21. November 2024

Friendly fire

Schade ich der Revolution? Das ist eine Frage, die sich jedes ehrliche Parteimitglied, aber auch jeder ehrliche Mensch von Zeit zu Zeit stellen sollte.

Nicht alles, was wir als Einzelne tun oder sagen, trägt letztendlich positiv zu dem kollektiven Projekt bei, das wir verteidigen und dem wir uns zugehörig fühlen. Wir müssen uns also folglich selbst gründlich überprüfen, in Frage stellen und analysieren, inwiefern unser Verhalten schädlich sein könnte.

In Zeiten digitaler Netzwerke und ständigem extremen Ausgesetztsein kann alles, was wir äußern, Gegenstand von Diskussionen sein; es kann analysiert, geteilt oder widerlegt werden. Was wir im Privaten ganz selbstverständlich und ohne größere Konsequenzen sagen, kann im öffentlichen Forum des Internets zu einer Kontroverse werden. Und für jemanden, der sich nicht an eine Organisation, ein politisches Projekt oder eine Gruppe bindet, mag das folgenlos sein, aber nicht für ein Parteimitglied.

Natürlich gibt es den Schaden, der durch einen Fehler, eine leichtsinnige (oder gewissenlose) Handlung entsteht, und es gibt den Schaden, der absichtlich angerichtet wird, in Kenntnis oder Unkenntnis der unmittelbaren oder langfristigen Folgen, die sich daraus ergeben können. Der unsinnige Drang zum Lynchen, sei es aus niedrigen Motiven oder als Reaktion auf ein vorhergegangenes Lynchen, das neurotische Misstrauen, das den Geist vergiftet und uns dazu bringt, in jedem, mit dem wir nicht ganz einverstanden sind, die Frontmänner des Feindes zu sehen, die Intoleranz und der seichte Moralismus: all das sind Eigenschaften, die letztendlich nicht dazu beitragen, mehr Menschen dazu zu verleiten, sich dem Zug der Revolution anzuschließen, sie stoßen sie vielmehr ab.

Nichts entmutigt mehr als „friendly fire“. Ein revolutionärer Kämpfer, der mit Selbstvertrauen und Mut ausgestattet ist, kann jeder feindlichen Belagerung, jeder Beschimpfung, jeder Bedrohung durch seine Gegner standhalten, ohne dass dies seine Überzeugung erschüttert. Aber dass andere, von denen er annimmt, dass sie auf seiner Seite stehen ihn ständig in Frage stellen, ihn ohne eine Spur von Empathie angreifen, ihn als „Infiltrator“ bezeichnen; dass andere, die er als seine Kameraden versteht, ihn auf die andere Seite der Geschichte drängen wollen, kann ihn ins Wanken bringen, kann ihn an sich selbst zweifeln lassen, kann bei ihm sogar zu kafkaesker Resignation führen.

Jedes Mal, wenn eine Person sich in den Schützengräben der Revolution nicht willkommen fühlt, verliert die Revolution. Und sie verliert nicht nur, weil diese Person nicht mehr die Summe ihrer schöpferischen Energien, ihres Kampfes, einbringt, sondern auch, weil andere in dieser Person eine Lektion, eine Warnung sehen. Warum sollte man sich Ärger mit Indianern und Cowboys einhandeln?

Wir müssen uns selbst (und andere) vor den Fehlern warnen, die es zu korrigieren gilt, vor den toxischen Formen des Umgangs miteinander, vor den sektiererischen Praktiken oder der ebenso schädlichen Gleichgültigkeit, die wir ihnen manchmal entgegenbringen. Wir können es uns nicht leisten, das zu beschädigen, was wir gemeinsam aufzubauen versuchen. Es kann nicht angehen, dass wir uns gegenseitig schädigen, während der wahre Feind es aus der Distanz heraus sich ins Fäustchen lacht.

Quelle: Granma Internacional

Granma