17. November 2024

ver.di und EVG rufen zum 24-stündigen Verkehrsstreik auf

Gemeinsame Presseerklärung von ver.di und EVG

Die Tarifverhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen gehen am 27. März 2023 in die dritte Runde. Da das Angebot der Arbeitgeber aus der zweiten Verhandlungsrunde am 22./23. Februar völlig unzureichend war, hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in allen Bundesländern und von den Verhandlungen betroffenen Bereichen zum Streik aufgerufen. In den vergangenen Wochen haben sich rund 400.000 Beschäftigte an den Streiks beteiligt. Zur dritten Verhandlungsrunde erhöht ver.di jetzt nochmals den Druck auf die Arbeitgeber, ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, das den Forderungen der Beschäftigten gerecht wird.

ver.di ruft daher am zentralen Streiktag für den Verkehrs-/Infrastrukturbereich am 27. März Beschäftigte an den Flughäfen, in kommunalen ÖPNV-Betrieben in sieben Bundesländern, in Teilen der kommunalen Häfen, der Autobahngesellschaft und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, zum Streik auf. Der ganztägige Streik beginnt in der Regel in der Nacht vom 26. auf den 27. März um 00.00 Uhr und endet um 24.00 Uhr. Die Streiks an den Flughäfen betreffen einerseits die Verhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen, zum anderen örtliche Verhandlungen für Beschäftigte der Bodenverkehrsdienste sowie die bundesweiten Verhandlungen für die Beschäftigten der Luftsicherheit. Für alle drei Beschäftigtengruppen werden zurzeit Tarifverhandlungen geführt. Im öffentlichen Personennahverkehr wird in den Bundesländern gestreikt, die eine Anbindung an den TVöD haben (Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen) sowie in Bayern, wo zurzeit der Tarifvertrag Nahverkehr verhandelt wird. Es wird im gesamten Bundesgebiet zu starken Verzögerungen bis hin zum Erliegen der Verkehrsdienste in allen genannten Bereichen kommen.

Die erste Runde der Tarifverhandlungen, die die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), derzeit mit rund 50 Unternehmen in der Eisenbahn- und Verkehrsbranche führt, ist ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende gegangen. Statt – wie gefordert – gleich zu Beginn verhandlungsfähige Angebote vorzulegen, wurden immer wieder Gegenforderungen aufgemacht, die zu weiteren Belastungen der Beschäftigten führen würden. So wurde unter anderem gefordert, auf soziale Errungenschaften wie Mehrurlaub zu verzichten, um die Produktivität zu erhöhen. Die Beschäftigten, die während der Pandemie auf angemessene Lohnsteigerungen solidarisch verzichtet haben, haben für ein solches, ihre Leistungen geringschätzendes Verhalten kein Verständnis. Erwartet werden Angebote, die mit deutlichen Lohnsteigerungen verbunden sind.

Daher ruft die EVG die Beschäftigten aller Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen, in denen derzeit verhandelt wird, am 27. März 2023 zum Streik auf. Betroffen sind neben der Deutschen Bahn mit ihren Busgesellschaften unter anderem auch Transdev, AKN, Erfurter Bahn, Osthannoversche Eisenbahnen, erixx, vlexx, eurobahn sowie Die Länderbahn und andere. Der Warnstreik beginnt in der Nacht vom 26. auf den 27. März 2023 ab 0:00 Uhr. Je nach Schicht werden sich dem weitere Beschäftigte anschließen, so dass die Auswirkungen des Warnstreiks den ganzen Tag über andauern werden.

Zu den jeweiligen Verhandlungen und Streiks erklären ver.di und EVG:

Frank Werneke, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di):

„Zusammen geht mehr“ – unter diesem Motto hat ver.di die laufende Tarifrunde im vergangenen Jahr begonnen. Und dieses Motto werden wir jetzt gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der EVG in den laufenden Tarifrunden weiter mit Leben füllen. ver.di und EVG sind die Mobilitätsgewerkschaften in Deutschland. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben die Öffentliche Infrastruktur während der Corona-Pandemie und seither wieder jeden Tag von Neuem im wahrsten Sinne des Wortes unter schwierigen Bedingungen am Laufen gehalten – und werden dafür vielfach nur schlecht bezahlt. Hohe Energiepreise und steigende Lebensmittelpreise sind für die Beschäftigten im Verkehrssektor deshalb besonders schmerzhaft. Die bislang vorliegenden Angebote der Arbeitgeber bessern die Situation nicht, sie verschärfen den Konflikt. Es ist daher notwendig, gemeinsam für deutlich höhere Löhne zu kämpfen. Deshalb werden Beschäftigte des Öffentlichen und Privaten Personen- und Güterverkehrs sowie der Öffentlichen Infrastruktur in den laufenden Tarifrunden im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen und bei den Gesellschaften der Deutschen Bahn AG am 27. März erstmals gemeinsam die Arbeit niederlegen und damit ein klares Zeichen an die Arbeitgeber setzen: „Zusammen geht mehr!““

Christine Behle, stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di):

„Mit ihrem Angebot aus der zweiten Runde haben die Arbeitgeber den Tarifkonflikt verschärft. Die Beschäftigten erwarten zurecht, dass der Reallohnverlust der vergangenen zwei Jahre nicht nur ausgeglichen wird, sondern auch, dass kein weiterer durch einen neuen Tarifabschluss dazukommt. Ein Verweis auf die staatlichen Leistungen reicht hier nicht aus. Denn gleichzeitig mit den finanziellen Belastungen durch die hohe Inflation wächst auch die Belastung. Gerade im Verkehrssektor bleiben zunehmend Stellen unbesetzt, weil Arbeitskräfte fehlen. Im Wettbewerb mit anderen Branchen bleibt der Verkehrssektor immer öfter auf der Strecke. So fehlen im Luftverkehr immer noch rund 20 Prozent der Beschäftigten im Vergleich zu 2019 und schon damals war in Spitzenzeiten zu wenig Personal vorhanden. Im ÖPNV ist die Situation ebenfalls verheerend. Aufgrund des Sparkurses der Öffentlichen Hand im letzten Jahrzehnt wurden rund 20 Prozent der Beschäftigten im ÖPNV abgebaut, während gleichzeitig die Verkehrsleistung stetig gestiegen ist. In der Folge fehlen bis 2030 rund 110.000 Beschäftigte. Schon jetzt fallen viele Verbindungen aufgrund des bestehenden Personalmangels aus. Auch in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, genau wie bei der Autobahn GmbH des Bundes, stellt sich das Bild identisch dar. Stellen bleiben bis zu einem Jahr unbesetzt oder können gar nicht besetzt werden. Das hat Folgen für die Infrastruktur und damit für die Wirtschaft in Deutschland. Eine Änderung dieser Situation wird es nur geben, wenn die Arbeitsplätze attraktiver werden. Und dazu gehört vor allem auch eine deutlich bessere Bezahlung – im gesamten öffentlichen Dienst. Die Arbeitgeber bei Bund und Kommunen haben jetzt die Gelegenheit, in der dritten Runde ein entsprechendes Angebot zu machen. Das werden die Beschäftigten am 27. März nochmals sehr deutlich machen.“

Martin Burkert, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG):

“Den Eisenbahnverkehrsunternehmen laufen, wie auch den Busgesellschaften der Deutschen Bahn, die Mitarbeitenden davon. Ein Grund hierfür ist die schlechte Bezahlung. Schon heute fallen immer wieder Bus- und Zugverbindungen aus, weil Stellen unbesetzt oder Kolleginnen und Kollegen aufgrund der hohen Belastung krank geworden sind. Ohne ausreichendes Personal wird die Verkehrswende aber nicht gelingen. Denn für viele Bahnreisende verliert die Schiene so an Attraktivität, zahlreiche Pendlerinnen und Pendler werden sich auf weitere Ausfälle einrichten müssen. Mit ihrer Weigerungshaltung, angemessene Löhne zu zahlen, gefährden die Arbeitgeber die Zukunft der ökologischen Verkehrsträger. Um das zu verhindern, müssen die Berufe bei Bus und Bahn auch finanziell wieder attraktiver werden. Dafür kämpfen wir in dieser Tarifrunde.“

Cosima Ingenschay, stellvertretende Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG):

„Das Fazit, das wir nach der ersten Verhandlungsrunde ziehen müssen, ist verheerend. Statt zu signalisieren, dass man an einer Einigung interessiert sei, provozieren die Arbeitgeber durch Nichtstun oder machen Gegenforderungen auf. Gerade so, als ob sie einen Streik erzwingen wollten. 27 Monate Laufzeit oder lächerliche zweimal 100 Euro Lohnerhöhung, die Verkürzung von Mehrurlaub, um die Produktivität zu erhöhen oder Einmalzahlungen, die wir nicht gefordert haben, sind Scheinangebote, die wir zurückweisen. Hinzu kommt die weiterhin fehlende Bereitschaft der Deutschen Bahn, von Anfang an Stundenlöhne zu zahlen, die dem Mindestlohn entsprechen. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind wütend angesichts eines solchen Verhaltens der Arbeitgeber, das einfach nur als ignorant empfunden wird. Statt sich ernsthaft um einen schnellen Abschluss zu bemühen, wird an althergebrachter Tariffolklore festgehalten, um überholte Rituale pflegen zu können. Das ist angesichts der schwierigen Situation nicht zielführend. Jetzt machen die Beschäftigten ihrem Ärger Luft und zeigen mit dem Warnstreik, dass sie verhandlungsfähige Angebote erwarten. Es liegt an den Arbeitgebern zu deeskalieren und in der zweiten Verhandlungsrunde zum Verhandlungsmodus zu finden. Das wäre sicher auch im Sinne der Fahrgäste.“

Forderungen von ver.di und EVG in den laufenden Tarifverhandlungen:

ver.di fordert in der laufenden Tarifrunde für die Angestellten von Bund und Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Das Tarifergebnis soll zeit- und wirkungsgleich auf Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten sowie auf Versorgungsempfängerinnen und -empfänger übertragen werden. Die Verhandlungen werden in der dritten Runde vom 27. bis 29. März 2023 in Potsdam fortgesetzt.

Die EVG fordert eine Lohnerhöhung von 650 Euro für alle als soziale Komponente, alternativ 12 Prozent mehr, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Zuvor soll der Stundenlohn in den untersten Lohngruppen auf den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro – ohne jede Verrechnung oder Zuschüsse – angehoben werden. Zudem gilt es, Ungerechtigkeiten in der Bezahlung zu beseitigen, etwa, wenn für gleiche Tätigkeiten regional unterschiedliche Löhne gezahlt werden.

Die zweite Verhandlungsrunde mit den rund 50 Unternehmen im Eisenbahn- und Verkehrsbereich wird nach Ostern fortgesetzt. Die Arbeitgeber haben bis dahin Zeit, verhandlungsfähige Angebote vorzubereiten.

Quelle: ver.di via Presseportal

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