70. Jahrestag des Prologs der kubanischen Revolution: M-26-7
„Kuba feiert am heutigen Mittwoch den 70. Jahrestag des Angriffs auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba und auf einen Militärposten in der nahe gelegen Stadt Bayamo. Angeführt wurden die schlecht bewaffneten Rebellen von dem 26jährigen Anwalt Fidel Castro Ruz. Die Oppositionellen wollten damit einen landesweiten Aufstand zum Sturz des von Washington unterstützten Diktators Fulgencio Batista auslösen. Obwohl der Versuch militärisch scheiterte, gab er das Startsignal für eine Revolution, die fünf Jahre, fünf Monate und fünf Tage später erfolgreich war. Der Moncada-Angriff gilt als eines der bedeutendsten revolutionären Ereignisse der kubanischen und amerikanischen Geschichte.“
Anlässlich dieses runden Jubiläums des Startschusses zur kubanischen Revolution übernehmen wir zum direkten Geschehen – stark, auch um eine Reihe wesentliche Gesichtspunkte und programmatischer Aspekte, gekürzt – den wie immer instruktiven Beitrag des bekannten Autors und Kuba-Spezialisten Volker Hermsdorf aus der heutigen jungeWelt (für AbonenntInnen freilich unverkürzt und in Gänze hier nachlesbar)
Es wird „landesweit auch überall weitere Aktionen und Kundgebungen zur Feier des Tages geben, der seit dem Sieg der Guerillaarmee 1959 in Kuba als »Tag der Nationalen Rebellion« begangen wird. […]
Doppelter Bruch
Im globalen Süden und vor allem in Lateinamerika gilt der Moncada-Angriff als Symbol für den Erfolg eines scheinbar aussichtslosen Widerstands gegen ein korruptes System, das die eigene Bevölkerung auch im Interesse kolonialer und imperialistischer Mächte unterdrückte. 70 Jahre nach dem zunächst gescheiterten Versuch der kubanischen Rebellen und knapp 65 Jahre nach dem Sieg ihrer Revolution herrschen in einigen Ländern des Kontinents heute Verhältnisse, die an die Zustände in Kuba unter der Batista-Diktatur erinnern. […]In den 1950er Jahren befanden sich mehr als 50 Prozent des bebauten Landes auf der Insel im Besitz von ausländischen Unternehmen, wie zum Beispiel der US-amerikanischen United Fruit Company. Ausbildung und Arbeit waren für die Mehrheit der damals fünfeinhalb Millionen Einwohner unerreichbare Ziele. In den wenigen Landschulen hockten die Schüler oft barfuß, halbnackt und unterernährt im Unterricht. Die Hälfte der schulpflichtigen Kinder besuchte überhaupt keine Schule […]
Einem »schematischen Verständnis des Marxismus zufolge« habe es am 26. Juli keine objektiven Bedingungen für eine radikale Revolution in Kuba gegeben. Aber, so [Abel] Prieto [ehemaliger kubanischer Kulturminister] …, »für Fidel, Raúl und die anderen jungen Männer, die die Moncada stürmten, hatten subjektive Bedingungen 1953 eine günstige revolutionäre Situation geschaffen. Es gibt eine aufschlussreiche Bemerkung dazu, die Che genau am 26. Juli 1967 in seinem Bolivianischen Tagebuch notiert hat. Dort schreibt er, dass er an diesem Abend den Guerillakämpfern einen kurzen Vortrag über die Bedeutung des 26. Juli gehalten hat; über die Rebellion gegen die Oligarchien und gegen die revolutionären Dogmen. Eine unglaubliche Synthese des doppelten Bruchs, den die Moncada-Aktion bedeutete: der Beginn eines frontalen Angriffs gegen die reaktionären Kräfte und ein Akt, der alle Dogmen darüber, wie man eine Revolution macht, in Fetzen riss.« […]
Vom Anwalt zum Comandante
Zunächst war es Fidel Castro und seinen Anhängern allerdings vor allem darum gegangen, die Herrschaft und das System eines Tyrannen zu beenden. Der ehemalige Sergeant Fulgencio Batista hatte am 10. März 1952 – 80 Tage vor bereits eingeleiteten Wahlen – mit einer Gruppe von Armeeoffizieren die Macht per Staatsstreich an sich gerissen. Die einheimische Herrschaftsclique und Washington unterstützten ihn, um den befürchteten Sieg einer oppositionellen linksliberalen Partei zu verhindern, der auch Castro angehörte. Batistas erster Weg nach dem Putsch führte ihn zum Botschafter der USA, und als erste Maßnahme setzte er die Verfassung außer Kraft. US-Präsident Harry S. Truman erkannte das Regime bereits siebzehn Tage nach dem Staatsstreich an und sicherte wirtschaftliche wie militärische Unterstützung zu. Zuvor hatte Trumans Botschafter in Havanna den Putschisten deutlich gemacht, dass Washington nur einen Antikommunisten und Förderer des US-Privatkapitals an der Spitze Kubas akzeptieren werde. Die USA führten schließlich in Korea einen Krieg gegen »die Kommunisten«. Batista hatte verstanden und ließ erst einmal die Maidemonstrationen der Gewerkschaften verbieten. Noch im selben Monat überfiel die Polizei die Redaktionsräume von Hoy, der Zeitung der Sozialistischen Volkspartei, wie sich die Kommunistische Partei zu dieser Zeit in Kuba nannte. Im Laufe des Jahres wurde die Partei verboten. Darüber hinaus beauftragte Batista den Geheimdienst »Servicio de Inteligencia Militar« (SIM), der für ihn zugleich die Funktionen der Polizei, der Gerichtsbarkeit und des Scharfrichters ausübte, jede Opposition im Keim zu ersticken. Bis zum Sieg der Revolution wurden in seinen Kerkern rund 20.000 Oppositionelle ermordet und Zigtausende Oppositionelle von SIM-Folterspezialisten misshandelt. Die USA und ihre Verbündeten störten sich nicht daran. Im Gegenteil […]
Bevor der junge Rechtsanwalt Fidel Castro sich für den bewaffneten Widerstand entschied, hatte er versucht, Demokratie und Verfassung mit friedlichen Mitteln zu verteidigen. Eine Klage gegen die Putschisten wurde vom Obersten Gerichtshof jedoch abgewiesen. Castro erklärte daraufhin, »nach Ausschöpfung aller legalen Mitte« sei nun das Widerstandsrecht des Volkes in Kraft getreten. Er rief zum gewaltsamen Sturz des Diktators auf und begann, eine militante Organisation aufzubauen, die er »Die Bewegung« (El Movimiento) nannte. […]
Das Signal für den Aufstand gegen Batista sollte die Erstürmung der Militärkaserne Moncada bei Santiago de Cuba und des kleinen Militärpostens Céspedes bei Bayamo, einer etwa 90 Kilometer von Santiago entfernt gelegenen Stadt, genau in dem Jahr sein, in dem der kubanische Nationalheld und Freiheitskämpfer José Martí 100 Jahre alt geworden wäre. Der von Castro am 26. Juli 1953 angeführte Rebellenangriff wurde wegen mangelhafter Vorbereitung, unzulänglicher Bewaffnung und Fehlern bei der Koordinierung allerdings zu einem chaotischen Himmelfahrtskommando. Die meisten Teilnehmer wurden verhaftet, viele bestialisch gefoltert und ermordet, die Überlebenden vor ein Militärtribunal gestellt. »Keiner von uns, die wir das Privileg hatten, unter Fidels Kommando an diesen Aktionen teilzunehmen, hätte sich damals träumen lassen, dass wir einen Tag wie heute erleben würden, in einem freien, unabhängigen und souveränen Land, mit einer sozialistischen Revolution an der Macht und einem Volk, das bereit ist, zu verteidigen, was mit den Opfern mehrerer Generationen von Kubanern erreicht wurde«, gestand Fidels jüngerer Bruder Raúl vor fünf Jahren […]
Moncada-Prozess
Das Militärgericht verurteilte Fidel Castro als Anführer der Revolte zu 15 Jahren Haft. Auch alle anderen sollten für Jahre hinter Gitter. Mit Raúl und den weiteren überlebenden »Moncadisten« wurde Fidel in ein Gefängnis auf der rund 90 Kilometer südlich von Havanna im Karibischen Meer gelegenen Isla de Pinos gebracht. Die Verbindung zu den Genossen außerhalb des Gefängnisses hielten die Inhaftierten über harmlos wirkende kleine Briefe. Zwischen deren Zeilen schrieb Fidel mit unsichtbarem Zitronensaft, der sich bei Erwärmung verfärbt, seine frei gehaltene zweistündige Verteidigungsrede, die Helfer in Streichholzschachteln aus dem Gefängnis schmuggelten. Auf diesem Weg gelangte Castros berühmtes Plädoyer mit dem Titel »Die Geschichte wird mich freisprechen« an die Öffentlichkeit. Diese Rede vom 16. Oktober 1953 war das erste programmatische Manifest der Kubanischen Revolution und zählt bis heute zu ihren bedeutendsten Dokumenten.
Im Moncada-Prozess hatte Fidel Castro seine Verteidigung zur Anklage gegen das Batista-Regime genutzt. Er bestand auf dem Recht des Volkes, sich illegitimen Machthabern zu widersetzen, und prangerte die Regierung des Diktators für die sozialen Missstände in Kuba an. […]
M-26-7
Wachsende Proteste von Gewerkschaftern, Landarbeitern und Studenten begannen sich negativ auf Batistas internationales Ansehen auszuwirken. Als sogar einige seiner antikommunistischen Freunde auf Distanz gingen, versuchte der Diktator sich einen demokratischen Anstrich zu geben. Nachdem er sich im November 1954 in einer Wahlfarce ohne Gegenkandidaten als »Präsident« hatte bestätigen lassen, verkündete der Diktator ein halbes Jahr später eine Generalamnestie, wohl auch in der Hoffnung, damit weiteren Unruhen entgegenzuwirken. Am 15. Mai 1955 durften die politischen Häftlinge auf der Isla de Pinos das Gefängnis verlassen. Während der Überfahrt zur Hauptinsel beschlossen sie, ihrer Gruppierung – zur ständigen Erinnerung an den Moncada-Angriff – den Namen »Bewegung des 26. Juli« (Movimiento 26-7, kurz M-26-7) zu geben.
Castro hatte seine Rede bewusst als programmatisches Manifest formuliert […]Um die in seiner Verteidigung dargestellten Ziele umsetzen zu können, reorganisierte Castro sofort – wie auf der Überfahrt beschlossen – die Widerstandsgruppe der »Bewegung des 26. Juli«. […]
Foto: Dirk van der Made
Quelle: KOMintern