24. Dezember 2024

Der kurze Weg zwischen Beklatschen und In-die-Fresse-hauen

Wir dokumentieren die Rede von Jutta Markowski, Vertrauensfrau und Delegierte des Knappschaftskrankenhauses Bottrop, auf der Streikkundgebung von ver.di Mittleres Ruhrgebiet am 15. März in Gelsenkirchen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir Beschäftigte aus dem Knappschaftskrankenhaus Bottrop und der Rehaklinik Prosper streiken heute, zum dritten Mal in dieser Tarifrunde. Die Rehaklinik ist dicht, das Krankenhaus fährt im Notdienstbetrieb.

Damit stehen wir an der Seite der bundesweit seit gestern streikenden Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen. Wir streiken diesmal ganz schlicht und einfach für höhere Löhne. Unser Motto: „Gesundheit ist Gold wert und wir sind es auch“.

Eine Forderung, die mehr als berechtigt ist. Ich brauche euch nicht zu erzählen, wie erschrocken man bei jedem Einkauf auf die paar Teile im Einkaufskorb guckt, hatte man doch sonst für’s gleiche Geld den Korb voll.

Niemand unserer Patienten und Angehörigen stellt in Frage, dass wenn jemand eine Lohnerhöhung verdient hat, dann doch wohl wir. Die, die jeden Tag in der Pandemie mit all den Widrigkeiten, und da sei nur die Maske als ein Beispiel genannt, für unsere Patienten da waren. Nur die Arbeitgeber haben nichts verstanden!

Wenn ich in der letzten Woche den Kolleginnen und Kollegen davon erzählt habe, dass das Angebot der Arbeitgeber Lohnkürzungen bei den Beschäftigten in Krankenhäusern und Altenheimen vorsehen soll, konnte ich immer das gleiche Schauspiel in ihren Gesichtszügen beobachten. Zunächst belustigt über den Witz, den ich wohl gemacht habe – ist denn schon der 1. April? – dann ungläubig, ob ich sie vielleicht doch nicht veräppele. Am Ende mündete es immer in eine hysterisch-wütende Schimpftirade.

Zu den harmlosesten gehörte der Satz: „Zwischen Klatschen auf Balkonen und ich schlag dir in die Fresse hat es ja nicht lange gebraucht!“ Ich komme aus Bottrop, da spricht man klare Worte.

Das von den Arbeitgebern geforderte Sonderopfer ist der Gipfel der Unverschämtheit. Die Botschaft an uns heißt ja wohl: Die Krankenhäuser wurden in den letzten 20 Jahren kaputt gespart und der Profitlogik unterworfen, die Versorgungsqualität wurde abgebaut und unsere Arbeitsbedingungen konsequent verschlechtert. Und jetzt erwarten sie, dass bei finanzieller Schieflage des Krankenhauses wir auf Lohn verzichten, um die zu retten.

Wenn die Arbeitgeber jetzt, wo Lauterbach und Laumann ihre Pläne für eine Neugestaltung der Krankenhauslandschaft vorgelegt haben, auf Verzicht bei finanziellen Notlagen drängen, lässt das doch nichts Gutes vermuten. Zu befürchten ist, dass mit der geplanten Krankenhausreform der Druck auf kleine und mittlere Krankenhäuser weiter steigt, dass wir die Zeche zahlen und dass es zu weiteren Privatisierungen und Ambulantisierungen kommt. Alles nicht zum Wohl der Patienten, und bestimmt keine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen.

Dass Kliniken überhaupt insolvent gehen können, hat uns doch erst die Politik eingebrockt, mit ihren Fallpauschalen à la Lauterbach und seinen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Aber wir werden nicht gefragt, dabei sind wir die Experten!

Wir wissen: Die Daseinsvorsorge und insbesondere die Gesundheitsversorgung dürfen nicht dem Markt ausgeliefert sein. Gesundheitsversorgung gehört in öffentliche Hand! Es bedarf einer auskömmlichen Finanzierung, an den Bedürfnissen der Patienten und Bewohner orientiert, mit Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen.

Doch da sagt man uns, es sei nicht genug Geld da

Und ich sage euch, das ist eine ewige Lüge, mit der man uns klein und bescheiden halten will!

Sind die Aktionäre von RWE, Rheinmetall, BAYER, BASF, Merck, Shell und wie sie alle heißen jemals bescheiden gewesen? Warum bringt der Porsche-Fahrer mit seiner teuren Hochzeit auf Sylt keine Gewinnsteuer auf den Weg, warum redet keiner von Millionärssteuern? Warum bekommt ein Rene Benko, der Eigentümer von Galeria Kaufhof, mit einem Privatvermögen von 4,9 Milliarden Euro noch 680 Millionen Euro Subventionen für sein Unternehmen, wenn es dann doch Pleite gehen kann? Und warum gibt es über Nacht 100 Milliarden für Rüstung, aber nicht für Gesundheit, Soziales und Bildung?

Weil wir zwar heute eine wirklich beeindruckende Menge an Streikenden sind, aber noch zu wenig. Macht die Gewerkschaften stark, lasst uns lauter werden! Wagen wir doch mal ein Blick nach Frankreich, dort sind drei Millionen auf der Straße, um die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre zu verhindern.

Hier reden sie schon seit langem von der Erhöhung auf 70 Jahre, sonst wäre die Rente nicht mehr zu finanzieren. Hier reden sie angesichts unserer Tarifauseinandersetzung wieder von Einschränkungen im Streikrecht. Sind wir bereit, eine starke und mächtige Antwort auf die Angriffe auf unsere erkämpften Rechte zu geben?

Das geht nur mit einer starken Gewerkschaft, und das müssen wir in die Belegschaften tragen, mit der Frage: Bist du auch dabei? Werde Mitglied bei ver.di, sonst ziehen sie dir noch mehr das Fell über die Ohren!

Noch zu einer Sache, die mich umtreibt. Vom Verhandlungstisch hört man, die Arbeitgeber seien nur zu finanziellen Zugeständnissen in den oberen Gehaltsgruppen bereit. Dort könne man in puncto Fachkräfte nicht mit der Privatwirtschaft mithalten, nur dort gebe es einen eklatanten Fachkräftemangel.

Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie es euch geht – ich habe im Krankenhaus noch keinen Mangel an Häuptlingen erlebt. Im Gegenteil, es werden immer mehr, während am Bett, in der Küche, am Reinigungswagen oder an der Werkbank und im Labor bald niemand mehr steht!

Sicher es tut uns leid, dass wir die Patienten heute alleine gelassen haben. Doch durch unseren Streik kommt auch kein Mensch zu Schaden. Dafür sorgen wir vor.

Zu Schaden kommen tagtäglich Menschen durch viel zu wenig Personal im Gesundheitswesen. Deshalb machen wir uns als ver.di schon seit vielen Jahren stark für mehr Personal und Entlastung. In dieser Tarifrunde geht es aber ums Geld.

Rückt die Kohle raus! 500 Euro mehr!

Heute ist kein Arbeitstag, heute ist…

Quelle: Unsere Zeit

UZ - Unsere ZeitWirtschaft & Gewerkschaft