Von zwei Streiks, die Geschichte machen
Innerhalb der vergangenen vier Monate gab es gleich zwei Streiks in Luxemburg. Das hat es hierzulande seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, in denen die sogenannte Sozialpartnerschaft vorherrschte, die den Schaffenden suggeriert »Arbeitnehmer« und »Arbeitgeber« säßen ohnehin in einem Boot, und die Aushandlung eines »Kompromisses« sei allemal besser als ein Streik, der den Unternehmen schade und den Lohnabhängigen nicht dienlich sei, erst recht nicht, wenn er verloren gehen sollte.
Die Folgen der »Sozialpartnerschaft«
Eine der Folgen der »Sozialpartnerschaft« ist es, dass Streik als Waffe der Lohnabhängigen hierzulande weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis der Schaffenden verbannt wurde, seit Gewerkschaftsvertreter in den Gremien der »Sozialpartnerschaft« verhandeln durften, und die Gewerkschaften in den 1960er Jahren keinen Widerstand leisteten, als das Streikrecht gesetzlich stark eingeschränkt wurde.
Zu den Folgen dieser Entwicklung zählt auch, dass seit den 1970er Jahren in manchen Tripartite-Sitzungen mit dem Kapital und der Regierung von Gewerkschaftsführern Beschlüsse mitgetragen wurden, die oft nicht von Vorteil für die Schaffenden waren – meist unter dem Vorwand der Wahrung »nationaler Interessen«. Es wurden sogar Lohnmäßigungen gutgeheißen und Kollektivverträge abgeschlossen, die Verschlechterungen statt Verbesserungen zur Folge hatten.
Inzwischen werden die Zeiten infolge der kapitalistischen Dauerkrise härter, und es gibt zunehmend Bestrebungen des Kapitals, gesetzliche und soziale Zugeständnisse, die widerwillig während der Zeit der Systemauseinandersetzung oder aufgrund gewerkschaftlicher Hartnäckigkeit gemacht wurden, zurückzunehmen. Die Lohnabhängigen und ihre Organisationen sind daher gezwungen, sich strategisch umzuorientieren, um eine Antwort auf den verschärften Klassenkampf von oben zu finden und nicht die Verlierer des nächsten Jahrzehnts zu werden.
Cargolux und Ampacet
Die zwei Streiks, die in den vergangenen Monaten hierzulande erfolgreich durchgeführt wurden, sind auch ein Resultat dieser Entwicklung, unabhängig davon, dass sie in sehr unterschiedlichen Betrieben stattfanden. Der eine, Cargolux, einer der wenigen Global Player in Luxemburg, der über eine direkte Beteiligung und zusätzliche indirekte Beteiligungen mehrheitlich im Besitz des Luxemburger Staates ist. Der andere, Ampacet, eine verhältnismäßig kleine Niederlassung eines großen USA-Konzerns, der im Besitz einer reichen Familie ist.
Bei Cargolux waren zuvor 28 (!) Verhandlungsrunden gescheitert, und fünf Sitzungen des nationalen Schlichtungsamtes waren ausgegangenen wie das Hornberger Schießen. Im Vergleich zu den gesetzlichen Verhandlungsprozeduren, die ganz im Sinne des Patronats sehr langwierig gestaltet wurden, um die Lohnabhängigen und ihre gewerkschaftlichen Vertreter zu zermürben, bedurfte es lediglich drei Tage Streik in diesem Großbetrieb, um Forderungen der Gewerkschaften durchzusetzen, darunter Lohnerhöhungen, eine neue Lohntabelle für die Beschäftigten aus dem Wartungsbereich und einen Inflationsausgleich im Falle einer Indexmanipulation.
Der schnelle Erfolg dieses Streiks – der erste in der 53jährigen Geschichte der Cargolux – war nur möglich, weil die Beschäftigten von Cargolux konsequent solidarisch waren, und der Streik, hätte er noch länger gedauert, im Vergleich zu den gewerkschaftlichen Forderungen, für die Aktionäre in jeder Hinsicht teurer geworden wäre.
Bei Ampacet waren die Umstände anders gelagert. Das Unternehmen hatte die gewerkschaftlichen Forderungen während eines ganzen Jahres (!) immer wieder abgelehnt und dann sogar die Schlichtung einseitig für beendet erklärt, so dass der Kollektivvertrag für die fünf Dutzend Arbeiter außer Kraft gesetzt war.
Der Streik, der folgte, um den Kollektivvertrag zu verteidigen, wurde nach 25 Tagen gewonnen, weil die Beschäftigten – trotz aller widrigen Umstände und Provokationen des Patronats – eine exemplarische Solidarität an den Tag legten, und der OGBL, seine Führung und seine Gewerkschaftssekretäre der Belegschaft Mut machten und in der ganzen Gewerkschaft, aber auch darüber hinaus eine Solidaritätsbewegung im ganzen Land entfachten, wie wir sie seit langem nicht in Luxemburg gekannt haben. Als Kommunisten sind wir stolz, Teil dieser Solidaritätsbewegung gewesen zu sein!
Ein schneller Lernprozeß
Der Streik – der längste seit 30 Jahren in einem Betrieb hierzulande – machte deutlich, dass die Lohnabhängigen in einer sozialen Auseinandersetzung hundertmal schneller lernen, ihre Interessen konsequent zu verteidigen, als unter anderen Umständen. Und so ist es kein Zufall, dass fast die ganze Belegschaft der Gewerkschaft beitrat, der zuvor lediglich eine Handvoll Beschäftigte angehört hatten.
Aber Streik ist kein Selbstzweck, sondern eine Waffe in der Hand der Schaffenden, die es möglich macht, berechtigten Forderungen zum Durchbruch zu verhelfen, wenn zuvor Verhandlungen scheitern oder es sich zeigt, dass im Rahmen der »Sozialpartnerschaft« bestenfalls ein schlechter Kompromiss erzielt werden kann, weil das Kapital sich weigert, Zugeständnisse zu machen und am längeren Hebel sitzt, solange es keinen Streik zu befürchten hat.
Entscheiden müssen immer die Lohnabhängigen, indem sie sich vor Augen führen, wie es ihnen gelingen kann, ihre Interessen konsequent durchzusetzen, ohne sich von ideologischen oder sonstigen sozialpartnerschaftlichen Ablenkungen irreführen zu lassen.
Notwendig ist es daher, nicht nur ein soziales, sondern auch ein politisches Bewusstsein zu entwickeln, um ein Kräfteverhältnis herbeizuführen, welches es möglich macht, dass alle gesetzlichen Einschränkungen des Streikrechts abgeschafft werden und längerfristig eine Gesellschaft ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen Wirklichkeit wird.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek