Ist Iván Márquez gestorben?
Nach Angaben der Nachrichtenagentur CM& ist der Guerillakommandant Iván Màrquez, Oberkommandierender der FARC-EP, Zweites Marquetalia, an den Folgen seiner Verletzungen gestorben, die er nach einem Angriff im vergangenen Juni erlitten hatte. Damit würde die FARC-EP, Zweites Marquetalia, als aufständische Bewegung nicht nur ihren Oberkommandierenden, sondern die wohl auch charismatischste Figur verlieren. Die Informationen über den Tod von Iván Márquez wurden jedoch weder von der Regierung noch vom Militär bestätigt.
Zu diesem Zeitpunkt verdichten sich jedoch die Meldungen, dass Iván Márquez in Venezuela in seinem Camp gestorben ist. Genaue Informationen sind aus dem Nachbarland immer schwierig zu bekommen. Vermutlich in wenigen Tagen wird es verlässliche Informationen geben. Es ist jedoch so, dass am Nachmittag des 6. Juli die Nachrichtenagentur CM& seinen Tod bestätigte. Das hat sein eigener Journalist Yamit Amat in einem kurzen Video gemacht, das in den sozialen Medien verbreitet wird.
Iván Márquez überlebte einen Angriff Mitte 2022 fast wie durch ein Wunder. Bei dem Angriff verlor der Kommandant fast einen Arm und eines seiner Beine wurde schwer verletzt. Seine schwerste Verletzung war ein Splitter, der sich in sein Gehirn eingebettet hat. Mehrere Tage wurde Iván Márquez damals für tot gehalten. Doch später verlasen Angehörige des Zweiten Marquetalia ein Kommuniqué und bestätigten, dass ihr Kommandant noch am Leben war. „Zum Glück blieb er unverletzt, er erlitt nur geringfügige Verletzungen. Er ist bei guter Gesundheit. Und von seinem Schützengraben aus wird der Kampf der Ideen für ein neues Kolumbien weitergehen“, hieß es damals.
Die Verletzungen nach dem Angriff waren aber so schwerwiegend, dass er aus seinem Lager in ein Krankenhaus nach Caracas gebracht werden musste, da sein kritischer Zustand eine erstklassige gesundheitliche Betreuung erforderte. Wahrscheinlich im Dezember letztes Jahr wurde Iván Márquez aus dem Krankenhaus in Caracas entlassen und zu einem unbekannten Ort an die venezolanisch-kolumbianische Grenze gebracht. Seitdem blieb es jedoch vergleichsweise ruhig um den Oberkommandierenden und Kommuniqués von ihm und generell des Zweiten Marquetalia verringerten sich.
Zwar gab es immer wieder Kontakte zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP, Zweites Marquetalia, um die Organisation in Friedensgespräche einzubetten. Doch die letzten Monate zeigten kaum eine Aktivität bezüglich der Kommandoebene. Zwar sind die Strukturen des Zweiten Marquetalia in den Regionen weiterhin aktiv, teilweise alliiert mit der ELN, doch es ist erkennbar, dass ihre Kraft abgenommen hat und die verfeindete FARC-EP um Iván Mordisco eine stärkere Basis aufbauen konnte.
Luciano Marín, alias Iván Márquez, wurde im Jahr 1955 in der Provinz Caquetá geboren. In frühen Jahren schloss er sich dem Kommunistischen Jugendverband (JUCO) an. Im Rahmen des Friedensabkommens der 1980er Jahre und der Bildung der linken Partei Unión Patriótica (UP), übernahm er wichtige Funktionen im Kongress. Die systematische Gewalt gegen linke Strukturen führte in zur FARC-EP, wo er in der 14. Front des Südblocks der Guerilla politischer Kommissar wurde. Durch seine hervorragende politische Arbeit sendete man ihn in den Karibischen Block der Guerilla in den Norden des Landes.
Hier wurde er zum zweiten Kommandanten ernannt und übernahm mit seinem politisch-militärischen Aufstieg in der Guerilla weitere Funktionen, wie im Friedensprozess mit der Regierung von Andrés Pastrana als Unterhändler. 2003 ernannte ihn das Sekretariat der FARC-EP zum Oberkommandierenden des Nordwestblocks der FARC-EP und nach dem Tod von Raúl Reyes im Jahr 2008 wurde er internationaler Wortführer der Guerilla und schließlich Teil des höchsten Gremiums, dem Sekretariat der FARC-EP.
Nach dem Tod des Oberkommandierenden Alfonso Cano im November 2011 wurde Timoleón Jiménez alias Timochenko zum nachfolgenden Oberkommandierenden ernannt und nicht Iván Márquez. Beide traten in Konkurrenz zueinander. Innerhalb der Guerilla wurde die Zwistigkeiten icht deutlich und gedeckelt, doch im Zuge des Friedensabkommens mit Santos wurde er Verhandlungsführer der Friedensdelegation der Guerilla und kritisierte Timochenko teilweise öffentlich.
Zwar was Iván Márquez Teil des Friedensprozesses und der Wiedereingliederung, doch die Erfahrungen der Nichteinhaltung, der Verhaftung seines Freundes und Genossen Jesús Santrich und seine drohende eigene Verhaftung führten ihn zurück zu den Waffen. Im Jahr 2019 erfolgte mit anderen bekannten Kommandierenden aus der ehemaligen FARC-EP die Gründung des Zweiten Marquetalia. Gespräche mit der anderen Fraktion der sich nicht entwaffneten FARC-EP um Gentil Duarte und Iván Mordisco zu einer Vereinigung scheiterten. Mehrere namenhafte Kommandierende starben zuletzt, darunter Kommandanten wie alias El Paisa, Romaña und Santrich.
Angesichts der Möglichkeit des Todes von Iván Marquez bleibt nun die Frage, wie es mit der FARC-EP, zweites Marquetalia, weitergeht. Die ohnehin etwas geschwächte Guerilla wird diese schillernde Person nicht adäquat besetzen können. Doch in ihren Reihen befinden sich Kommandierende mit jahrzehntelanger Erfahrung in der FARC-EP. Dazu gehören sicherlich Personen wie alias Zarco Aldinever sowie Walter Mendoza. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Guerilla zu einem neuen Oberkommandierenden, aber auch zu einem potenziellen Friedensprozess positioniert.
Quelle: Widerstand in Kolumbien