»Politisch neutrale« Spalter am Werk
Die Entscheidung der Führung der Aleba, ihre Aktivitäten nicht länger auf den Finanzsektor zu beschränken, sondern auch in anderen Wirtschaftsbereichen Mitglieder zu werben, ist eigentlich nur eine halbe Überraschung.
Diskussionen darüber, ob sich die Aleba nicht einer anderen Gewerkschaft anschließen oder sich für Lohnabhängige aus der gesamten Privatwirtschaft öffnen sollte, gab es im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wiederholt. Dass der Schritt zu diesem Zeitpunkt erfolgt, ist wohl darauf zurückzuführen, dass ihr nach den letzten Wahlen zur »Chambre des salariés«, bei denen sie ganz knapp weniger als die Hälfte aller Stimmen verbuchte, auf Antrag von OGBL und LCGB die sektorielle Repräsentativität aberkannt wurde.
Dass es soweit kam, hat wohl damit zu tun, dass die Führung der Aleba den Bogen definitiv überspannte, als sie bei den vorangegangenen Kollektivvertragsverhandlungen im Banken- und im Versicherungswesen an den Gewerkschaften OGBL und LCGB vorbei eine Grundsatzerklärung mit zwei Patronatsorganisationen unterzeichnete, um den bisherigen Kollektivvertrag quasi unverändert fortzuführen.
Das war nicht nur ein Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben, sondern die Aleba fiel damit – ein weiteres Mal – den anderen Gewerkschaften in den Rücken. Wenn das die Art »Neutralität« ist, die sich die Führung der Aleba für die Zukunft auf die Fahne schreiben will, sollten die Lohnabhängigen gewarnt sein.
Geradezu lächerlich ist die Behauptung der Führung der Aleba, über die Hälfte der Lohnabhängigen in Luxemburg seien »politisch neutral«. Tatsächlich sind die Verhältnisse so, dass große Teile der Lohnabhängigen kein oder nur wenig politisches Bewusstsein haben und nicht erkennen, dass sie weitaus bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen durchzusetzen in der Lage wären, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren würden.
Andere haben wiederum Angst, dass sie Nachteile haben könnten, wenn sie sich zur Gewerkschaft bekennen würden, und wiederum andere stehen unter dem direkten Einfluss des Patrons und machen sich in nicht wenigen Fällen sogar dessen Stänkern gegen die Gewerkschaften zueigen.
Hinzu kommt, dass das Kapital ganz geschickt Differenzen zwischen den Gewerkschaften auszunutzen weiß und gerade immer die Gewerkschaftsvertreter bevorzugt behandelt, die bremsen oder wegen irgendwelchen »betrieblichen« oder »nationalen« Interessen auf berechtigte Forderungen verzichten.
Das ist einer der Gründe dafür, weshalb das Patronat in vielen Wirtschaftsbereichen bei Kollektivvertragsverhandlungen gerade den OGBL anfeindet, der die Interessen der Schaffenden in der Regel am entschiedensten vertritt, eine Gewerkschaft, die, wie alle anderen Gewerkschaften in Luxemburg, grundsätzlich auf der Basis der »Sozialpartnerschaft« agiert und nicht vorrangig darauf ausgerichtet ist, den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit durch die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen auflösen.
Als die Aleba ankündigte, sie werde in der gesamten Privatwirtschaft aktiv, klatschten viele Kapitalvertreter in die Hände, denn sie verbinden damit eine noch größere Spaltung der Gewerkschaftsbewegung. Verhindern können das allein die Lohnabhängigen selbst.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek