Diskussionspapier der „Ukraine-Initiative – Die Waffen nieder“: Rechtsoffenheit in der Friedensbewegung – Kampfbegriff oder reales Problem?
Übernommen von Nie wieder Krieg!:
Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges spielt seit einiger Zeit das Narrativ von der Rechtsoffenheit der Friedensbewegung eine zunehmende Rolle. Besonders massiv vorgetragen wurde es gegen die große Friedenskundgebung im Februar 2023 in Berlin, initiiert von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Die Führung hatte dabei das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit einer massiv manipulativen Berichterstattung, sekundiert von den übrigen Leitmedien.
Die Funktion dieser Demagogie besteht darin, die Gegner der herrschenden Kriegspolitik als Feinde der Demokratie zu markieren und so mundtot zu machen. Denn angesichts der weit verbreiteten Skepsis in der Bevölkerung gegen den amtlichen Bellizismus muss an der medialen Heimatfront mit allen Mitteln das Ziel eines militärischen Siegs der Ukraine mehrheitsfähig gemacht werden.
Der Vorwurf der Rechtsoffenheit oder gar rechts zu sein ist schwerwiegend und wirkt daher auf so manche einschüchternd, die sich eigentlich gern engagieren würden. Sie ziehen sich dann aus Protesten zurück und äußern ihre Meinung allenfalls noch hinter vorgehaltener Hand.
Leider wird das Narrativ von der Rechtsoffenheit gegenwärtig auch von manchen Kräften in der Friedensbewegung verbreitet. Mit jenen, die nicht in gleichem Atemzug auch die NATO-Positionen übernommen haben, verbindet uns aber nach wie vor das Eintreten für einen Verhandlungsfrieden und die Ablehnung von Militarisierung und Aufrüstung. Umso wichtiger ist es daher, die Diskussion innerhalb der Bewegung zu führen. Dazu soll der vorliegende Text beitragen.
Wie mit neuartigen Protestbewegungen umgehen?
Zentrum der Meinungsverschiedenheiten ist die Frage nach dem Umgang mit neuen und neuartigen Protestbewegungen. Das ist kein spezifisches Problem der deutschen Friedensbewegung. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg standen soziale Bewegungen, darunter auch die Friedensbewegung, meist von Anfang an unter der Hegemonie linker oder progressiver Kräfte. Diese Zeiten sind allerdings vorbei. Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen und multiplen Krisen in fast allen Ländern des ‚demokratischen Kapitalismus‘ sind zwar viele neue Anlässe für Protest entstanden. Aber angesichts des Niedergangs und der Schwäche der gesellschaftlichen Linken ist dieser Protest politisch und ideologisch meist diffus, von Widersprüchen durchzogen und in seiner Zusammensetzung oft sehr heterogen.
Typische Beispiele sind die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich oder die Cinque Stelle in Italien (vor ihrer Formierung zur Partei), die Hunderttausende mobilisieren konnten. Die Linke wurde davon völlig überrascht, und einige hatten große Probleme, damit umzugehen. So behaupteten manche, die Gelbwesten seien von der extremen Rechten gesteuert oder gar antisemitisch.
Wenn eine solche neuartige Bewegung auftritt, besteht angesichts ihrer Heterogenität und politischen Nicht-Determiniertheit in der Tat eine gewisse Offenheit – aber nach allen Seiten hin. Entscheidend ist in einer solchen Situation, welche Orientierung sich im weiteren Gang der Dinge durchsetzt. Politik ist nicht statisch, sondern prozesshaft. Wer von vorneherein glaubt, dass eine solche Bewegung vom Start weg sofort den Ansprüchen etablierter linker Organisationen genügen müsse, hat nicht verstanden, wie soziale Bewegung und politische Meinungsbildung an der Basis der Bevölkerung heute funktionieren. Das Bündel von außergewöhnlichen Krisen, die die Gesellschaften erschüttern, und der zunehmende Kontrollverlust auf Herrschaftsseite führen zu enormer Verunsicherung und Orientierungslosigkeit. Wenn Menschen sich dann zu Protest organisieren, ist das zunächst einmal ein Akt der Selbstermächtigung. Was dann daraus wird, hängt zwar nicht nur, aber auch in hohem Maße davon ab, wer in den weiteren Prozess mit welchen Zielen eingreift.
Die AfD u.a. Rechte haben das begriffen und bemühen sich um Hegemonie über neue Protestbewegungen. Verkennt die Linke jedoch die Heterogenität und Offenheit neu entstehender Bewegungen und verzichtet auf Eingriffsmöglichkeiten, weil sie glaubt, vermeintlich lupenreine Gewissheiten verteidigen zu müssen, ist das Kapitulation vor den neuen Herausforderungen, quasi Selbstmord aus Angst vorm Tod.
Natürlich besteht dabei, wie bei allem politischen Engagement, das Risiko des Scheiterns.
Bei den Gelbwesten begaben sich Teile der Linken, darunter La France Insoumise, Attac Frankreich und einige Gewerkschaften, in die Bewegung hinein. Sie haben dabei darauf verzichtet, ihre eigene politische Identität durchzudrücken. Stattdessen diskutierten sie, organisierten Erfahrungen und Lernprozesse auch für politisch unbeschriebene Blätter, naive oder in Irrtümern befangene Mitstreiter. Nicht jeder, der auf die Straße geht, hat Faschismustheorie und einschlägige historische Kenntnisse intus. Zwar wurden die Gelbwesten nicht die neue Avantgarde auf dem Weg in linke Utopien, aber die Versuche, die Bewegung von rechts zu instrumentalisieren, scheiterten. Das ist mal erfolgreiche Antifa.
Lehrreich im negativen Sinn ist in diesem Zusammenhang dagegen der Umgang mit der Massenbewegung für einen kostenlosen ÖPNV in Brasilien 2013: die Arbeiterpartei (PT) und weite Teile der Linken, darunter die Landlosenbewegung MST, bekämpften die Bewegung offensiv. Dadurch gewann die Rechte die Sympathien der Straße, was dann ein wesentlicher Faktor für den späteren Erfolg Bolsonaros war.
Die Linke muss sich unter den aktuellen Bedingungen auch hierzulande auf die Komplexität der neuen Verhältnisse einlassen. Die Frage ist, wie geht man mit Widersprüchlichem, mit Ambivalenz, mit Unfertigem, oder oft einfach nur mit Unwissenheit um. Gebraucht werden eine fundierte Analyse und eine entsprechende Strategie. Opportunistische Anpassung oder politische Beliebigkeit wären freilich der falsche Weg. Es bleibt klar: Faschismus, Antisemitismus, Rassismus, nationalistische, völkische Überlegenheitsideologien und dämonisierende Feindbilder haben in der Friedensbewegung nichts zu suchen.
Begriffliche Klarheit statt Kampfbegriffe
Fundierte Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse heißt als erstes, Klarheit in die Diffusität um zentrale Begrifflichkeiten wie ‚rechts‘ und ‚rechtsoffen‘ zu bringen.
Als rechts galten bis in die Ära Kohl die CDU/CSU und Umfeld, denen ein einigermaßen kohärentes Weltbild zugeordnet wurde: wirtschafts- und sozialpolitisch kapitalistischen Interessen verpflichtet, innenpolitisch für Law & Order, kulturell konservativ und außenpolitisch strikt transatlantisch mit Affinität zum Militärischen. Links dagegen hieß: den Lohnabhängigen verpflichtet, innenpolitisch liberal und Demokratisierung in allen gesellschaftlichen Bereichen einfordernd, im kulturellen Habitus progressiv, und außenpolitisch für Entspannung und Abrüstung, internationale Solidarität sowie Distanz zum Militärischen.
Mit dem Triumph des Neoliberalismus begann die traditionelle Links-Rechts-Konfiguration jedoch zu erodieren. Mit New Labour – in Deutschland mit Gerhard Schröder als ‚Genosse der Bosse‘ – begann die Entfremdung zwischen Lohnabhängigen und Sozialdemokratie und deren Abstieg in fast allen Ländern des ‚demokratischen Kapitalismus‘. Die soziale Frage, die immer der harte Kern des Begriffs ‚links‘ war, wurde durch den Neoliberalismus zwar enorm verschärft, verlor aber zunehmend ihre Repräsentation im politischen System.
Hinzu kommt eine für unser Thema zweite, wichtige Entwicklung: Seit etwa einem Jahrzehnt werden Politiken hegemonial, die sich gegen die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten (POCs, LBQTI+ etc.) richten. Auch die gehören schon immer zum traditionellen Bestand linker Programmatik. Sie bleiben auch nach wie vor emanzipatorisch – wenn man einmal von Übertreibungen und Exzessen absieht, wie sie schon immer am Rand emanzipatorischer Bewegungen aufzutreten pflegen.
Wenn dann aber ein transnationaler Konzern wie Amazon, berüchtigt dafür, jede gewerkschaftliche Aktivität im Keim zu ersticken, mit dem Foto einer Muslima im Hidschab nach Arbeitskräften sucht, dann verwischt dieser „progressive Neoliberalismus“ (Nancy Fraser) die klare Trennung zwischen links und rechts. Ähnliches gilt, wenn beim Christopher Street Day 2023 in Berlin an der Spitze der Demo der ukrainische Botschafter und ein ganzer Block läuft, der den aggressiven Nationalismus Kiews und Krieg bis zum Sieg propagiert – und so Kompatibilität zwischen Bellizismus und linker Identitätspolitik herstellt.
Die relative Kohärenz linker wie rechter Weltbilder befindet sich in Auflösung, und die einstmals eindeutigen Begriffe sind auch innerhalb der jeweiligen Lager umstritten. Wer heute über ‚rechts‘ redet, steht deshalb in der Pflicht, präzise zu sagen, was damit gemeint ist. Das gilt umso mehr, wenn man ‚rechts‘ zum Zentrum eines Diskursfeldes macht, zu dem Faschismus, Antisemitismus, Rassismus u.a. vergleichbar antihumanistische Ideologien gehören. Oft wird dann ‚rechts‘ auch prompt mit Faschismus, Antisemitismus etc. gleichgesetzt. Wir halten es dagegen für notwendig, weiterhin zwischen der konservativen Rechten und jenem Teil des politischen Spektrums zu unterscheiden, das gemeinhin als ‚rechtsextrem‘ bezeichnet wird, also den Anhängern von völkischen, rassistischen, antisemitischen, nationalistischen und anderen Ideologien, die eine Ungleichheit von Menschen(gruppen) behaupten. Auch Auffassungen, die sich der Rechts-Links-Polarität entziehen, können nicht von vorneherein und pauschal als ‚rechts‘ eingeordnet werden.
Hinzu kommt, dass die Rede von der ‚Rechtsoffenheit‘ die Diffusität der Begriffe noch um einiges erhöht, sodass sie in völlig nebulöser Beliebigkeit endet. Sie wird dann zum Nährboden für eine Unkultur permanenter Verdächtigung und Denunziation, befeuert von selbsternannten Tugendwächtern. Auf solchem Treibsand lassen sich ursprünglich sinnvolle Begriffe leicht als Kampfbegriffe missbrauchen. Es geht dann nicht mehr darum, die Wirklichkeit zu verstehen, sondern die Begriffe für die Ausgrenzung von Positionen, Personen und Gruppen zu instrumentalisieren.
Ausweitung der diskursiven Kampfzone
Dieser Missbrauch ist Begleiterscheinung der krisenbedingten Polarisierung und des Verfalls demokratischer Diskussionskultur in vielen Gesellschaften. Die Mutation von Begriffen zu Kampfbegriffen wird in erster Linie in der sog. Mitte der Gesellschaft und von ihren Funktionseliten betrieben. Das fängt an mit der Inflation von Hitlervergleichen. Milosevic, Saddam Hussein, Gaddafi, Putin – alles Wiedergänger Hitlers. Der polnische Ministerpräsident Morawiecki lehnt Verhandlungen mit Russland mit dem Argument ab: „Würden sie mit Hitler verhandeln?“ Und der Ukrainekrieg wird bar jeder Kenntnis des Nazi-Krieges im Osten auch in der sog. Qualitätspresse als „Vernichtungskrieg“ etikettiert.
Vorläufer einer solchen Banalisierung und Begriffsentleerung erleben wir seit Jahren mit dem Antisemitismusvorwurf. Wer war da nicht schon Zielscheibe: Obama, Goethe und Schiller, die UNO, der Corona-Beauftragte der israelischen Regierung, die Anhänger einer Finanztransaktionssteuer, der EuGH, Fridays for Future u.v.a.m. Ein Beispiel, das besonders schön in diesen Kontext passt, ist die Unteilbar-Demo 2018 mit über 200.000 Teilnehmern, über die das Springer-Blatt Die Welt behauptet, sie sei „von Antisemitismus-Vorwürfen“ überschattet (Welt Online, 17.10.2018).
An dem Fall wird auch ein weiteres Merkmal des inflationären Gebrauchs solcher Kampfbegriffe sichtbar: ihre Protagonisten maßen sich gern die Definitionshoheit über Antisemitismus, Faschismus, Rassismus u.ä. an, Themen, über die in den Sozialwissenschaften auch Fachleute kontroverse Debatten führen, wie z.B. zwischen den Anhängern der Jerusalemer Definition von Antisemitismus und jener der International Holocaust Remembrance Alliance. Es besteht kein Anlass, sich von der arroganten Indienstnahme dieser Begriffe durch einige linke Milieus ins Bockshorn jagen zu lassen.
Unberührt davon ist, dass es natürlich real Faschisten, Antisemiten etc. gibt, gegen die sich demokratisch gesinnte Menschen klar positionieren müssen. Eine Friedensbewegung, die ihre humanistische Grundhaltung ernst nimmt, kann sich aber leichtfertige Zuschreibungen nicht leisten.
Noch glitschiger wird das Terrain mit einigen neue Kreationen im Arsenal der Kampfbegriffe: Verschwörungstheorie bzw. -ideologie, Wissenschaftsfeindlichkeit, Irrationalismus und Esoterik. Zunächst muss man festhalten, dass sie in einer anderen Liga spielen als Faschismus und Antisemitismus. Eine Gleichsetzung bedeutet pure Verharmlosung. Zwar sind sie oft Teilmomente von Faschismus und Antisemitismus, aber diese haben kein Monopol darauf. Man findet sie millionenfach in der Gesellschaft. Ein Beispiel: in den programmatischen Schriften von Christen, Juden und Muslimen – Bibel, Koran, Thora sowie den Edikten ihrer Päpste, Oberrabbiner und Imame – wimmelt es nur so von Irrationalismus und Esoterik. Würde man diese Ausgrenzungskriterien konsequent anwenden, dürften zukünftig Demos mit mehr als hundert Leuten sehr selten werden.
Und vor allem liefern auch hier die Herrschaftsmilieus das Vorbild, z.B. für Verschwörungstheorien. Wenn Hillary Clinton ihre Wahlniederlage gegen Donald Trump einer Kampagne des Kremls zuschreibt, Emmanuel Macron bei einem Hackerangriff auf seinen Wahlkampfcomputer schon nach einer halben Stunde genau weiß, dass die Bösewichte Russen sind, oder der Grüne Anton Hofreiter jüngst zur Erklärung des BREXIT den Einfluss „russischer Desinformation“ heranzieht (Die Welt, 25.7.2023; S.4), dann ist das nur die Spitze des verschwörungsideologischen Eisbergs. In den Leitmedien werden solche Fake News meist unkritisch übernommen.
Auch hier gibt es, wie beim Thema Rechtsoffenheit, eine Konvergenz zwischen Mainstream und sich als links verstehenden Gruppen, wie z.B. den sog. Antideutschen, deren Ideologie in einige Organisationen der Friedensbewegung Eingang gefunden hat.
Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang die sozialen Medien und alternativen Informationsquellen im Internet. Sie stellen die Informations- und Interpretationshoheit der etablierten Massenmedien und staatlicher Stellen in Frage. Das bietet neue Möglichkeiten für kritische Gegenöffentlichkeit von links, aber auch für viel Irrationales sowie Propaganda von rechts. Dennoch darf die Entscheidung, was Fake-News sind, nicht den Leitmedien und der staatstragenden Politik überlassen werden.
Praktische Konsequenzen
Die Erfolge der AfD sind ein ernstes Problem. Hinzu kommt für die Friedensbewegung die Schwierigkeit, dass die AfD – anders als die postfaschistische Regierungschefin Italiens, die stramm auf NATO-Linie liegt -, für den Stopp von Waffenlieferungen und Sanktionen sowie einen Verhandlungsfrieden mit Russland eintritt. Das tut sie nicht aus anti-militaristischen oder friedenspolitischen Motiven. Denn abgesehen davon, dass sie damit Protest gegen den regierungsamtlichen Bellizismus auf ihre parteipolitischen Mühlen lenken will, setzt sie sich zugleich für Aufrüstung und eine starke Bundeswehr ein.
Es ist klar, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD, ihren Unterorganisationen und ihren Funktionären gibt. Das gleiche gilt für Kräfte, die gezielt eine Querfront zwischen der extremen Rechten und Linken propagieren, wie Jürgen Elsässer mit seiner Zeitschrift „Compact“. Entsprechendes gilt natürlich für andere Rechtsextreme (NPD, ihre Nachfolgeorganisation etc.).
Keine Zusammenarbeit heißt: keine gemeinsamen Aufrufe bei Straßenaktionen, keine Redebeiträge von rechtsextremen Personen, die Unterbindung – soweit möglich – von entsprechenden Transparenten und Symbolen, bei Publikationen und Online-Medien keine Auftritte in AfD-Medien.
Schwieriger ist die Situation bei Podiumsdiskussionen/Talk-Shows, die von dritter Seite organisiert werden. In diesem Fall ist eine Teilnahme legitim, um der AfD u.ä. nicht das Feld zu überlassen. Dabei muss auf die Motive der extremen Rechten hingewiesen und das eigene Profil in deutlicher Abgrenzung herausgestellt werden.
Die Friedensbewegung darf sich nicht instrumentalisieren lassen, auch nicht von politischen Parteien für ihre Wahlkampagnen. Natürlich ist es gut, wenn Mitglieder aus Parteien, die nicht unter die o.g. Kriterien für Rechtsextremismus fallen, die Friedensbewegung unterstützen. Doch die Friedensbewegung muss stets unabhängig sein und ihr eigenes Profil immer deutlich herausstellen.
Es hat sich eine Protestlandschaft entwickelt, die in vielen Fällen keine Instrumentalisierung der Friedensfrage anstrebt, sondern friedenspolitisch motiviert ist. Damit sind jene Kräfte gemeint, die oben als politisch nicht determiniert skizziert wurden. Es sind Einzelpersonen, aber auch organisierte Bürgerinitiativen, die ihre Wurzeln ursprünglich in anderen Themen haben, z.B. den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen. Kooperation mit solchen Gruppen und Menschen unter der Voraussetzung klarer Absprachen über Inhalte und Formen einer gemeinsamen Aktion sind dabei notwendig. So wie eine katholische Organisation zur Zusammenarbeit willkommen ist, solange sie andere nicht zur unbefleckten Empfängnis Mariä bekehren will, so ist ein anthroposophischer Impfgegner willkommen, solange er sich auf gemeinsame friedenpolitische Positionen konzentriert.
Es werden sich nicht alle Eventualitäten vorab in Regelungen erfassen lassen. Daher ist die ständige Überprüfung von Erfahrungen mit der hier umrissenen Strategie und Taktik notwendig, um ggf. Korrekturen vornehmen zu können. Das bedeutet allerdings nicht, sich auf Methoden einzulassen, mit denen in geradezu geheimdienstlicher Manier vermeintlich verdächtigen Kontakten nachgespürt wird, um sie dann bei passender Gelegenheit zu skandalisieren. Damit wird ein Klima des Verdachts und der Denunziation erzeugt. Zumal die dabei gewonnen „Erkenntnisse“ sich immer mal wieder als Fake herausstellen.
Konfrontative Abwehr gegen alles, was nicht die – wie immer definierte – reine Lehre ist, endet letztlich in sektenhafter Selbstisolierung von den Realitäten unserer Gesellschaft. Eine Zusammenarbeit mit Kräften, die die Anliegen der Friedensbewegung teilen und nicht dem faschistischen/rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind, sollte deshalb angestrebt werden, wenn wir breitere Kreise der Gesellschaft, die jüngere Generation und die bitter notwendige politische Wirkung erreichen wollen.
An der Abfassung dieses Textes waren beteiligt: Yusuf As, Reiner Braun, Wiebke Diehl, Andreas Grünwald, Claudia Haydt, Rita Heinrich, Jutta Kausch-Henken, Ralf Krämer, Willi van Ooyen, Christof Ostheimer, Hanna Rothe, Peter Wahl.
Quelle: Nie wieder Krieg!