Das Thema Arbeitszeitverkürzung muß heiß bleiben
Mit schöner Regelmäßigkeit schmückt sich die LSAP in den Monaten vor Wahlen mit großen Ideen zum Wohle der lohnabhängigen Bevölkerung. Und ebenso regelmäßig will man in »Sozialisten«-Kreisen im Anschluß an den Urnengang nicht mehr so viel hören von solchen Projekten. In der aktuellen Legislaturperiode, um den liberalen Partnern in grün und blau nicht auf den Schlips zu treten, in früheren Zeiten, um die Christsozialen nicht zu verärgern.
Eine solche große Idee wird aktuell erneut debattiert: Es geht um eine Wochenarbeitszeitverkürzung. Bereits bei den ersten lauten Gedanken des aktuellen Arbeitsministers Georges Engel an ein solches Vorhaben war das übliche Geheul um Wettbewerbsfähigkeit und Anziehungskraft auf Fachkräfte und Unternehmen groß.
Während in anderen Ländern zwar auch nicht das Paradies der Wohlstandsverteilungsgerechtigkeit auf Erden ist, gibt es doch Modelle, insbesondere in Skandinavien oder Ozeanien, wo ganz klar deutlich wurde, daß selbst eine noch stärkere Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf hier maximal 4 Tage keinen negativen Einfluß auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hat. Im Gegenteil wurden eine Steigerung der Produktivität und ein gesunkener Krankenstand festgestellt. Doch Work-Life-Balance ist im Marienländchen noch immer Teufelswerk. Die »Schaffenden« haben zu »schaffen«, so steht es in Stein gemeißelt. Daß eine individuelle Entfaltung, ein adäquates Familien- und Sozialleben für die Lohnarbeitskraft des Einzelnen einen viel höheren Regenerationsfaktor darstellt, als ständige Hetzerei, Ultraflexibilität und Krankfeier-Paranoia seitens der Betriebe, scheint hierzulande wenig interessant.
Während der zuständige Arbeitsminister für den April eine Studie angekündigt hat, ging die luxemburgische Handelskammer bereits auf die Barrikaden. Ein solches Vorhaben sei das »Ende der Attraktivität unserer Wirtschaft«, bellte Boß Carlo Thelen. Erleben wir hier das bisher zu allen Zeiten einer Weiterentwicklung der Arbeitszeiten dagewesene Aufbäumen der Wirtschaftsbosse in Untergangsszenarios, ohne daß diese eintreten? Vermutlich. Die Liste der Geschenke der aktuellen Regierung an die Wirtschaft ist groß, während Entlastungen an die Bevölkerung durch sie selbst finanziert werden. Es bleibt abzuwarten, wie es in der Sache weiter geht. Vermutlich Wird zumindest die DP den sozialistischen Umtrieben des Ministers rasch einen Riegel vorschieben wollen und das ganze Vorhaben verläuft, wie so vieles, im Sande der Alzette-Ufer.
Eine Modernisierung der Wochenarbeitszeiten ist als Teil einer gerechteren Umverteilung des geschaffenen Wohlstandes dennoch dringend nötig. Doch Verteilungsgerechtigkeit ist ein Begriff, der die meisten Lohnabhängigen noch nicht wirklich interessiert, insbesondere in einem gesellschaftlich derart fragmentierten Land wie Luxemburg, sonst wäre der Druck vermutlich deutlich größer. Bleibt zu hoffen, daß die Gewerkschaften diese Flamme bis zum Oktober am Brennen halten können.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek