Bedingte Haftstrafe* für Ex-Kanzler Kurz
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Der Prozess um Falschaussagen des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz und seines Kabinettschefs Berhard Bonelli vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss endete mit Schuldsprüchen: Acht Monate bedingt für Kurz, sechs Monate für Bonelli. Die Anwälte meldeten Berufung an, weshalb die Urteile nicht rechtskräftig sind.
Wien. Herr Dichand (Kronen Zeitung) und Frau Dichand (heute), die ja wegen Sebastian Kurz in die sogenannte Inseraten-Affäre hineingezogen wurden, ließen ihre Online-Blätter gleichlautend von einem „Hammer-Urteil“ sprechen. Was war passiert? Einzelrichter Michael Radasztics, der durch eine umsichtige und unaufgeregte Prozessführung auffiel, hatte Freitagabend den ehemaligen Bundeskanzler Kurz und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli zu bedingten Haftstrafen verurteilt. Kurz bekam acht Monate und Bonelli sechs Monate bedingt, die Anwälte der beiden kündigten nach dem Urteil an, in die Berufung zu gehen, weswegen die Urteile nichts rechtskräftig sind. Beide wurden in einigen von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Anklägerin vorgebrachen Anklagepunkten freigesprochen. Lediglich in einem Punkt erkannte der Richter auf schuldig. Dabei ging es um die Bestellung des Aufsichtsrates der Verstaatlichten-Holding ÖBAG. Kurz und Bonelli hatten ihre Rolle bei der Bestellung der Aufsichtsräte heruntergespielt und sich auf den formalen Vorgang der Bestellung berufen, wonach dies Aufgabe des Finanzministers gewesen sei. Dieser, Hartmut Löger, hatte im Zeugenstand eklatante Erinnerungslücken, ebenso wie ein anderer Ex-Finanzminister, nämlich Gernot Blümel.
Kurz „wehrlos“, Bonelli auf Wallfahrt
Vor dem Urteilsspruch gaben die beiden Angeklagten skurril anmutende Erklärungen ab. Bonelli verlautbarte an, dass die Gerichtsverhandlung für ihn das Erniedrigenste sei, das er je erlebt habe. Allein das Strafmaß zu sehen, sei schon schlimm gewesen. Er berichtete von einer Wallfahrt nach Polen, die er mit Freunden unternommen habe, und seinem Studium der Apostelgeschichte. Das habe ihm geholfen, mit der Anklage umzugehen. Sebastian Kurz wiederum sprach laut Der Standard-Liveticker davon, dass er sich „wehrlos“ fühle, wobei ihm fast „die Stimme gebrochen“ sei.
Dieser Prozess zeigte viele Menschen mit eklatanten Erinnerungslücken und dafür zwei russische „Businessmen“, die in gleichlautenden eidesstattlichen Erklärungen den nach Kronzeugenstatus strebenden Thomas Schmid belasteten, sich in der Live-Schaltung aus der österreichischen Botschaft in Moskau bzw. Tiflis in Widersprüche verwickelten. Kurz und sein Anwalt hatten den Auftritt der russischen Geschäftsleute als große Sensation angekündigt.
Für Sebastian Kurz kann es – wenn es zu einer Anklage kommt – auch in einem anderen Prozess noch ungemütlich werden. Es geht um die Inseratenaffäre, wo behauptet wird, dass Umfragen frisiert und Gegengeschäfte mit Boulevardmedien abgeschlossen wurden. Hier gibt es mit der Meinungsforscherin Sabine Beinschab eine Kronzeugin, die bereits als solche anerkannt wurde. Für Kurz und andere gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
Die kurze Regierungszeit von Kurz als Bundeskanzler, erst mit der FPÖ, dann mit den Grünen, war geprägt von Blendwerk und Skandalen. So wurden alle neun Gebietskrankenkassen zur ÖGK zusammengelegt, und Kurz und sein Vizekanzler Heinz-Christian Strache, versprachen eine „Patientenmilliarde“. Durch die Ersparnisse, die sie sich angeblich von der Zusammenlagung erwarteten, sollte eine Milliarde Euro fürs Gesundheitssystem frei werden. Bis heute ist das nicht eingetreten, im Gegenteil, die Zusammenlegung war bisher nur mit Kosten verbunden, aber der Einfluss der Unternehmerseite in den Führungsgremien ist größer geworden.
Kurz verdankte seinen raschen Aufstieg vom Staatssekretär zum Außenminister und schließlich zum Bundeskanzler vor allem wohlhabenden Gönnern, die sich von ihm eine härtere Gangart beim neoliberalen Staatsumbau versprachen. Das meiste davon blieb stecken, Kurz und sein Umfeld waren in erster Linie darauf bedacht, ihre persönlichen Netzwerke auszubauen und sich bestmöglich zu vermarkten. Das Großkapital hätte den eloquenten jungen Mann gerne in einer erfolgreicheren Rolle gesehen, aber außer Marketinggags blieb nicht viel von seiner Kanzlerschaft. Kurz war sozusagen der erste Tik-Tok-Kanzler. Wenig Inhalt, viel Inszenierung.
* Nachdem der Anwalt von Sebastian Kurz Berufung angemeldet hat, gilt er zwar als erstinstanzlich verurteilt, das Urteil hat aber keine Rechtskraft.
Quelle: Der Standard
Quelle: Zeitung der Arbeit