24. November 2024

Grenzen schließen und abschieben? Die Friedrich Merz-Vorschläge im PRO ASYL-Faktencheck

PRO ASYL warnt vor Aushebelung des Zugangs zum Recht auf Asyl und Aufweichung der EMRK.

Die Zahl der nach Deutschland Geflüchteten ist vergleichsweise hoch und schon wird wieder eine Asyldebatte losgetreten, die den Geflüchteten das Recht auf Schutz abspricht. CDU/CSU rufen nach Grenzschließungen, Stopp von Aufnahmen und nach mehr Abschiebungen. Morgen, voraussichtlich um 10:20 Uhr, soll der Antrag der CDU /CSU mit dem irreführenden Titel „Für Humanität und Ordnung“ (BT-Drucksache 20/6540) im Bundestag beraten werden.

Der flüchtlingspolitische Sprecher von PRO ASYL, Tareq Alaows, appelliert an die CDU/CSU, sich den Herausforderungen der Flucht vor Krieg und Verfolgung zu stellen, anstatt mit „aktionistischen Vorschlägen, die nur unter Preisgabe von Rechtsstaatlichkeit umzusetzen sind, Stimmung zu machen.“ Die Vorschläge der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag „zielen auf die Aushebelung des Rechts auf Asyl und die Aufweichung der EMRK ab, die auch Abschiebungen ins Elend innerhalb der EU verbietet,“ warnt Alaows.

Der PRO ASYL Faktencheck zeigt: Die meisten Asylsuchenden bekommen Schutz und das vermeintliche Abschiebungsdefizit ist komplexer als die Schlagzeilen suggerieren. Ja, es kommen aktuell viele schutzsuchende Menschen nach Deutschland. Nein, das ist kein Grund zur Panik. Es ist insbesondere kein Grund, um Grenzschließungen, Abschottung und »konsequente Rückführungen« zu fordern, wie die Union um Friedrich Merz es aktuell tut – denn so wird Menschen auf der Flucht der Weg in die Sicherheit versperrt. Im letzten Jahr hat Deutschland 1,2 Millionen geflüchtete Menschen aufgenommen. Rund eine Million flohen vor den russischen Bomben aus der Ukraine. 200.000 Menschen stellten einen Asylantrag – die Hälfte von ihnen kam aus Syrien und Afghanistan, wo die Regime bekanntermaßen schwere Menschenrechtsverletzungen verüben. In den ersten drei Monaten 2023 haben rund 81.000 Menschen erstmalig Asyl in Deutschland beantragt.

Das sei schon mal vorangestellt: Die meisten aktuell nach Deutschland fliehenden Menschen haben ein Recht auf Schutz, die Schutzquote liegt auf dem Rekordhoch von 70 %. Trotzdem wird unter dem Deckmantel angeblich »irregulärer Migration« eine Debatte losgetreten, wie der Zugang zum Recht auf Asyl versperrt werden kann. Auch das angebliche Vollzugsdefizit bei Abschiebungen hat politisch einmal mehr Hochkonjunktur. Anlass genug, um einen genauen Blick auf die Zahlen und die Begriffe der aktuellen Debatte zu werfen.

Hoher Schutzbedarf zeigt sich in den Schutzquoten

Die Hälfte der Asylsuchenden in Deutschland kommt allein aus den beiden Staaten Syrien und Afghanistan. In den Top 10 der Asyl-Herkunftsländer sind mit der Türkei, dem Irak, dem Iran, oder Somalia und Eritrea weitere Länder zu finden, in denen bewaffnete Auseinandersetzungen stattfinden oder autoritäre Regimes herrschen. Demzufolge lag die Schutzquote trotz weiterhin restriktiver Entscheidungspraxis beim BAMF im vergangenen Jahr bei 72 %, im laufenden Jahr ist sie mit 71 % nahezu unverändert. Fast drei von vier Asylsuchenden erhalten also Schutz vom BAMF. Darin nicht eingerechnet sind die vielen Tausend Menschen, die vom BAMF abgelehnt und erst später von den Gerichten als schutzberechtigt anerkannt werden. Mehr als ein Drittel der von Gerichten inhaltlich überprüften BAMF-Bescheide erwies sich 2022 als falsch und wurde aufgehoben.

Was „Eindämmung illegaler Migration“ genannt wird, bedeutet also viel mehr, Schutzbedürftigen den Schutz zu verweigern. Wenn die Vorschläge umgesetzt werden, heißt das, dass Menschen, die vor Verfolgung, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen oder Kriegen fliehen, in den meisten Fällen den Zugang zum Asylverfahren und zum benötigten Schutz verweigert wird. Statt über die Schutzbedürftigkeit der Menschen zu sprechen, wird über den Schutz der Grenzen diskutiert. Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben das Glück, kein Visum für die Einreise zu benötigen, sonst wären auch sie möglicherweise Teil der Debatte um die Eindämmung der „illegalen Migration“.

Die „illegalen Einreisen“ werden viel zitiert, aber es ist nicht so einfach, wie suggeriert wird: Zwar ist die Einreise von Menschen aus Syrien oder Afghanistan nicht legal, wenn sie kein Visum haben. Allerdings gibt es kein Visum für Schutzsuchende. Die Menschen haben also gar keine andere Wahl, als in der Regel nicht legal einzureisen, wenn sie in Deutschland Schutz suchen möchten. Aus diesem Grund stellt die Genfer Flüchtlingskonvention die „illegale Einreise“ unter Straffreiheit, da ansonsten die meisten Menschen ihr völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Asyl gar nicht wahrnehmen könnten.

Hinter der Forderung, „illegale Migration“ zu verhindern, steckt also oft der Plan, Menschen auf der Flucht grundsätzlich zu stoppen. In der Praxis bedeutet dies an vielen Außengrenzen der EU brutale und illegale Pushbacks, die das Leben der Menschen gefährden. Es ist absurd: Wenn die Menschen erst einmal hier sind, bekommen sie auch den ihnen zustehenden Schutz. Aber der Weg zum Schutz wird ihnen möglichst schwer gemacht.

Weitere Informationen finden Sie hier.

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Quelle: Pro Asyl

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