Von der kämpferischen Geschlossenheit in Frankreich lernen
Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft kostet in Luxemburg derzeit um die 20 Euro im Monat. Ein Betrag, der gerne auch mal an einem Werktag für ein Mittagessen draufgeht. Es kann also nicht nur am Kostenfaktor liegen, daß weniger Menschen die Notwendigkeit sehen, gewerkschaftlich organisiert zu sein. Das Verständnis, daß all die erreichten sozialen Errungenschaften und Verbesserungen in den Betrieben von den Generationen vor uns teils hart erkämpft werden mußten und keine Selbstverständlichkeit oder gar patronale Gutherzigkeit darstellen, geht leider immer mehr verloren. Das liegt vor allem an der gezielten Entpolitisierung und Sozialpartnerschaft der vergangenen Jahrzehnte. Umso mehr zeigen rezente Entwicklungen insbesondere bei unseren Nachbarn in Frankreich, aber auch hierzulande immer häufiger, daß die Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit, die aus dem Himmel fällt, eine falsche ist.
Die Tradition, betriebliche Mitbestimmung, längst überfällige Lebens- und Wochenarbeitszeitverkürzungen und andere Forderungen mit Druck als Masse von der Straße her durchzusetzen, ist in den Köpfen nicht mehr präsent. Die Gewerkschaft und die sie in den Betrieben vertretenden Betriebsräte stehen dort oftmals auf verlorenem Posten, weil viele Beschäftigte eine Gewerkschaft nicht mehr als Organisation der gemeinsamen Stärke durch Beteiligung, sondern als Dienstleister und die sie vertretenden Betriebsräte als »Mädchen für Alles« verstehen, die sich in ihrem Interesse mit dem Boß herumschlagen, ohne daß sie selbst Farbe bekennen müssen.
Dabei wäre es gerade jetzt, wo viele der angesprochenen Errungenschaften Stück für Stück zurückgenommen werden sollen, an der Zeit, sich zu besinnen, welche Wirkung und Wert die Organisation in einer Gewerkschaft hat. Seine eigenen Ideen in Gewerkschaftspolitik mit einzubringen und in der Masse stark zu sein, Druck zu machen. Auch für kommende Generationen.
Gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte, Schüler, Studenten und Rentner sind deutlich schwerer zu spalten, auch wenn dies in Luxemburg aufgrund der gesellschaftlichen Struktur schwieriger zu erreichen ist. Gerade in der aktuellen Situation ist so eine Geschlossenheit sehr wichtig, um der Regierung und den Bossen der Wirtschaft deutlich zu machen, daß der soziale Roll-Back mit fadenscheinigen Argumenten und Wehklagen über angebliche Verluste der Wettbewerbsfähigkeit nicht so einfach auf die Lohnabhängigen abzuwälzen sind.
Dazu gehört auch, zu verstehen, daß etwa eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, wie vor einigen Jahren in Luxemburg durch die »Rente à la Carte« oder jetzt in Frankreich ohne ein solches sprachliches Schleifchen, schlicht mit der Brechstange, rein unternehmerfreundlich ist. Dazu gehört, zu verstehen, daß eine Forderung nach kürzerer Wochen- und Lebensarbeitszeit nicht weniger Einkommen bedeuten muß und daß Mitbestimmung im Betrieb keine Bittstellerei, sondern ein legitimes Recht ist.
Darum ist Organisation so wichtig und der finanzielle Beitrag sollte keine hohe Hürde sein, wenn es darum geht, etwas zu bewegen. Die sozialen Errungenschaften früherer Generationen dürfen nicht aufgegeben werden. Im Gegenteil gilt es, längst überfällige weitere Verbesserungen durchzusetzen.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek