Zwei Drittel der Beschäftigten im Handel können sich das Leben kaum leisten
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Der Advent ist für die Beschäftigten im Handel die arbeitsreichste, stressigste und vor allem lauteste Zeit des Jahres. Viele sind unzufrieden, körperlich und psychisch belastet und wollen den Job wechseln. Und das nicht nur, weil sie mit ihrem Einkommen unzufrieden sind. Zwei Drittel können von dem, was sie für ihre harte Arbeit bezahlt bekommen, kaum oder gar nicht leben.
Linz. Eine aktuelle Sonderauswertung des Arbeitsklima-Index für die Beschäftigten im Handel zeigt eine sehr hohe Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen.
Mehr als 300.000 Menschen arbeiten in Österreich im Einzelhandel. Typisch für diese Branche sind ein hoher Frauenanteil (71 Prozent) und eine hohe Teilzeitquote (51 Prozent), insbesondere bei Frauen (62 Prozent). Aber auch bei Männern ist die Teilzeitquote mit 22 Prozent überdurchschnittlich hoch. Jeweils fast drei Viertel der Vollzeit- und Teilzeitkräfte wollen genau die derzeitige Stundenanzahl erbringen. Jede fünfte Teilzeitkraft möchte mehr Stunden arbeiten. Rund ein Fünftel der Vollzeitkräfte möchte weniger Stunden arbeiten
Geringe Löhne und Gehälter im Handel
Die mittleren Bruttojahreseinkommen der Beschäftigten im Einzelhandel waren 2021 mit rund 24.000 Euro um mehr als 12.200 Euro geringer als die durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen aller Beschäftigten. Männer verdienen im Einzelhandel durchschnittlich rund 30.400 Euro, Frauen kommen auf 21.500 Euro. Nur sechs Prozent der Handelsbeschäftigten können sehr gut vom Einkommen leben, 28 Prozent haben ein ausreichendes Einkommen. Für 56 Prozent reicht das Einkommen gerade aus und zehn Prozent sind in einer finanziell prekären Lage. Rund ein Drittel der weiblichen Beschäftigten im Einzelhandel ist auf finanzielle Unterstützung durch ein Partnereinkommen angewiesen. 61 Prozent derer, die älter als 45 sind, glauben, dass ihre Pension nur knapp ausreichen wird. Rund ein Viertel befürchtet eine prekäre finanzielle Lage in der Pension.
Arbeitsbelastung durch Zwangsbeschallung
Die subjektiven Belastungen liegen im Einzelhandel gleich hoch bzw. teilweise etwas niedriger als in den restlichen Branchen. Allerdings kommt in der stressigen Adventzeit eine Belastung besonders zum Tragen: Lärm, insbesondere durch die ständige Zwangsbeschallung durch Radio und (Weihnachts-)Musik, Durchsagen und Werbung in der Dauerschleife.
Belastung durch Lärm ist aber nicht nur stressig und nervig, sondern kann auch gravierende Folgen haben. Acht von zehn Beschäftigten im Handel, die Lärm als Belastung wahrnehmen, fühlen sich ausgelaugt, rund zwei Drittel reagieren oft gereizt und 52 Prozent sehen sich selbst als antriebslos. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten, die durch Lärm belastet sind, halten es für unwahrscheinlich, ihren Beruf bis zur Pension ausüben zu können. Bei jenen, die nicht durch Lärm belastet sind, sind es nur 27 Prozent.
Unterdurchschnittliche Arbeitszufriedenheit
In den vergangenen zehn Jahren war der Arbeitsklima-Index im Handel stärkeren Schwankungen ausgesetzt als in den restlichen Branchen. Aktuell liegt der Index in der Branche bei 104 Punkten und somit um einen Punkt niedriger als in den restlichen Branchen. Daher verwundert es wenig, dass im Einzelhandel mehr Beschäftigte den Job wechseln wollen als in allen anderen Branchen.
Der oberösterreichische AK-Präsident Andreas Stangl fordert eine Reihe von sinnvollen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit im Handel, wie das Recht auf Teil- wie auf Vollzeitbeschäftigung, eine bessere Kinderbetreung und vieles mehr.
Tatsache ist: Alle Verbesserungen müssen erkämpft werden. Dazu braucht es jedoch klassenkämpferische Gewerkschaften, die auch bereit sind, die Kolleginnen und Kollegen für ihre Rechte zu mobilisieren, und die nicht nach kurzen Warnstreiks immer wieder vor den Handelskonzernen einknicken.
Quelle: OTS
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