18. November 2024

Armutszeugnisse

In diesen Tagen erreichen uns Pressemeldungen, die im wahrsten Sinne des Wortes Armutszeugnisse sind. Und das im doppelten Sinne: Es sind Zeugnisse wachsender Armut, von der immer mehr Menschen in aller Welt betroffen sind, und es sind zugleich Zeugnisse der Armut in der Gedankenwelt der Wirtschaftskapitäne, Politiker und Parteien, sowie auch der Verantwortlichen in den Medien, die darüber berichten – oder auf einen Bericht verzichten.

Am Freitag flatterte eine dpa-Meldung ins Haus, laut der die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben müssen, um 165 Millionen auf insgesamt 1,65 Milliarden angewachsen ist.

Am Donnerstag hatte die UNO gemeldet, dass 52 Länder in der Welt in einer »Schuldenfalle« säßen. Die öffentlichen Schulden seien weltweit 2022 auf den Rekordwert von 92 Billionen Dollar gestiegen. Das sei fünfmal so viel wie im Jahr 2000. Mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung, 3,3 Milliarden Menschen, lebten in Ländern, in denen die Zinszahlungen auf Kredite die Ausgaben für Gesundheit oder Bildung übersteigen.

Am Mittwoch berichteten UNO-Organisationen, daß im Jahr 2022 weltweit im Durchschnitt rund 735 Millionen Kinder und Erwachsene von unterschiedlichen Formen des Hungers betroffen waren. 2,4 Milliarden Menschen und damit fast 30 Prozent der Weltbevölkerung hatten vergangenes Jahr keinen gesicherten Zugang zu Nahrung.

Am Dienstag ging die in den Medien am wenigsten beachtete Meldung um die Welt, daß im Tschad Flüchtlingskinder aus dem Sudan buchstäblich verhungern, weil das Welternährungsprogramm der UNO nicht genügend Geld für die dringendste Hilfe zur Verfügung hat. Es würden 13 Millionen Dollar im Monat gebraucht, sagte ein UNO-Vertreter.

Das sind wahre Armutszeugnisse, über die unsere Zeitung – im Gegensatz zu den anderen – jeweils auf Seite 1 berichtete. Sie stellen allerdings noch nicht einmal den vollen Umfang der Armut dar, denn die tatsächlichen Daten dürften noch grausiger ausfallen. Zwar spielt sich all dieses Elend hauptsächlich im fernen Afrika und Asien ab, doch dürfen wir nicht vergessen, daß auch in Luxemburg die Armut wächst – inzwischen lebt nach mehr oder weniger offiziellen Angaben jeder fünfte Einwohner des Marienlandes unterhalb oder zumindest an der Armutsgrenze. Und der grüne Armeeminister und seine Ministerkollegen sind willens, auf Befehl der NATO die Militärausgaben quasi zu verdoppeln, Herr Bausch diskutiert lediglich, ob das Bruttoinlandsprodukt oder das Bruttonationalprodukt die Berechnungsgrundlage für das zu erfüllende »Zwei-Prozent-Ziel« herhalten sollte.

Aus dem benachbarten Deutschland wird gemeldet, daß jedes fünfte Kind armutsgefährdet ist. Während der deutsche Staat die Ausgaben für Rüstung und Waffenlieferungen an die Ukraine bereits auf weit über 100 Milliarden getrieben hat, streicht der Finanzminister die Mittel für eine sogenannte Kindergrundsicherung von zwölf auf zwei Milliarden Euro zusammen.

Die EU hat den Jahrestag der verheerenden Flutkatastrophe am 15. Juli 2021 zum Gedenktag erklärt. Aber im besonders betroffenen Ahrtal wie auch im luxemburgischen Echternach sitzen Hunderte Menschen immer noch auf Ruinen und auf Schulden. Gleichzeitig planen die EU und ihre Mitgliedstaaten Milliardensummen für den »Wiederaufbau« … in der Ukraine – zusätzlich zu den immer gigantischeren Ausgaben für Rüstung und Waffenlieferungen. Was für ein Armutszeugnis!

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

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