Saison der leeren Versprechungen
Die Zeit der Schönredner nimmt im Zeichen der am 8. Oktober anstehenden Chamberwahlen wieder volle Fahrt auf. Am Samstag eröffnete die grüne Mit-Regierungspartei ihren Wahlkampf mit einem Kongreß, auf dem Spitzenkandidatin und Regierungsmitglied Sam Tanson mit einer einstündigen Rede ihr grünes Publikum zu einer »stehenden Ovation« hinreißen konnte, wie das »Luxemburger Wort« berichtet.
Worüber die Versammlung von »déi gréng« allerdings in begeisterten Applaus ausbrach, geht aus den Zeitungsberichten nicht hervor. Die Justiz- und Kulturministerin berichtete über die »Erfolge« der erneuten Mitarbeit ihrer Partei in der Regierung, an deren Wert allerdings einige Zweifel aufkommen dürften. Dabei hob sie zwei Themen hervor: die Sicherheit und den »Wohnungsmarkt«. Frau Tanson berichtete stolz über die Verstärkung der Polizeikräfte im Land, und meint, damit etwas für ein besseres Sicherheitsgefühl der Bürger getan zu haben. Sie schlägt also in dieselbe Kerbe, wie die von ihr kritisierten »populistischen Parteien«, die meinen, mehr Polizei bedeute mehr Sicherheit. Auf die Idee, daß öffentliche Sicherheit vor allem etwas zu tun haben könnte mit der sozialen Unsicherheit vieler Menschen, vor allem Jugendlicher, kommt die grüne Spitzenkandidatin offenbar nicht.
Nicht besser sieht es aus beim Wohnungsbau, für den ebenfalls ihr grüner Ministerkollege Kox zuständig ist. Sie lobt umfangreiche Investitionen in den Wohnungsbau, »vergißt« aber zu erwähnen, daß die tatsächliche Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum meilenweit hinter den Bedürfnissen zurückgeblieben ist. Das Problem beginnt eigentlich schon bei dem von Frau Tanson benutzten Begriff »Wohnungsmarkt« – denn so lange eine Wohnung in erster Linie als eine Ware, und nicht als ein grundlegendes Menschenrecht betrachtet wird, kann auch das Wohnungsproblem nicht gelöst werden.
Die Berichterstatter im »Wort« und im »Tageblatt« schreiben auch über die »ur-grünen Themen«, denen sich die Rednerin widmete. Sie lobte Mobilitäts-Minister Bausch, ohne zu erwähnen, daß allein die Gratuität des öffentlichen Verkehrs kein Problem löst, solange das Transportsystem nicht den wirklichen Bedürfnissen der Menschen angepaßt wird, die zur Arbeit und zurück fahren wollen. Aus den Zeitungsberichten geht nicht hervor, ob in der Rede auch die Tätigkeit von Armee-Minister Bausch erwähnt wurde, eines Mannes, für den vor vielen Jahren auch Frieden und Abrüstung zu den »ur-grünen Themen« gehörten, und der nun dafür sorgt, daß der Militärhaushalt Luxemburgs ins schier Unendliche wächst und zudem viele Millionen verpulvert werden, um einen Krieg in der Ukraine am Laufen zu halten.
Ebenso wenig erkennt die grüne Spitzenkandidatin die horrenden Schäden für Klima und Umwelt durch die blinde Gefolgschaft der luxemburgischen Regierung gegenüber den Bestrebungen der EU und der USA, den mutwillig gestoppten Import von Energieträgern per Pipeline durch den teuren sowie umwelt- und klimaschädigenden Transport von Fracking-Gas und Öl aus Übersee, vor allem aus den USA, zu ersetzen. Auch die damit verursachten galoppierenden Energiepreise spielen offenbar keine Rolle, dafür spricht sie vage von Kompensationen.
Ganz skurril wird es, wenn die Grünen-Frontfrau über Veränderungen im Steuersystem spricht, die dringend notwendig seien – aber nicht erklärt, warum das in der Mit-Regierungszeit ihrer Partei nicht möglich war.
Die Saison der leeren Versprechungen ist in vollem Gange. Es ist angesagt, den Schönrednern wieder genau zuzuhören.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek