Woche der Kriegsräte
Panzer, Kampfflugzeuge, mehr Munition – in rascher Folge berieten westliche Entscheidungsgremien in diesen Tagen über die Steigerung der Waffenlieferungen an Kiew. Von Freitag bis Sonntag tagt zudem in München die 59. „Sicherheitskonferenz“ (Siko) – im Kalten Krieg einst ehrlicher als „Wehrkundetagung“ gestartet. Organisiert wird sie erstmals vom früheren deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen, der im November 2021 im „Zeit“-Interview darlegte, mit welcher Absicht er dieses Amt übernahm: „Viele Staaten können es sich eben nicht erlauben, sich mit China oder auch Russland anzulegen. Wir können das.“ Am Montag teilte er auf einer Pressekonferenz zur Tagung in München mit, dass er Oppositionelle aus Russland und dem Iran eingeladen habe, aber keine Regierungsvertreter. Das geschieht erstmals seit Jahrzehnten. Heusgen begründete das damit, er wolle kein Forum für Propaganda bieten. Hochrangig vertreten wird allerdings die Volksrepublik China durch den früheren Außenminister Wang Yi, der seit Oktober Mitglied des Politbüros der KP Chinas ist. Er wird auf der Reise auch Russland, Italien, Frankreich und Ungarn besuchen.
Am Montag verkündete NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel, dass die Kriegsminister der Allianz dort am Dienstag auch über eine mögliche Lieferung von Kampfflugzeugen an Kiew beraten werden. Er behauptete, auch eine Kampfjet-Lieferung durch NATO-Länder werden den Pakt nicht zur Kriegspartei machen. Er erklärte außerdem: „Es ist klar, dass wir in einem Logistikrennen sind.“ Es gehe darum, Kiew mit Munition, Treibstoff und Ersatzteilen auszurüsten, bevor Moskau wieder die Initiative auf dem Schlachtfeld ergreife. Die Ziele für die Munitionsvorräte müssten erhöht werden. Der Krieg in der Ukraine verbrauche eine enorme Menge an Munition: „Deshalb müssen wir die Produktion hochfahren und in unsere Produktionskapazitäten investieren.“
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, überbot ihn am gleichen Tag in Berlin noch mit der Behauptung: „Es war ein verlorenes Jahr.“ Direkt mit der Entscheidung der Bundesregierung, Kiew den Flugabwehrpanzer Gepard oder die Panzerhaubitze 2000 aus dem Bestand der Bundeswehr zu liefern, hätte man sofort nachbestellen müssen.
Noch vor dem zweitägigen NATO-Treffen organisierten die USA Dienstagvormittag Beratungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe. In diesem „Ramstein“-Format koordiniert Washington die Waffenlieferungen an Kiew von rund 50 Ländern. Am Mittwoch sollte es dann um die Stärkung der NATO-Ostflanke gehen. Geplant ist, die Zahl der Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft von 40.000 auf 300.000 zu erhöhen.
Zur Siko in München werden insgesamt mehr als 40 Staats- und Regierungschefs sowie 90 Minister erwartet, unter ihnen US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der polnische Präsident Andrzeij Duda und Bundeskanzler Olaf Scholz.
Sorgen machen sich die Organisatoren der Konferenz, die von Bayern, vom Bund und Konzernen mit Millionenbeträgen finanziert wird, um Länder, die nicht die westliche Sicht auf den Ukraine-Krieg teilen. Der jährlich zur Siko erscheinende „Münchener Sicherheitsbericht“ kommt laut Ko-Autorin Sophie Eisentraut zu dem Ergebnis, dass es „liberalen Demokratien“ nicht nur darum gehen könne, den Status Quo zu verteidigen. Sie erklärte am Montag in Berlin: „Die vielleicht schwierigere Aufgabe wird es sein, die bisherige Ordnung so zu erneuern, dass sie für die breitere internationale Gemeinschaft wieder attraktiver wird.“ Die „Zögerlichkeit“ vieler Länder des internationalen Südens, Russland zu verurteilen, sei „ein klarer Weckruf“. Laut Heusgen will die Siko daher den Ländern des globalen Südens mehr Platz einräumen.
Quelle: Unsere Zeit