass der Weizenanbau im ganzen Land einen notorischen Niedergang erlebte, der auf verschiedene Ursachen zurückzuführen war, wie z. B. die Einfuhr von Mehl aus Kastilien zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen, das Auftreten von Schädlingen, die die damals verfügbaren Sorten beeinträchtigten, und der wirtschaftliche Anreiz durch den Anbau von Zuckerrohr und Tabak.

Die 1904 gegründete landwirtschaftliche Versuchsstation in Santiago de las Vegas, das heutige Institut für Grundlagenforschung in der tropischen Landwirtschaft (Inifat), führte 1909 zuverlässigen Aufzeichnungen zufolge das Saatgut einer Reihe von Sorten ein, die den Weizenanbau im Land fördern sollten.

Drei Jahre später wurde das erworbene Saatgut zur Reproduktion nach Sancti Spíritus und in andere Orte im Zentrum der Insel verschickt, wo es von den Landwirten nachgefragt wurde. Leider haben die meisten Samen nicht gekeimt.

Die Wissenschaftlicher ließen aber in ihren Bemühungen nicht nach, wobei sie immer wieder auf die Mitarbeit von Landwirten zurückgreifen konnten, die auf eigene Rechnung Saatgut importierten und aussäten. Aus den Unterlagen geht hervor, dass in den 1930er Jahren mehrere Sendungen mit Saatgut verschiedener Sorten und unterschiedlicher Herkunft für phytotechnische Untersuchungen in der landwirtschaftlichen Versuchsstation Santiago de las Vegas eingingen.

Es gibt auch Belege für gute Aussaatergebnisse in den Jahren 1940 bis 1942, aber man wusste auch, dass die Ernten ab 1943 zurückgingen, weil die Sorten ihre ursprünglichen Qualitäten zu verlieren begannen. Nach einem Jahrzehnt Arbeit veröffentlichte die landwirtschaftliche Versuchsstation in Santiago de las Vegas einen Bericht, in dem es heißt: „Die eingeführten Sorten können sich nicht akklimatisieren und verlieren mit den aufeinanderfolgenden Ernten an Ertrag, Keimfähigkeit, Vitalität und ihren guten morphologischen Eigenschaften“.

Die Wissenschaftler gaben das Züchtungsprogramm nicht auf und kamen 1949 zu dem Schluss, dass der Weizenanbau erst dann stabil sein würde, „wenn Kuba über Sorten verfügt, die an unsere klimatischen Bedingungen angepasst sind“.

NEUE SPROSSEN ERKLIMMEN

Auch das 1959 von Fidel gegründete Nationale Institut für Agrarreform nahm die Wiedereinführung des Weizens ernst. Die Nation konnte auf die Erfahrung und die Leidenschaft der Forscher der landwirtschaftlichen Versuchsstation Santiago de las Vegas zurückgreifen. So wurde in den 1960er Jahren die Einführung neuer und bewährter Sorten fortgesetzt, gefolgt von deren Verteilung an Landwirte, die den Anbau des Getreides fördern wollten.

Im Jahr 1964 wurde mit der Züchtung kubanischer Sorten begonnen. Eine wichtige Rolle spielte dabei der im Jahr 2000 verstorbene Ingenieur César Ismael Cueto Robayna, der von der Notwendigkeit eines Programms zur genetischen Verbesserung überzeugt war.

Die Maßnahmen zur Gewinnung einer an unser Klima angepassten Sorte begannen mit der Untersuchung der brasilianischen Sorte BH 11-46. Durch die Auswahl der besten Genotypen wurde die Selektion 204 erreicht, die in verschiedenen Teilen des Landes getestet wurde.

Daraus entstand die Cuba C – 204, die erste kubanische Weizensorte. Im Vergleich zum Original wurden bemerkenswerte Veränderungen was die Höhe der Halme und Größe der Ähren angeht, festgestellt. Bei der Bewertung der Wachstumsparameter stellte man fest, dass die Keimung 3-4 Tage nach der Aussaat erfolgt, der Austrieb nach 11 Tagen und die Ähren nach 43 Tagen. Die Ernte findet zwischen dem 90. und 100. Tag statt.

Die Forscher konzentrierten sich in den 1980er und 1990er Jahren darauf, auf der Grundlage der Sorte C-204 aus Kuba die für unsere Bedingungen am besten geeignete Agrartechnologie zu ermitteln. Die Arbeiten waren Teil eines Programms, das unter der Schirmherrschaft einer am Inifat eingerichteten multidisziplinären Weizenforschungsgruppe entwickelt wurde.

So wurde festgelegt, dass die Grundlagen der Agrotechnik die Erzeugung und Erhaltung von Basissaatgut, die Erforschung der Phytopathologie und Physiologie des Weizens in Kuba und die Züchtung neuer Sorten berücksichtigen sollten.

WISSENSCHAFT MIT MEHR WISSENSCHAFT

Die Züchtung von Sorten durch Radiomutagenese kennzeichnet das andere Programm, das in den 1990er Jahren zur Verbreiterung der genetischen Basis der kubanischen Sorten gestartet wurde.

Das Team unter der Leitung von Dr. Susana Pérez Talavera beschloss, die vor einem Jahrzehnt von der Inifat-Gruppe Radiobiologie und Radiomutagenese entwickelten Techniken zur Mutationsinduktion zu verwenden. Die Sorte Cuba C -204 wurde als Stamm ausgewählt, und ihre Strahlungsempfindlichkeit untersucht, um die Dosis der Gammastrahlung zu bestimmen, der das Saatgut auf der Suche nach dem gewünschten Zweck ausgesetzt werden sollte.

Die Ergebnisse waren beeindruckend. Sieben neue Weizensorten erschienen auf der wissenschaftlichen und landwirtschaftlichen Bühne Kubas: Inifat RM-26, Inifat RM-29, Inifat RM-30, Inifat RM-31, Inifat RM-32, Inifat RM-36 und Inifat RM-37. Mit ihnen ist es möglich, eine geeignete Aussaatpolitik entsprechend den Merkmalen der einzelnen Sorten zu entwickeln.

Schließlich gewann man In Kuba acht Weizensorten. Allen gemeinsam sind ein dreimonatiger Zyklus, eine gleichmäßige Reife, Erträge von zwei Tonnen pro Hektar sowie größere Resistenz gegen Trockenheit, Salzgehalt und Pilzbefall.

Der langwierige Prozess ihrer Gewinnung wurde auch durch zytogenetische und anatomische Forschungen unterstützt, die ihre biologischen Merkmale und physischen Eigenschaften definieren.

Víctor Daniel Gil, Direktor des Zentrums für Landwirtschaftliche Forschungen in Villa Clara, sprach jüngst über die Notwendigkeit, die Aussaat von Erbsen, Kichererbsen und Weizen auf den kubanischen Feldern auf größerer Ebene durchzuführen, und erinnerte daran, dass auch die Perspektive, die heute der Anbau von Erbsen und Kichererbsen hat, auf den Arbeiten des Inifat-Teams beruhe.

Mit den gewonnenen Sorten kann in Kuba Weizen gesät und geerntet werden. Einige tun dies bereits, aber es bedarf einer energischeren und konkreteren Reaktion seitens staatlicher Stellen und privater Produzenten mit entsprechenden Möglichkeiten, sich dieser Arbeit anzuschließen.

Quelle: Granma Internacional

Granma