27. Dezember 2024

Rede von Ates Gürpinar

Übernommen von Nie wieder Krieg!:

Rede Ates Gürpinar 25.11.203 Brandenburger Tor

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

danke, dass ihr da seid. Danke, dass wir uns heute zusammengefunden haben, um gegen die Kriege in der Welt und die Kriegsbereitschaft in Deutschland zu demonstrieren.

Während Minister Pistorius aus dem trockenen TV-Raum die Gesellschaft kriegstüchtig bekommen will, rufen wir ihm bei Wind und Wetter entgegen: Nein, friedenstüchtig müssen wir werden!

Kriegstüchtigkeit: Ja, das ist eine Zeitenwende. Der deutsche Kanzler nutzte diesen Begriff Zeitenwende, um den Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine einzuordnen, um Konsequenzen aus dem Überfall zu ziehen.

Während die meisten von uns schockiert waren ob der schrecklichen Angriffe, der Massaker und der Toten, während wir uns neu sortierten, schaffte der Kanzler Fakten: Für ihn war die Zeitenwende die Rechtfertigung, um die längst anvisierte Aufrüstung in Deutschland umzusetzen, das Nato-Ziel einzuhalten und jährlich 2 % in Rüstungsindustrie, in Kriege und Militär zu stecken. Er, der sonst so gerne zaudert, war auf einmal ganz schnell.

Denn das ist die Konsequenz der Zeitenwende – von der Ampel bis ganz nach rechts: Dass Deutschland wieder kriegstüchtig werden soll. Und dass der, der das genauso betont, als beliebtester Politiker Deutschlands umjubelt wird.

Zeitenwende: Das ist, wenn die Ampelparteien angebliche Friedendemos organisieren, wo Linke und Gewerkschafter ausgebuht werden, wenn sie für Abrüstung werben.

Zeitenwende, das bedeutet, dass alles der Haushaltssperre unterliegt – bis auf das Sondervermögen Bundeswehr. Bei Kitas und Krankenhäusern wird gekürzt, aber für Panzer und Raketen werden Rekordsummen ausgegeben. Das ist die Militarisierung der Gesellschaft, gegen die wir uns mit aller Kraft wehren müssen.

Waffen werden in Kriegsgebiete geschifft, als wären es Nahrungsmittel, aber Deserteuren und Geflüchteten wird die Aufnahme verweigert. Wir Linken sagen: Verhandlungen statt Waffen. Waffenexporte gehören verboten, denn jede Waffe findet ihren Krieg – auf allen Seiten.

Als Pazifist sage ich: Wir sind solidarisch mit allen, die den Dienst an der Waffe verweigern. Die NEIN sagen, wenn sie an die Front geschickt werden sollen. Ob aus Russland, aus der Ukraine, oder aus irgendeinem der anderen Kriegsgebiete der Welt: Wer nicht auf seine Mitmenschen schießen will, der hat unsere Solidarität verdient, liebe Friedensfreundinnen und Freunde! Nicht der, der Hundert erschossen hat, gehört verehrt, sondern der, der sich verweigert hat, der nicht auf seine Brüder und Schwestern geschossen hat.

Nun gibt es ja einige, die Sanktionen gänzlich ablehnen. Ich finde, die Milliardäre, die Oligarchen in Russland, die an Waffen und Kriegen verdienen, während sie unsere Klasse in den Krieg schicken, die darf man ruhig sanktionieren. Man muss friedlichen Druck auf die herrschende Klasse dort machen, damit sie die Truppen zurückziehen aus der Ukraine. Aber das ist das abstruse: Während Deutschland ganz vorne dabei ist bei der Lieferung von Panzern und Raketen, mit denen Konzerne wie Rheinmetall eine Wahnsinns-Geschäft machen, ist unser Land noch immer Schlusslicht beim Einfrieren der Vermögenswerte von Putins Oligarchen. Warum? Weil diese Bundesregierung den Superreichen nicht auf die Füße treten will.

Deswegen gibt es auch immer noch keine Transparenz, wem die Immobilien am Starnberger See und anderswo gehören. Und dann können sich auch russische Oligarchen weitgehend unbehelligt an ihrem Pool am Starnberger See sonnen.

Und nun kommt der Gaza-Krieg hinzu, der furchtbare Terror der Hamas und der Angriff der israelischen Regierung auf Gaza als Reaktion. Es ist nicht absehbar, wie er weiter eskaliert. Am Tag gegen die Gewalt an Frauen sei erwähnt, dass über 2/3 der Opfer im Gaza-Krieg Frauen und Kinder sind: Die Antwort kann doch nur sein, Waffenstillstand jetzt, Geiseln freilassen – und gemeinsam dem Antisemitismus und dem antimuslimischen Rassismus entgegentreten: Aber während die UN, ja selbst die USA sich um Waffenstillstand bemühten, sperrte sich die deutsche Regierung dagegen. Wie verantwortungslos kann man sein?

Hinter diesen beiden Kriegen wird der Angriffskrieg Erdogans gegen die Kurden nahezu unsichtbar, von den Kriegen im Jemen, in Äthiopien, im Sudan und anderswo ganz zu schweigen.

All das, liebe Freundinnen und Freunde, sind Zeichen der Zeitenwende.

Aber es gibt noch andere Zeichen dieser Zeitenwende: Waschechte Faschisten regieren in Europa und werden dafür hofiert. Militarismus und Faschismus gehen einmal mehr Hand in Hand, und einmal mehr betreibt die politische Mehrheit Appeasement, statt Haltung zu zeigen. Wir sagen Nein! Kein Fußbreit den Faschisten in Europa!

Es ist wahrlich gefährlich: In Russland ist Homophobie, ist Rassismus, sind nationalistische Großmachtphantasien schon fester Teil des verbrecherischen Systems. Aber auch in der EU werden sie stärker und stärker: Die Wilders, die Le Pens, die Melonis und Höckes. Es gärt braun in Europa.

Und wir wissen, dass Faschisten immer nur so lange für Frieden sind, bis sie den Krieg fertig vorbereitet haben. Wir kennen den Spruch: Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen. Aber der Faschismus ist der Regen, er ist der Krieg: Er ist der Sturm, der alles vernichtet.

Deswegen ist es eine Losung, die zusammengehört: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Und auch deswegen kann man auch nicht mit Rechten für Frieden demonstrieren. Daher danke ich für die klare Abgrenzung nach Rechts, die so wichtig ist – gerade in der jetzigen Zeit.

Und der Kapitalismus und der Rechtsruck, diese Verbindung lässt das Übelste emportreten: Die Regierung aus SPD, FDP und Grünen betreibt aktiv die Aufkündigung der gesellschaftlichen Solidarität auf allen Ebenen. Tausende sterben im Mittelmeer. Für die Pflegeheime und Krankenhäuser ist kein Geld da. An die Reichen traut sich die Regierung nicht ran, aber an den Armen, Alten und Schwachen zerrt die Regierung jeden Tag und jede Nacht: Wenn die Schuldenbremse 2024 noch weiterhin gilt bei Kitas, bei Schulen und beim Nahverkehr, aber nicht beim Sondervermögen Bundeswehr: Wie absurd ist diese Regierung?

Wie feige muss man sein, das Geld bei den Armen zu holen, weil man sich an die Reichen nicht herantraut? Wie viel feiger muss man sein, dann die Armen, die schon länger hier leben, gegen die auszuspielen, die zu uns kommen? Bevor der Reiche die Wohnungen für beide finanzieren muss, soll der Arme arm bleiben und der Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken. Wir müssen das ändern, wir müssen umsteuern, wir müssen uns den Reichtum zurückholen!

Aber dass die völkischen Kräfte zu gewinnen drohen, und die Völker sich nicht einig sind: Das alles ist auch eine Folge der linken Schwäche, unserer Schwäche. Lasst uns das ändern. Es gibt Hoffnung, es gibt Licht. Es finden Menschen zusammen, die den Frieden wollen, heute, hier. Aber auch der Waffenstillstand im Nahen Osten, die Freilassung zumindest einiger Geiseln. Das ist nicht viel. Das ist ein erster Schritt.

Aber es ist doch ein Zeichen, wenn Angehörige von Geiseln sich für den Waffenstillstand einsetzen.

Es ist doch ein Zeichen, wenn die Kirchen bereits Anfang des Jahres eine Friedenskette mit 20000 Menschen von Münster nach Osnabrück organisierten, es ist doch ein Zeichen, dass die Gewerkschaften Friedenskonferenzen organisierten, es ist ein Zeichen, dass viele merken, dass Kriege nicht gewinnbar sind, dass am Ende eine Klasse immer verliert – unsere Klasse.

Lasst uns da weitermachen. Wir müssen umkehren von der Kriegslogik, wir brauchen eine andere Zeitenwende. Lasst uns also für eine Zeitenwende streiten, die nicht in Profiten und Kriegstüchtigkeit denkt!

Wir brauchen eine Zeitenwende, die nicht kriegs-, sondern friedenstüchtig macht! 

Eine Zeitenwende, die Menschen hilft, die vor Krieg und Hunger fliehen!

Eine Zeitenwende, in denen Deutschland keine Waffen exportiert, sondern Frieden und Nachhaltigkeit.

Wir brauchen eine Zeitenwende, in denen wir den Kriegsgewinnlern den Profit entziehen, in denen Übergewinne der Banken und Konzernen in Schulen und Krankenhäuser, in ÖPNV und Pflege gesteckt werden. Schwerter zu Pflugscharen, eine solche Zeitenwende braucht es.

Eine Zeitenwende, in denen die Schuldenbremse durch ein Investitionsturbo ersetzt wird. Lasst ihn uns zünden anstatt in Abgrund und Armut zu wirtschaften. Eine Zeitenwende, in denen Nationalismus und Faschismus weichen und die Klasse international zusammenwächst.

Ja, das mag in der jetzigen Zeit ein Traum sein: Aber es ist unsere Aufgabe, es ist die Aufgabe von uns allen, dass wir uns auf den Weg machen. Die letzte Zeitenwende war eine in Richtung Aufrüstung und Richtung Abgrund: Wir brauchen jetzt eine ganz andere Zeitenwende, eine Zeitenwende des Friedens und der Gerechtigkeit – überall. Vielen Dank!

Quelle: Nie wieder Krieg!

Friedensbewegung