Viele Probleme und kaum Antworten
Kritik im Parlament gab es am Donnerstag genug an den schönen aber inhaltsleeren Worten des neuen Premierministers zum Fahrplan der Regierung mit Blick auf die üppigen Problemzonen des Landes. Dabei hat sich schon unter der sozialliberalen Vorgängerregierung wenig getan, deren führende Köpfe, insbesondere der LSAP, nun vor einem Rentenklau warnen. Der dürfte durchaus im Raum stehen, do sollte, wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen, wenn wir an die »Rente à la Carte« der Sozialdemokraten denken, die noch nicht so lange her ist und die unsere Kinder für die gleiche Rente länger arbeiten läßt, obschon die Entwicklung der Produktivität den Trend umkehren müßte. Immer mehr Lohnabhängige sind angesichts dieses ungleich verteilten Wohlstands nicht mehr bereit auf unflexible Arbeitssysteme und fordern mehr work-life-balance, sehr zum Unmut der Unternehmen und der sie vertretenden Politiker.
Die bisherige neoliberale Politik hat es nicht geschafft, die Probleme dieses Landes zu lösen – im Gegenteil. Die Investitionslücke und der Mangel an Wohnungen sind zwei deutliche Beispiele dafür. Durch das Mantra »Privat vor Staat« kam es dazu, daß die den Unternehmen überlassene Freiheit, im Sinne des Marktes die Probleme dieses angehenden Eine-Million-Einwohner-Staates in einen Mangel an Innovation und Infrastruktur mündete. Auch die aktuellen Arbeiten dürften nicht darüber hinwegtäuschen, daß vieles bereits hätte Jahre zuvor in Angriff genommen werden müssen, in einer Zeit also, als nicht nur die neue Regierungspartei, sondern auch die neue größte Oppositionspartei regelmäßig in staatlicher Verantwortung waren.
Die Investitionslücke in Luxemburg ist ein Ergebnis dieser Politik. Es fehlen etwa 50.000 Wohnungen, und die Mieten sind hoch. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Regierung nicht genug in den Bau von Wohnraum investiert hat. Man will den Promotoren nicht im Weg stehen.
Ein so reiches Land wie Luxemburg möchte eine Bevölkerungsexplosion herbeiführen, ist aber nicht in der Lage, die notwendige Infrastruktur mit Nachdruck auf den Weg zu bringen. Menschen schlafen unter Brücken, sparen sich Mieten für kümmerliche Wohnungen vom Munde ab, sofern sie nicht ins Ausland wohnen gehen müssen, und der öffentliche Transport fällt immer häufiger aus oder ist trotz einer massiven Baustellendichte und damit verbundenen Staus auf den Straßen des Landes immer noch nicht konkurrenzfähig zum Individualverkehr.
Wer auf einen Scannertermin wartet, hängt stundenlang in Warteschleifen oder bekommt erst gar keinen in absehbarer Zeit. Hausärzte sind immer häufiger überlaufen, und auch die Modernisierung des Krankenkassenwesens rumpelt seit Jahren herum.
Wichtig ist jetzt, grundlegende Innovationen in staatliche Hand zu nehmen. Dabei dürfen Klima- und Umweltschutz nicht vernachlässigt werden. Immerhin ist Luxemburg voll von städtebaulichen Sünden und landschaftlicher Zersiedelung. Es muß also im Sinne der Gemeinschaft agiert werden und nicht nur ein weiteres Mal im Sinne der Profiteure.
Wohnungs-, Lebens- und Arbeitsqualität gehen Hand in Hand, wenn der herrschenden Politik eine Lebensqualität der Bürger wirklich etwas wert ist. Dazu gehören moderne Arbeitsmethoden im Sinne des technischen Fortschritts, die nicht einseitig im Interesse der Unternehmen genutzt werden, bezahlbare Wohnungen und eine Umwelt mit Städten darin, die auf die zukünftigen Herausforderungen des Klimawandels vorbereitet sind.
All diese Punkte läßt das neue Programm vermissen und es steht zu befürchten, daß es nicht nur keinen Fortschritt geben wird, sondern einen sozialen Roll-Back, daß sich mancher Lohnabhängige, der bei »méi an der Täsch« sein Kreuz gemacht hat, wünschen würde, dies nie getan zu haben.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek