5. Dezember 2024

Mehr als nur ein Brunch: Hank Ge, Bali und die Schatten des Imperialismus

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

Influencer Hank Ge steht im Zentrum einer Debatte um kulturelle Aneignung und Gentrifizierung, die tiefere Probleme der kapitalistischen Ausbeutung und imperialistischen Geschichte aufzeigt, insbesondere im Kontext von Bali und Indonesien.

Wien. Hank Ge, ein Influencer und Gastronom, steht in der Kritik wegen kultureller Aneignung bezüglich seiner Nutzung der balinesischen Kultur. Ge (bürgerlicher Name: Hendrik Genotte), bekannt für seinen Bali-Brunch und Bali-bezogene Beauty-Produkte, wird von der Gruppe Cinta Cinta Collective beschuldigt, finanziellen Gewinn aus der indonesischen Kultur zu ziehen, ohne angemessene Anerkennung oder Entschädigung zu bieten. Ge verteidigt sich, indem er betont, seine Produkte und Angebote basierten auf Wertschätzung für Bali und der Intention, dessen Spirit nach Wien zu bringen. Er weist darauf hin, dass es nie sein Ziel war, die Kultur negativ zu beeinflussen. Trotzdem kritisiert das Kollektiv Ge für „white saviourism“ und „kolonialistisches Gedankengut“ und lehnt eine Zusammenarbeit mit ihm ab.

Kulturelle Aneignung bezeichnet die Übernahme von Elementen einer Kultur durch Mitglieder einer anderen Kultur, oft ohne Verständnis, Anerkennung oder Respekt für ihren ursprünglichen Kontext. Das Konzept ist allerdings umstritten und durchaus problematisch. Die heutige Kultur konnte nur durch den beständigen Austausch und Vermischung mit anderen Kulturen entstehen. So ist es heute beispielsweise schwer nachzuvollziehen, woher Rastalocken („Dreads“) ursprünglich kommen, da sie zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Kulturen auffindbar sind.

Ein Vorwurf, der gegenüber Unternehmern wie Hank Ge ebenfalls oft laut wird, ist das Vorantreiben von Gentrifizierung. Gentrifizierung bezieht sich auf den Prozess, bei dem wohlhabendere Individuen oder Unternehmen in bisher weniger begüterte Stadtteile ziehen oder investieren, was oft zu steigenden Mieten und Lebenshaltungskosten führt. Diese Entwicklung kann zur Verdrängung einkommensschwacher Bewohner führen. In Österreich, insbesondere in Städten wie Wien, ist Gentrifizierung ein wachsendes Phänomen. Beispielsweise können in bestimmten Vierteln die Mieten um bis zu 40 Prozent steigen, wenn gehobene Gastronomie oder Luxuswohnungen entstehen, was die ursprüngliche Bevölkerung finanziell belastet und oft verdrängt.

Hank Ge trägt zum Phänomen der Gentrifizierung bei, indem er traditionelle Wiener Beiseln aufkauft und in gehobene, teure Lokale umwandelt. Beispiele dafür lassen sich auf der Wiener Neubaugasse finden, so musste auch das beliebte Café Lambada der teuren Speakeasy-Cocktailbar Konzept „Fitzcarraldo“ von Hank Ge weichen. Diese Entwicklung, für die Hank Ge exemplarisch steht, aber natürlich nicht alleinig verantwortlich ist, führt zu steigenden Mieten und Lebenshaltungskosten in den betroffenen Vierteln, was wiederum die ursprüngliche Bevölkerung verdrängt.

Was uns mehr beschäftigen sollte als die Debatte um kulturelle Aneignung, sind die imperialistische Aneignung und die gewaltvolle Markterschließung, die weit über das Verletzen von kulturellen Empfindlichkeiten hinausgeht. Beim Thema Bali und Indonesien dürfen wir niemals vergessen, was Haji Mohamed Suharto in Kooperation mit dem US-Imperialismus verantwortete. Die Massaker in Indonesien 1965–1966 waren eine Reihe von Gewalttaten, die zum Tod von Hunderttausenden, hauptsächlich Anhängern der Kommunistischen Partei Indonesiens, führten. Die Gewalt begann nach einem gescheiterten Putschversuch und wurde von den Streitkräften Indonesiens und islamistischen Milizen durchgeführt. Die USA und andere westliche Länder unterstützten die antikommunistischen Kräfte. Diese historischen Verbrechen kommen in der kulturellen Aneignungsdebatte schmerzlich wenig vor, auch nicht in dem Statement gegen Hank Ge von Cinta Cinta Collective, auch wenn das Kollektiv durchaus fundierte und richtige Kritik ausübt.

Um die Ursachen der realen Probleme der Welt nicht aus den Augen zu verlieren, sollten wir uns mehr über solche historischen Ereignisse empören, die durch imperialistische Interventionen verursacht wurden, als über die kulturelle Aneignung durch Influencer wie Hank Ge. Der Fall von Bali, das heute als paradiesische Insel bekannt ist, zeigt, wie die kapitalistische Ausbeutung und imperialistische Politik die Geschichte und Kultur von Ländern formen können, während zeitgenössische Akteure wie Ge von diesem Image profitieren, ohne die historischen und sozialen Kontexte zu berücksichtigen. Auch die Kritiker dieser kulturellen Aneignungsprozesse sollten anfangen, über den identitätspolitischen Tellerrand zu blicken.

Quellen: Standard/Presse

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