23. November 2024

Auch beim Klimaschutz gibt es Unterdrücker und Unterdrückte

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

Dass sich junge Menschen auf der Straße ankleben, sorgt in den letzten Wochen und Monaten für heftige Diskussionen. Der ÖVP fällt gleich Kriminalisierung der Aktivist/inn/en als Lösung ein, ohne über deren Anliegen auch nur ein Wort zu verlieren. Tempo 100 auf den Autobahnen wird zum Beispiel gefordert, das nicht nur die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen, sondern auch den CO2-Ausstoß verringern würde. Das will die Partei der Reichen natürlich nicht, denn wozu hat man sich da einen elektrischen Dienstwagen angeschafft, der mehr als 300 PS hat?

Auf den Straßen fahren heute elektrisch betriebene Luxuskarossen herum, deren Lenker verächtlich auf den Dieselautos fahrenden Pöbel herunterblicken. Das E‑Auto etwa von BMW, Mercedes oder Tesla ist zum neuen Statussymbol von Schön und Reich geworden.

Die EU will die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ab 2035 verbieten. Da wird es längst keine Frau Von der Leyen mehr in der Politik geben, und man wird sich vielleicht nicht einmal mehr an sie erinnern. Oder doch: Denn unter ihrer Führung wurde nicht nur der Ukraine-Krieg immer weiter eskaliert, sie hat auch der E‑Auto-Lobby zum entscheidenden Durchbruch verholfen. Dabei ist nicht einmal sicher, dass das E‑Auto auf die gesamte Lebenszeit gerechnet wirklich einen besseren CO2-Fußabdruck hat als ein Dieselmotor auf dem letzten Stand der Technik. Das E‑Auto könnte – auch bedingt durch Rohstoff- und Strommangel – zu einem teuren Spaß werden, während Alternativen wie Wasserstoff vernachlässigt werden.

Viele Menschen sind beruflich aufs Auto angewiesen, gerade am Land geht oft ohne Autos gar nichts. Viele fahren aber auch gerne Auto. Darf es das auch geben? Natürlich, denn diese grüne Maschinenstürmerei ist Unsinn.

Damit noch einmal zu den „Klimaklebern“: Die Frage ist, wen sie überzeugen wollen, wenn sie an einem Wochentag im morgendlichen Berufsverkehr wichtige Straßen der Bundeshauptstadt wie den Gürtel oder die Westeinfahrt lahmlegen? Die Menschen sind verärgert, weil sie zu spät ins Büro oder auf die Baustelle kommen. Botendienst- und LKW-Fahrer, Servicetechniker und Handwerker müssen Überstunden machen, um ihr Tagespensum zu erfüllen. Sie alle sind sauer auf diese Protestform, abgesehen vom zusätzlichen Schadstoffausstoß, der durch die von den Blockaden verursachten Staus entsteht. Meiner Meinung nach ist diese Protestform kontraproduktiv. Den eigentlichen Anliegen wird damit mehr geschadet als genützt.

Wir sollten uns an die weltweiten Massendemonstrationen der „fridays for future“-Bewegung erinnern. Sie brachten zum Ausdruck, dass viele Jugendliche sich Sorgen um ihre und die Zukunft des Planeten machen. In einer Welt, in der es der Neoliberalismus fertiggebracht hat, eine Diktatur der „Selbstoptimierung“ zu errichten, sich selbst also am wichtigsten zu nehmen und sich zugleich stromlinienförmig den beruflichen Erfordernissen in der Welt der Konzerne unterzuordnen, ist es bemerkenswert, dass trotzdem viele junge Menschen Themen ansprechen, die uns alle betreffen, und sich engagieren.

Freilich ist es nicht so einfach mit dem Klimaschutz. Auch in dieser Frage gibt es Unterdrücker und Unterdrückte. Im globalen Maßstab ist es der reiche Norden und Westen, der den Schwellen- und Entwicklungsländern die Schuld am Klimawandel in die Schuhe schieben und ihnen Vorschriften machen will. Und da ist viel Lüge im Spiel. Was machen Konzerne, um den strengeren gesetzlichen Vorgaben gegen die Umweltverschmutzung in den Industrieländern zu entgehen? Sie verlagern die Produktion in Länder, wo nicht nur die Arbeitskräfte billiger, sondern auch die Umweltgesetze weniger streng sind. Es ist üblich geworden, dass die Klimavorgaben (auch von Österreich) nicht erfüllt werden, und man sich freikauft. Jetzt hat die EU auch noch angekündigt, man wolle Weltmarktführer in grünen Technologien werden, ein Vorhaben, das mit massivem Einsatz von Steuermitteln umgesetzt werden soll. Die Länder des Südens und des Fernen Ostens sollen dann die teuren Solar- und Windkraftanlagen aus den reichen Ländern kaufen. Mit welchem Geld?

Organisationen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds halten ihre Hand an der Gurgel vieler, vor allem armer Nationen. Die Schulden lasten schwer auf gerade den ärmsten Ländern. Gleichzeitig kommen die Hedgefonds vor allem aus den USA und führen sich auf wie die Heuschreckenschwärme. Alles, was profitabel ist, wird aufgekauft und verwertet: Grund und Boden, Rohstoffe und Industrien. Auch die kriegführende Ukraine ist übrigens im Griff dieser Superstrukturen des Finanzkapitals. Die Kehrseite dieser Politik ist die Zerstörung der Lebensgrundlagen und die Verarmung immer größerer Teile der Weltbevölkerung.

Die bittere Wahrheit ist: Alle bisherigen treuherzigen Beteuerungen der Konzerne und Staatenlenker, der Erderwärmung durch entschlossene Maßnahmen entgegenzuwirken, waren Seifenblasen. Wir leben in einer Welt, in der neben den geschriebenen Gesetzen der Staaten die ungeschriebenen des Kapitalismus gelten, und die besagen, dass die Rahmenbedingungen für die Profitmaximierung das Wichtigste sind. Die multiplen Krisen, mit denen die Welt heute konfrontiert ist, sind das Ergebnis dieser Profitlogik. Es wird sich also die Zerstörung der Lebensgrundlagen der menschlichen Spezies so lange fortsetzen, so lange der Kapitalismus nicht überwunden ist. Er ist ein untaugliches Gesellschaftsmodell für 95 Prozent der Menschen, er mehrt nur den Reichtum der restlichen fünf Prozent.

Wie viel CO2 stößt ein Panzer aus, oder die Brände und Explosionen im Ukraine-Krieg? Wie viele Menschenleben kostet der Krieg? Wie viel Zerstörung bringt er? Das ist den Herrschaften egal, Hauptsache die Geschäfte des militärisch-industriellen Komplexes florieren durch die Lieferung immer neuer Waffen, während US-Konzerne die Ukraine aufkaufen.

Die Zukunft der Menschheit liegt sicher nicht in der Fortsetzung der zynischen und verantwortungslosen Politik des Kapitals. Sie liegt in einem plan- und verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen und der Natur, in Staatszielen, die das umfassende Wohlergehen aller Bürgerinnen und Bürger zum Ziel hat, und nicht nur den Interessen weniger Reicher dient. Die Zukunft liegt in einem zeitgemäßen Sozialismus, der erst erkämpft werden muss.

 

Quelle: Zeitung der Arbeit

ÖsterreichZeitung der Arbeit