21. November 2024

Der Charakter des Faschismus

Auf seinen letzten Tagungen befasste sich der Parteivorstand der DKP mit Elementen der Analyse der heutigen Zeit. Die komplexen Themen der „Zeitenwende des Imperialismus“ bringt die Partei mit dem Begriff „reaktionär-militaristischer Staatsumbau“ auf den Punkt. Auf der 5. PV-Tagung wurde dazu ein Fahrplan bis zum nächsten Parteitag 2025 entwickelt. Mit verschiedenen Materialien in unterschiedlichen Formaten soll hierzu eine breite Diskussion in der Partei ermöglicht und gefördert werden. Artikel in UZ und Hintergrundmaterialien („Dossiers“), die Zusatzinformationen enthalten, gehören ebenso dazu wie Konferenzen, die die Analysen weiter ausarbeiten und vertiefen. Die DKP Regensburg hat ein Seminar durchgeführt, das von der Bildungskommission als Pilotprojekt unterstützt wurde. Themen waren „Erfordernisse an die Analyse der faschistischen Gefahr in der heutigen Zeit“ sowie – zum Aspekt der Militarisierung – „Auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit“. Dank gebührt den Regensburger Genossinnen und Genossen für ihre konstruktiven Rückmeldungen, die in den hier abgedruckten Text eingeflossen sind. Er soll bis zum Sommer in allen Gliederungen der DKP diskutiert werden. Als Druckvorlage sind das Referat sowie weitere Materialien zu finden unter dkp.de/partei/theorie-und-bildung

Unter sich als Linke Verstehenden gibt es eine Reihe sehr grundsätzlicher Fehleinschätzungen.

  1. Viele der aktuellen Debatten und vor allem Aktionen rund um das Thema Faschismus haben mit der Analyse des Faschismus nicht viel gemeinsam. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf das Thema AfD, in deren Ablehnung man sich mittlerweile in einem Boot mit Unternehmern und bürgerlichen Parteien findet. Weit verbreitet ist eine unhistorische Betrachtungsweise: Nationalsozialismus und Faschismus werden gleichgesetzt. Begriffe wie rechtsoffen, rechts, rechtsextrem, nationalistisch, konservativ und rückwärtsgewandt-kleinbürgerlich werden in einen Topf geworfen.
  2. Die Frage der Bestimmung des Gegners ist gefühlsbetont moralisierend-ablehnend. Andere, rationale Kriterien werden ausgeschlossen. Es fehlt an einer klassenmäßigen Bestimmung. Folgerichtig werden andere Formen der Gewalt in der bürgerlichen Herrschaft wie etwa Überwachung relativiert beziehungsweise als notwendig erachtet.
  3. Der qualitative Unterschied von Faschismus als Bewegung und Faschismus an der Macht wird nicht beachtet. Daraus leitet sich der unselige Begriff „Faschisierung“ ab, der eine lineare Zunahme impliziert.
  4. Viele klammern sich an Erscheinungen und meinen, Faschismus zu bekämpfen, wenn sie Erscheinungen per Cancel Culture stigmatisieren – eine Konsequenz des moralisierenden Herangehens.
  5. Der Zusammenhang von Krieg und Faschismus wird nicht berücksichtigt.

Mit diesem letzten und grundlegend bedeutsamen Zusammenhang muss begonnen werden.

Sie müssen ihn wollen

Bertolt Brecht verdanken wir die Kurzfassung einer elementaren Wahrheit: „Die Kapitalisten wollen keinen Krieg. Sie müssen ihn wollen.“ Weil das Kapital bei Strafe des Untergangs dazu getrieben ist, Profit zu machen und immer mehr Profit. Stillstand gibt es nicht. Größer werden, die Konkurrenz niederringen oder sie sich einverleiben – so zitierte Karl Marx zustimmend den britischen Buchbinder und Gewerkschaftsfunktionär Thomas Dunning, der schrieb: „Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.“ Den Fortgang der Analyse lieferte uns Lenin für die Zeit, als es auf der Welt kein Fleckchen mehr gab, das sich Staaten im Dienste ihres Kapitals noch hätten unterwerfen können. Er analysierte nicht nur die ökonomischen Abläufe, Ursachen und Folgen, sondern er verdeutlichte ebenfalls die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen: „Der politische Überbau über der neuen Ökonomik, über dem monopolistischen Kapitalismus (Imperialismus ist monopolistischer Kapitalismus) ist die Wendung von der Demokratie zur politischen Reaktion. Der freien Konkurrenz entspricht die Demokratie. Dem Monopol entspricht die politische Reaktion.“ Und an anderer Stelle fasst er zusammen: „(P)olitisch ist Imperialismus überhaupt Drang nach Gewalt und Reaktion.“

Das eine gibt es nicht ohne das andere: Profite, Niederringen der Konkurrenz national und international, Macht, Einflusssphären, Rohstoffe, Absatzmärkte erfordern einen Staat, der dem Kapital die Gewaltoption sichert. Nach der Zerstörung der Sowjetunion und der DDR wurden die Karten neu gemischt. Ein riesiges Land mit allem Drumherum galt es erneut zu verteilen. Deshalb wurde die NATO nicht aufgelöst, obwohl kein „Feind“ mehr da war. Sie wurde genutzt, um sich Stück für Stück näher an die Grenzen Russlands heranzuschieben. Land für Land wurde durch sogenannte Farbenrevolutionen herumgerissen und willfährige Regierungen installiert. Im Truppenaufmarsch gen Osten werden – siehe Ukraine – ganze Länder vernichtet, die „für uns“ weitere Eroberungen vorbereiten sollen.

Tricksen, betrügen, täuschen

Brecht fährt in obiger Sentenz fort: „Die deutschen Kapitalisten haben zwei Möglichkeiten in einem Krieg: 1. Sie verraten Deutschland und liefern es an die USA aus. 2. Sie betrügen die USA und setzen sich an die Spitze.“ In zeitgemäßen Worten blubbert so etwas aus Minister Robert Habeck heraus: „Deutschland muss dienend führen.“ Bei Minister Boris Pistorius wird es mit seiner eingeforderten „Kriegstüchtigkeit“ schon weniger blumig. Nach wie vor strebt der deutsche Imperialismus danach, sich in der EU eine Führungsrolle zu sichern, um die Stärke zu erlangen, die zur Teilnahme im Klub der imperialistischen Räuber („Wertewesten“) benötigt wird.

So gilt es, die Gemeinsamkeiten der Imperialisten und die zwischen ihnen bestehenden Widersprüche zu beachten. Auf der einen Seite sind die USA mit Abstand der stärkste imperialistische Staat, dem sich auch die anderen unterwerfen müssen. Und in gewisser Weise wird ja gerade die EU von den USA geopfert. Andererseits haben die nationalen Kapitale auch Eigeninteressen. Deutschland braucht die NATO als Versicherung gegen eine Revolution bei uns. Deutschland braucht Atomwaffen, um von den USA außenpolitisch unabhängiger zu werden. Und es braucht die anderen europäischen sowie weitere Länder unter seinem Kommando, weil es alleine nicht die Ressourcen hat, um ganz oben mitspielen zu können.

Erhöhung der Ausbeutung

In seiner Analyse stieß Marx auf den „tendenziellen Fall der Profitrate“. Er erkannte darin eine wesentliche Ursache für die Jagd des Kapitals rund um den Erdball. Marx sagte: Auf Dauer und in der Tendenz gesehen wird der Profit, den die Kapitalisten eines Landes aus ihren Lohnsklaven herausschlagen, immer weniger.

Zusammenfassend bedeutet das: Der westliche Imperialismus gerät durch die Bewegungsgesetze des Kapitalismus in immer mehr und größere Widersprüche. Diese bringen ihn in große Schwierigkeiten, die der Kapitalismus zu lösen versucht. Da das Grundproblem der fallenden Profite aber nicht lösbar ist, müssen die Kapitalisten verstärkte Ausbeutung, koloniale Ausplünderung und Krieg wollen – und selbst das bleibt nur eine zeitweilige „Lösung“. Der marxistische Ökonom Eugen Varga prägte dafür den Begriff der „allgemeinen Krise des Kapitalismus“.

Gewalt nach außen

Der Kampf gegen den Fall der Profitrate erfordert also immer neue Maßnahmen – ein einfaches „Weiter so“ gibt es für das Kapital nicht. Das Ringen um verbesserte Verwertungsbedingungen, Rohstoffe, Absatzmärkte und Einflusssphären wird immer gewaltiger und gewalttätiger. Die offene Gewalt – das heißt: die aktive Kriegsführung durch Deutschland – wird zunehmend das alternativlose Mittel der Außenpolitik.

Diese ökonomischen Notwendigkeiten fürs Kapital erklären die zunehmende Aggressivität. Und Gewalt ist nicht erst, wenn Deutschland sich – wie in Jugoslawien oder Afghanistan – direkt im Angriffskrieg befindet. Gewalt war auch das Vorgehen der Troika gegen Griechenland. Gewalt sind Wirtschaftssanktionen. Gewalt sind die „Farbenrevolutionen“. Gewalt sind die „Sanierungsauflagen“ des IWF bei Krediten, die den Völkern des Globalen Südens die Luft abschnüren.

Hinsichtlich des Handelns der jeweiligen imperialistischen Länder ist wichtig zu erkennen, wo sich die Interessen des gesamten Kapitals mit den Separatinteressen des Monopolkapitals verquicken, wo Widersprüche aufbrechen innerhalb des Monopolkapitals selbst und wo solche zwischen Monopolen und nicht-monopolistischem Kapital. Ein Faktor ist hier etwa, wie einfach das Kapital seine Produktion in ein anderes Land verlagern kann oder nicht.

Politisch bedeutsam ist dabei die zunehmende „Richtlinienkompetenz“ des Staates. Die Segenssprüche des Neoliberalismus (Kein Staat! Die Wirtschaft regelt alles!) verlieren in diesem Zusammenhang ihre Heilswirkung. Es sei nebenbei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass das „Primat der Politik“ ein wichtiges – auch innenpolitisch relevantes – Element der zunehmend reaktionären und militaristischen Ausrichtung der BRD ist.

Gewalt nach innen

Karl Liebknecht analysierte: „Der Militarismus ist aber nicht nur Wehr und Waffen gegen den äußeren Feind, seiner harrt eine zweite Aufgabe, die mit der schärferen Zuspitzung der Klassengegensätze und mit dem Anwachsen des proletarischen Klassenbewusstseins immer näher in den Vordergrund rückt, die äußere Form des Militarismus und seinen inneren Charakter mehr und mehr bestimmend: die Aufgabe des Schutzes der herrschenden Gesellschaftsordnung, einer Stütze des Kapitalismus und aller Reaktion gegenüber dem Befreiungskampf der Arbeiterklasse.“

Karl Liebknecht: „Wie ein Zyklon dreht sich der Imperialismus um den Globus; der Militarismus zermalmt die Völker und saugt ihr Blut wie ein Vampir.“

Die für die Interessen des Monopolkapitals notwendige Gewalt nach außen bringt als Folge und Element der „allgemeinen Krise des Kapitalismus“ die zunehmende Verletzung der Interessen großer Teile der Bevölkerung mit sich. Die Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung wird spürbarer, nötigt zu Gegenwehr – aktuell sichtbar als Proteste von Handwerkern und Bauern. Diese Proteste der Mittelschichten darf man nicht gleichsetzen mit Protesten der Arbeiterklasse, insbesondere, weil die ideologische Grundausrichtung des Mittelstandes – des Kleinbürgertums – der Liberalismus ist. Inwieweit diese Schichten Bündnispartner der Arbeiterklasse sein können, auf welchen Gebieten und mit welcher Perspektive, ist eine komplexe Frage und muss aktuell auch betrachtet werden unter dem Aspekt der Schwäche der Kommunisten und vor allem der Schwäche der Arbeiterbewegung, die in der Blase des Sozialdemokratismus verharrt.

Gegen die zunehmenden Sorgen der Bevölkerung wegen steigender Lebenshaltungskosten werden in bewährter Sündenbockmanier Verachtung und Hass gegen Migranten und Bürgergeldbezieher geschürt. Wenn kräftig nach unten getreten wird, haben die oben nicht viel zu fürchten. In den oberen Gewerkschaftsetagen scheint mehr Angst vor der Demontage ihres SPD-Kanzlers zu herrschen als Sorge um die Nöte der Menschen. Die „Gegnerschaft“ der bürgerlichen Parteien zum Konkurrenten AfD verläuft somit nach dem Prinzip „Haltet den Dieb“.

Keine Alternative

Es ist unabdingbar, diese ökonomischen und politischen Zusammenhänge zu erkennen und damit den Gegner richtig zu bestimmen. Unser Gegner ist das Kapital, insbesondere das Monopolkapital und der ihm willfährige, zunehmend militaristische Staat. Eine Reduzierung der von der Bourgeoisie und ihrem Staat ausgehenden Gewalt auf die Bekämpfung der AfD ist falsch, weil sie dem Gegner in die Hände spielt. Da ist dann plötzlich von „Grünen“ bis „Freie Wähler“ alles in der „demokratischen Mitte“.

Wenn man die AfD wirklich bekämpfen will, dann muss man sie demaskieren als das, was sie ist: eine bürgerliche, rechtskonservative Partei mit beachtenswert vielen Faschisten in ihren Reihen und Kontakten zu offen faschistischen Netzwerken im In- und Ausland. Man muss sie charakterisieren als Partei, die wie die anderen bürgerlichen Parteien vom Kapital genutzt werden kann. Man muss ihr die Maske des Gegners des Establishments abreißen.

Eine zusammenfassende Einschätzung der AfD lieferte Ekkehard Lieberam im August 2023: „Natürlich wissen wir nicht, wie es um den Kapitalismus und die bürgerliche Demokratie etwa 2040 bestellt sein wird, auch nicht, ob das Monopolkapital dann erneut eine faschistische beziehungsweise terroristische Diktatur favorisiert. Aber wer heute von einer drohenden Abschaffung ‚der Demokratie‘ spricht, verkennt die Lage, übersieht die vorhandene Unfähigkeit vieler Linker, die bestehende bürgerliche Demokratie als vom Monopolkapital derzeit bejahte Form der Kapitalherrschaft zu erkennen und den in ihrem Rahmen stattfindenden Demokratieabbau zu kritisieren. (…) Klar aber muss sein: Unser politischer Hauptgegner sind die in der Bundesrepublik Regierenden einschließlich der CDU/CSU als Hauptpartei des Monopolkapitals. Die AfD ist nicht nur ein politischer Konkurrent, sondern auch ein potentieller Partner der CDU/CSU. (…) Ziel der AfD ist es, möglichst bald in das Kartell der von ihr so genannten ‚Altparteien‘ aufgenommen zu werden. Sollte die AfD in der Bundesrepublik an die Regierung kommen, wird sie derartige Forderungen sowieso ‚vergessen‘. Sie wird das parlamentarische Regierungssystem nicht beseitigen, es jedoch deutlich weiter nach rechts in Richtung Rassismus und Zerstörung des Asylrechts ausrichten.“

Ideologische Front

Bei den „Proud Boys“ und ihrem „Sturm auf das Kapitol“ im Januar 2021 waren etliche zu sehen in Pullovern und T-Shirts mit der Aufschrift: „God, Guns and Trump“. Das ist die Reduzierung einer komplexen Welt auf drei Wörter. Das ist der Gipfel der Verheerungen, die dieses System in den Köpfen der Menschen hervorbringen kann. Ideologisch geht es für Kapital und Regierung darum, die Beherrschten in ihr System zu integrieren, ihnen zu vermitteln, dass das bestehende System für sie das Beste ist. „Alternativlos“ nannte es die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dies gelingt natürlich bei den Mittelschichten und Selbstständigen am besten, weil auch für diese Schichten das eigene Eigentum – die unabhängige Existenz – die ökonomische Grundlage darstellt.

Wie aber steht es in der Arbeiterklasse? Dass man den in Deutschland geborenen Arbeiter gegen geflüchtete Arbeiter ausspielen kann, hat seine tiefste Ursache darin, dass im Kapitalismus auch die Arbeiter zueinander in Konkurrenz stehen. Torkil Lauesen sprach mit der Tageszeitung „junge Welt“ über das revolutionäre Potential der Arbeiterklasse im Globalen Norden: „Gegenwärtig denke ich, dass das noch gilt. Die Arbeiter hier sind zwar unzufrieden mit ihren Lebensumständen, aber die Mehrheit glaubt immer noch, dass die Lösungen für ihre Probleme innerhalb des westlich-kapitalistischen Systems liegen. Sie haben ein ‚Bauchgefühl‘, dass die NATO die beste ‚Verteidigung ihrer Werte‘ und ihres Lebensstils ist. Sie sehen den Globalen Süden eher als Bedrohung denn als potentiellen Verbündeten. Wir haben in den letzten Jahrzehnten gesehen, wie sich Rassismus und Rechtspopulismus in Europa und Nordamerika ausgebreitet haben. Man will den eigenen Wohlstand nicht teilen.“

Die Einbindung der Beherrschten in die Interessen der Herrschenden ist auch das Feld der Manipulation – und damit kommen wir der Frage, ob und wann das Kapital auf Faschismus setzt, schon näher. In der Bildungszeitung „Reaktionärer Staatsumbau“ von 2020 haben wir analysiert:

 

 

„Die auf ‚freiwillige‘ Integration zielende Herrschaftsstrategie setzt auf eine Verfälschung des Interessenbewusstseins der breiten Masse der Bevölkerung. Ihnen sollen die Ziele und Zwecke des Monopolkapitals als Inhalte des eigenen Interesses erscheinen. Und im Kapitalismus bietet die Erfahrung mit dessen widersprüchlicher Realität ständige Nahrung für ein verfälschtes Interessenbewusstsein und Anknüpfungspunkte für solche Propaganda. Doch diese Realität, die uns im Kapitalismus zu Konkurrenten macht (…), ist ja nicht widerspruchsfrei. In dieser Realität finden sich stets auch Erfahrungen, die den Beherrschten vermitteln, dass sie andere Interessen als die Herrschenden haben. (…) Alle Integrationsbemühungen der Monopole können dann nicht verhindern, dass immer wieder ein Potential von Unzufriedenheit in der Bevölkerung entsteht. Dies ist eine vom Kapitalismus nicht lösbare Grenze der Integrationsstrategien.“

 

 

Die Rechtsentwicklung setzt ein in dem Moment, wo die Integration aufhört, ausreichend wirksam zu sein; wo sich Unmut breit macht, Protestaktionen entstehen und wachsen. Dann beginnt der Prozess der Rechtsentwicklung, der Widerruf bürgerlich-demokratischer Rechte und Errungenschaften.

Faschismus als Bewegung

Faschismus als Bewegung ist gekennzeichnet durch bestimmte Funktionen für den imperialistischen Herrschaftsapparat: Aufgreifen des Unmuts; Angebote an alle und jeden gegen alle und jedes Problem; Ausloten, wie weit die Rechtsentwicklung zu treiben ist, welche Kröten die Bevölkerung bereit ist zu schlucken; Förderung von Stumpfsinn und Unmenschlichkeit; Rassenkampf; Nationalismus und Chauvinismus. Zusammenfassend: falsche Gegner präsentieren und damit das Kapital aus der Schusslinie nehmen. Diese Rolle übernimmt heute in vielen Bereichen die AfD.

Faschismus an der Macht hingegen ist „die offene terroristische Diktatur“ des Finanzkapitals (Georgi Dimi­troff): „Der Machtantritt des Faschismus ist keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern eine Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie – der bürgerlichen Demokratie – durch eine andere Form – durch die offene terroristische Diktatur. Die Ignorierung dieses Unterschiedes wäre ein ernster Fehler, der das revolutionäre Proletariat daran hindern würde, die breitesten Schichten der Werktätigen in Stadt und Land zum Kampf gegen die Gefahr einer Ergreifung der Macht durch die Faschisten zu mobilisieren sowie die Gegensätze auszunutzen, die im Lager der Bourgeoisie selbst vorhanden sind. Doch ein nicht minder ernster und gefährlicher Fehler ist die Unterschätzung der Bedeutung, die die gegenwärtig in den Ländern der bürgerlichen Demokratie sich verschärfenden reaktionären Maßnahmen für die Aufrichtung der faschistischen Diktatur haben, jene Maßnahmen, die die demokratischen Freiheiten der Werktätigen unterdrücken, die Rechte des Parlaments fälschen und beschneiden, die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die revolutionäre Bewegung verschärfen.“ Um es noch einmal zu betonen: Die von Dimitroff beschriebenen Maßnahmen wurden von den bürgerlichen Regierungen betrieben, genau wie der reaktionär-militaristische Staatsumbau heute von der Ampel-Koalition Hand in Hand mit der „Opposition“ betrieben wird. Wir müssen hier immer wieder in die Geschichte blicken: Welches Schwanken, welche Versuche von Regierung und Kapital, welche Lösungen und Notlösungen sie entwickeln, ausprobieren, verwerfen, abändern.

Faschismus an der Macht ist eine Form der Gewaltausübung des Monopolkapitals. Allerdings unterscheidet sich diese von Land zu Land: Der Mussolinifaschismus war anders als der Hitlerfaschismus. Wir müssen die Dinge konkret in ihrem Wesen untersuchen, sonst laufen wir Gefahr, uns an der Oberfläche der Erscheinungen und Personen zu verlaufen. Mit Giorgia Meloni, die sich positiv auf Benito Mussolini bezieht, an der Regierungsspitze Italiens ist das Land noch lange kein faschistisches – ihre Politik unterscheidet sich bisher nicht wesentlich von der ihrer Vorgänger. Auch in Deutschland ist eine unhistorische, sich an Erscheinungsformen klammernde Betrachtungsweise weit verbreitet. So setzt man Faschismus mit Nationalsozialismus gleich – heraus kommt dann eine substanzlose Kampagne wie „Höcke ist ein Nazi“.

Der Faschismus-Forscher Kurt Gossweiler hat analysiert, welche Vorbereitungsetappen der Hitlerfaschismus durchlaufen hat. Das Ringen des Monopolkapitals darum, wie man die Arbeiterklasse und die anderen Schichten niederhalten kann, war auch mit dem Machtantritt des Faschismus nicht beendet. In seinem Buch zur „Röhm-Affäre“ 1934 hat Gossweiler das permanente Schwanken des Kapitals und seiner Politiker zwischen Zugeständnissen und gnadenloser Härte dargestellt. Die Lage der faschistischen Diktatur war in den ersten Monaten des Jahres 1934 durch wachsende Massenunzufriedenheit gekennzeichnet und befand sich in einem Zustand der latenten Krise. „Die entscheidende Ursache für die Labilität und Schwäche des Hitlerregimes war die wachsende Massenempörung und der Aufschwung des antifaschistischen Kampfes. Die Tatsache, dass die Forderungen der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums in die gleiche Richtung, nämlich auf die Brechung der Allmacht der Banken und Monopolgewaltigen zielten, und dass hinter diesen ihrem Wesen nach revolutionären Forderungen beträchtliche Teile der bewaffneten Millionenarmee der SA standen, barg für das Monopolkapital die potentielle Gefahr in sich, dass die Bemühungen der Kommunisten, eine Vereinigung aller Volkskräfte zu einer antifaschistischen, antimonopolistischen Einheitsfront herbeizuführen, schließlich doch noch zu einem Erfolg führen könnten.“

Dimitroff analysierte am 2. August 1935 beim VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale: „Dieser wirkliche Charakter des Faschismus (als die Macht des Finanzkapitals selbst – UV) muss besonders stark unterstrichen werden, weil der Deckmantel der sozialen Demagogie dem Faschismus die Möglichkeit gegeben hat, in einer Reihe von Ländern die durch die Krise aus ihrem Geleise geworfenen Massen des Kleinbürgertums und sogar manche Teile der rückständigsten Schichten des Proletariats mitzureißen, die niemals dem Faschismus gefolgt wären, wenn sie seinen wirklichen Klassencharakter, seine wirkliche Natur begriffen hätten.“

Diesen Hinweis auf die soziale Demagogie von Faschisten sollten wir besonders ernst nehmen. Es wird rechten Kräften überlassen, sich als Vertreter sozialer Interessen aufzuspielen. Die Linken, insbesondere die im Parlament vertretene Linkspartei, haben als Opposition versagt. Andere Linke sind damit beschäftigt, sich von der DKP abzugrenzen und sich in allen möglichen Grüppchen gegenseitig zu versichern, dass sie es sein werden, die die Kommunistische Partei, die wirkliche und wahre und einzige, aufbauen werden.

Es gilt, die Kommunistische Partei zu stärken und eine Politik in die Praxis umzusetzen, deren Kernelemente sind:

  1. Der Gegner ist das Kapital, insbesondere das Monopolkapital und hier speziell die aggressivsten Teile und der ihm willfährige Staat.
  2. Kampf gegen die Militarisierung, gegen den Kriegskurs.
  3. Kampf gegen den reaktionären Staatsumbau, Verteidigung bürgerlich-demokratischer Rechte.
  4. Kampf gegen soziale Demagogie, Fremdenhass und Unmenschlichkeit – wo immer sie auftreten, nicht nur bei Faschisten.
  5. Gegen das Treten nach unten und Buckeln nach oben – Klassenbewusstsein!
  6. Letztliche Lösung ist die Stellung der Systemfrage

(1) Lenin: Über eine Karikatur auf den Marxismus, LW 23, Seite 34
(2) Ders.: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, LW 22, Seite 273
(3) Ein Exkurs zum Thema „Tendenzieller Fall der Profitrate“ ist unter dkp.de/partei/theorie-und-bildung zu finden.
(4) Karl Liebknecht: Militarismus und Antimilitarismus, 1907, Seite 15
(5) Ekkehard Lieberam: 100 Jahre Faschismusdebatte, 2023, Seite 16 f.
(6) Georgi Dimitroff: Arbeiterklasse gegen Faschismus, 1973, Seite 8
(7) Kurt Gossweiler: Der Putsch, der keiner war, 2009, Seite 77

 

Weiterführende Literatur:
Ekkehard Lieberam: 100 Jahre Faschismusdebatte, Pad-Verlag, Bergkamen, 2023
Georgi Dimitroff: Arbeiterklasse gegen Faschismus, zu finden bei ­marxists.org
Jürgen Wagner: Rüstung durch Sozialabbau, imi-online.de
Weitere Links unter dkp.de/partei/theorie-und-bildung

Quelle: Unsere Zeit

AntifaUZ - Unsere Zeit