30. November 2024

LGBTI-Geflüchtete in Kenia von Hassverbrechen betroffen

Übernommen von Amnesty International:

Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+), die als Schutzsuchende in Kenia leben, sind immer wieder Hassverbrechen, Gewalt – auch Vergewaltigungen – und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Das dokumentiert Amnesty International zusammen mit der kenianischen NGO „National Gay and Lesbian Human Rights Commission“ (NGLHRC) in einem gemeinsamen Bericht.

Das Flüchtlingslager Kakuma im Nordwesten Kenias beherbergt mehr als 200.000 Schutzsuchende, darunter hunderte LGBTI+. Der Bericht „Kenya: ‚Justice like any other person.’ Hate crimes and discrimination against LGBTI Refugees“ beschreibt die extreme Diskriminierung und Gewalt, der LGBTI+ in Kakuma ausgesetzt sind – sowohl aufgrund ihres Status‘ als Geflüchtete als auch wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/ oder ihres Geschlechtsausdrucks.

Trotz der kenianischen Verfassung, die das Leben und die Würde aller Menschen schützt, werden LGBTI-Geflüchtete von kenianischen Regierungsbeamt*innen, Polizist*innen und anderen Personen diskriminiert und sind meist mehrfach homo- und transfeindlichen Übergriffen ausgesetzt. Ihre Asylanträge werden schleppend bearbeitet, sie werden schikaniert, gewaltsam angegriffen, bedroht und eingeschüchtert. Die Täter*innen bleiben meist straflos.

In einem besonders schweren Fall verübten Unbekannte im März 2021 mit einer Benzinbombe einen Anschlag auf LGBTI+ in Kakuma. Der 22-jährige Chriton Atuhwera verstarb einen Monat später aufgrund von Verbrennungen an über 50 Prozent seines Körpers. Er war aus Uganda nach Kenia geflüchtet, weil er in Uganda wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt wurde.

Mariel Reiss, Kenia-Expertin bei Amnesty International in Deutschland sagt: „Die Hassverbrechen stehen exemplarisch für die Diskriminierung, die LGBTI+ in ganz Kenia und seinen Nachbarländern erfahren. Die Verabschiedung des Anti-Homosexualitätsgesetzes in Uganda, das für ’schwerwiegende Homosexualität‘ die Todesstrafe vorsieht, hat die politische und gesellschaftliche Stimmung gegen LGBTI+ in Uganda und Kenia drastisch angeheizt und zu großer Angst bei LGBTI+ geführt. Das nun im kenianischen Parlament vorliegende Gesetz zum Schutz der Familie würde LGBTI+ in Kenia weiter kriminalisieren und den Flüchtlingsstatus für LGBTI-Schutzsuchende in Kenia abschaffen. Das wäre ein fatales Signal und birgt das Risiko, als Legitimation für Hassverbrechen gegen LGBTI+ verstanden zu werden.“

Der Bericht basiert auf Interviews mit 41 LGBTI-Geflüchteten, die zwischen 2018 und Februar 2023 geführt wurden. Die in dem Bericht erfassten Aussagen deuten auf eine systematische und weit verbreitete Untätigkeit der Polizei im Flüchtlingslager Kakuma hin, wenn es darum geht, Anschuldigungen von geflüchteten LGBTI+ wegen Hassverbrechen unverzüglich, wirksam, unabhängig und gründlich zu untersuchen.

Amnesty International und NGLHRC fordern die kenianische Regierung auf, dringend für die physische und psychische Sicherheit aller LGBTI-Schutzsuchenden im Kakuma-Flüchtlingslager zu sorgen. Außerdem müssen die Behörden mit den betroffenen Personen und der weiteren LGBTI-Community Maßnahmen abstimmen, um Hassverbrechen und andere Formen der Diskriminierung zu verhindern und wirksam darauf zu reagieren.

Um die Versorgung von allen Geflüchteten sicherzustellen und Integrations- und Schutzmöglichkeiten zu schaffen, müssen die kenianischen Behörden ihre Flüchtlingspolitik ändern und eine vorübergehende oder dauerhafte Unterbringung von LGBTI+ in Nairobi oder anderen städtischen Gebieten ermöglichen.

An die deutsche Regierung gerichtet sagt Reiss: „Wir fordern die Bundesregierung auf, die besonderen Gefährdungen von LGBTI+ im Kakuma-Flüchtlingslager in dem bestehenden Resettlement-Programm aus Kenia zu berücksichtigen. Sie muss sich außerdem dafür einsetzen, dass die internationale Gemeinschaft die Resettlement-Quoten erhöht und mehr sichere und legale Fluchtwege schafft.“

Hintergrund

In 32 der 54 Länder Afrikas sind gleichgeschlechtliche Beziehungen gesetzeswidrig und können unter anderem mit dem Tod oder langen Haftstrafen geahndet werden. Auch in Kenia können gleichgeschlechtliche Handlungen nach Gesetzen, die aus der Kolonialzeit stammen, mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden.

Kenia ist das einzige Land in Ostafrika, das Personen Asyl gewährt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/ oder ihres Geschlechtsausdrucks Schutz suchen. Kenia ist auch das einzige afrikanische Land, das Intersexuelle als drittes Geschlecht anerkennt.

In der gesamten Region sind viele LGBTI+ noch immer zur Flucht gezwungen – wegen der Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen und Beziehungen. Viele LGBTI+ fliehen ins nahe gelegene Kenia.

Nach der Entscheidung des Obersten kenianischen Gerichtshofes im Februar 2022, wonach LGBTI-Organisationen sich als NGO-Organisationen registrieren dürfen, kam es in Kenia zu Übergriffen und Hassrede gegen LGBTI+. Im April 2023 wurde im kenianischen Parlament ein Gesetzentwurf zum Schutz der Familie vorgelegt. Er sieht vor, gleichgeschlechtliche Beziehungen weiter zu kriminalisieren, die Erbringung von Dienstleistungen für LGBTI+ zu verbieten und LGBTI-Geflüchteten aufgrund ihrer Sexualität oder sexuellen Orientierung das Asyl zu verweigern oder sie auszuweisen.

Quelle: Amnesty International

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