30. November 2024

Grußwort des Bundesvorstandes zur Roten Hilfe Gala in Hamburg am 10. Februar 2024

Liebe Genosssinnen und Genossen

wir begrüßen euch herzlich zur großen Festgala, hier im Millerntor Stadion.

Wir wollen als Bundesvorstand kurz und knapp einige Worte sagen.

In diesem Jahr feiern wir 100 Jahre Rote Hilfe

und wir sind hoch erfreut wie viele geladene Gäste es zu uns geschafft haben und heute mit uns den Auftakt in das Jubiläumsjahr feiern möchten.

Ganz besonders herzlich begrüßen wir unsere Gäste, die sich bereit erklärt haben, Vorträge aber auch musikalische Beiträge zum Programm beizusteuern.

Und wir bedanken uns bei der Ortsgruppe Hamburg, die diese Veranstaltung auf die Beine gestellt hat.

100 Jahre Rote Hilfe sind nicht mal eben so in Worte zu fassen. Was 1924 als Rote Hilfe Deutschlands begann, hatte bereits zuvor als Rote-Hilfe-Komitees bestanden und nahm auch in der Folgezeit viele Formen und Gestalten an.

 

Allein in den Jahren 1924 bis 1929 leistete die Rote Hilfe Unterstützung in einem finanziellen Umfang von ungefähr 4 Mio. Reichsmark. Dies erfolgte für Inhaftierte und politisch Verfolgte sowie deren Familien.

Ende 1932 waren es 9.000 politische Häftlinge sowie 20.000 Familienangehörige und 50.000 Linke mit Ermittlungsverfahren und Prozessen, denen durch die Rote Hilfe geholfen werden konnte.

Zu dieser Zeit hatte die Rote Hilfe insgesamt 375.000 Einzel- und mehr als 600.000 Kollektivmitglieder. Der Großteil der Mitgliedschaft war parteilos.

Die Rote Hilfe Deutschlands beschäftigte hauptamtlich 60 bis 80 Personen. Im Zeitraum des Bestehens der Roten Hilfe Deutschlands arbeiteten etwa 330 Anwält*innen fallbezogen für die Rote Hilfe.

Keine Angst, ich höre schon auf mit den ganzen Zahlen. Das alles lässt sich ganz einfach nachlesen.

Auch die Tatsache, dass 60 Prozent der Anwält*innen, die damals für die RH tätig gewesen sind, Jüd*innen waren.

Im Zuge der Reichstagsbrandverordnung 1933 wurde die Rote Hilfe Deutschlands verboten.

Das Ausmaß der Verfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus führte für viele Rote Helferinnen und Helfer zum Tode. Es wäre anmaßend all das Leid und auch die Gefahren der Arbeit in der Illegalität hier in wenige schnelle Worte fassen zu wollen.

Auch zu der Diversität der Neugründungen von politischen Solidaritätsstrukturen in der Folgezeit fehlt uns hier die Redezeit und wir legen euch sehr die Ausstellung zur Geschichte der Roten Hilfe ans Herz, die hier vor Ort bewundert werden kann.

Auf das wohl entscheidende und verbindende Element der zehn Jahrzehnte möchten wir aber doch noch mit einigen Worten eingehen.

Das Prinzip der Solidarität zieht sich wie ein rotes Band durch diese Geschichte von 100 Jahren.

Der Grundsatz sich nicht entzweien zu lassen – nicht durch den Druck staatlicher Macht, aber auch nicht durch linke Grabenkämpfe – dieser Grundsatz verdient einen kurzen Blick und die Würdigung hier und heute durch uns.

Es ist nicht selbstverständlich, dass wir noch heute etwas mit diesem Begriff der Solidarität anfangen können. Viele der politischen Auseinandersetzungen sind gänzlich anders geworden. Beziehungsweise haben sie sich über die Zeit immer wieder verändert.

So wie es große linke Massenorganisationen gab, gab es ihre Verbote. So gab es Kleingruppen, thematisch unterschiedliche Ausrichtungen, unterschiedliche Mittel im Kampf. Es gab Bewegungen im Kleinen und über Ländergrenzen hinweg.

Was linke Ideen betrifft, waren diese in Deutschland nie sonderlich gern gesehen. Das wusste die KPD in den 20er Jahren, genauso wie es die Gegner*innen der Wiederbewaffnung, revolutionäre Studierende, Atomkraftgegner*innen und Antifaschist*innen wussten und wissen. Spätestens, wenn es ihnen an den Kragen ging. Das Überziehen des politischen Gegners mit Repression ist noch immer das Mittel der Wahl, um unliebsame Veränderungen an den herrschenden Verhältnissen zu unterbinden.

Wir können immer noch etwas mit dem Begriff Solidarität anfangen, weil das Gefühl der Hilflosigkeit – welches das Gewaltmonopol des Staates zuweilen auslöst – noch immer das gleiche ist. Irgendwann trifft es immer eine von uns, aber gemeint sind alle anderen mit, die auch für eine politische Veränderung eintreten, einer linken Idee folgen, sich organisieren und politisch aktiv werden.

Und wenn es dann brennt, dann ist es ein elementares Gefühl zu wissen, dass man nicht allein ist. Dass andere auch auf der Straße sind und einen nicht liegen lassen. Dass es eine warme Tasse Kaffee nach der Zeit in der Zelle gibt und dass es Möglichkeiten gibt, sich im Strafverfahren zu wehren, auch wenn einem kein reiches Elternhaus mitgegeben ist. Es braucht Beistand, es braucht Beratung und es braucht Geld.

Das war schon früher so und ist es auch heute noch. Nur die Art und Weise der Solipartys dürfte sich über die Jahrzehnte deutlich gewandelt haben ;-D

Solidarität – das ist die nicht ausbleibende Hilfe, das Sich-auf-einander-Beziehen und für Geschlossenheit und Nähe sorgen. Das aktuelle Symbol der Roten Hilfe zeigt diese Nähe deutlich – es sind die miteinander verschränkten Arme.

Man kann diese Arme in vielen verschiedenen Varianten darstellen. Wir haben uns schon oft an ihnen abgearbeitet. Haben die Farben getauscht oder Slogans hinzugefügt. Aber nie wären wir auf die Idee gekommen, die Verschränkung der Arme zu lockern.

Die Rote Hilfe organisiert seit je her Schutz und Solidarität. Sie entscheidet nicht wie politische Kämpfe stattfinden und auch nicht, wer die Beteiligten sind oder nicht sind. Die Strömungen in der Linken sind zahlreich, die Aktionsformen vielseitig und die Positionen nicht selten konträr.

Doch die großen Fragen der politischen Strategie und das Austragen der Widersprüche sollten nicht die Sache der Antirepressionsarbeit sein. Eine Solidarität, die auch bei Widersprüchen innerhalb der Linken nicht zerbricht, ist nur möglich, wenn sie immer wieder ihre verbindenden Elemente sucht, den gemeinsamen Nenner. Wenn sie weiß, wann es Zeit ist die Arme zu verschränken, anstatt zu streiten.

Sie würde die Zeit sonst nicht überdauern und könnte das Versprechen der Hilfe für alle linken Aktivist*innen, wenn es ernst wird, nicht einlösen.

Das ist besonders wichtig in polarisierten Zeiten mit politischen Umbrüchen. Wenn politische Ereignisse eintreten, die nicht vorhersehbar waren und die neue Bewegungen, Akteur*innen und Aktionsformen hervorbringen, die ihrerseits von der Klassenjustiz angegriffen werden. Entscheidend für unsere Unterstützung muss die linke Weltanschauung, der gemeinsame Kampf um eine solidarische Gesellschaft für alle Menschen sein. Das ist ein wichtiges Prinzip, denn sonst könnte Solidaritätsarbeit nicht wachsen, den politischen Blick erweitern und ihre Akteur*innen vermehren.

Wir alle ringen um diese strömungsübergreifende Solidarität immer wieder, nicht immer erfolgreich. Aber täten wir es nicht, gäbe es am Ende auf jeden Fall nur weniger Solidarität und nicht mehr.

In politischen Auseinandersetzungen kommt es seit je her auf die Mitstreiter*innen an und damit auf die Kraft, die diese freisetzen können. Gesellschaftlichen Druck für Veränderung trägt niemand allein auf die Straße, in den Wald oder vor die Gefängnistore.

Das Eintreten für die Ziele der Arbeiter*innenbewegung, die internationale Solidarität, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische und gewerkschaftliche Kampf sowie der Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg ist unser Zweck.

All das funktioniert nicht ohne Verbündete, denn das Gegenüber hat – um es mit Brecht zu sagen – „ein unbezwingbares Äußeres angenommen.“

Als unsere Verbündeten möchten wir stellvertretend das Hans Litten Archiv und Azadi e.V. nennen, mit denen wir seit inzwischen Jahrzehnten eng zusammenarbeiten. Vielen Dank für eure gute Arbeit!

Heute hat die Rote Hilfe viele Verbündete. Es ist oft erstaunlich und beeindruckend zu erleben, in wie vielen Bereichen und an wie vielen Ecken sozialer Bewegungen unser Verein unterstützt wird.

Wir möchten uns an dieser Stelle dafür bedanken. Das ist der Ausdruck strömungsübergreifender linker Solidarität, der unsere Arbeit möglich macht.

Ohne eine Verbindung von Aktivist*innen zueinander ist es nicht möglich, ausreichend wirksam zu sein. Der Schutz dieser Verbindung zwischen Menschen ist das Ziel der Arbeit unserer Solidaritätsorganisation. Deswegen geht es uns um Inhaftierte, um Personen, denen Haft droht, um Menschen, die polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen ausgesetzt sind oder denen der Prozess gemacht wird und ihre jeweiligen Soli-Strukturen. Ziel der Roten Hilfe ist es, dass die Verbindung zueinander eben nicht abreißt.

Die Rote Hilfe ist keine caritative Einrichtung, erklärte schon Clara Zetkin. Sie ist Teil der gesellschaftlichen Kämpfe. Und so gerät auch Solidaritätsarbeit immer wieder ins staatliche Visier.

Aber wir wissen uns zu wehren und nehmen das nicht hin. Die Rote Hilfe ist Teil der Bewegung gegen den Rechtsruck und die damit einhergehenden Gesetzesverschärfungen. Wir sind ein gesellschaftlicher Faktor und müssen uns nicht verstecken. Im Gegenteil: Unser Verein wächst und so können wir gemeinsam unseren Kampf verstärken!

Liebe Genoss*innen,

aber es ist richtig: Zeiten, in denen schon die Solidarität kriminalisiert wird, sind immer finstere Zeiten.

Bei jeder links denkenden Person sollten sämtliche Alarmglocken angehen, wenn das Helfen plötzlich strafbewehrt ist. Aktuell passiert das zum Beispiel für Aktivist*innen im Bereich Antirassismus, wenn es um Hilfe für Geflüchtete geht, sei es durch Versorgung mit Wasser, in Seenot oder bei Abschiebungen. Es passiert in Strafverfahren, wenn das Aufhelfen von der Straße als Gefangenenbefreiung verfolgt wird, und wenn Protestierende zu Kriminellen abgestempelt werden, weil sie Kohleabbau verhindern wollen.

All diesen Entwicklungen muss in allen politischen Belangen eine unsere aktive Solidarität entgegengesetzt werden.

Lasst uns heute zusammen fordern und dafür kämpfen:

– Nieder mit dem Rondenbarg-Verfahren!

– Nieder mit dem Antifa-Ost-Verfahren! Wir sind alle Antifa!

– Freiheit für Kenan Ayaz und Schluss mit der Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung! Weg mit dem PKK-Verbot!

– Freiheit für Özgül Emre, Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik! Nieder mit dem Kommunisten-Prozess in Düsseldorf!

– Weg mit den Paragrafen 129, 129a und 129b!

– Solidarität war, ist und bleibt unsere stärkste Waffe!

Heute wird gefeiert, morgen nehmen wir den Kampf wieder auf.

100 Jahre Rote Hilfe – das ist ein Grund zu feiern!

Lasst uns gemeinsam einen unvergesslichen Abend haben.

Quelle: Rote Hilfe e.V.

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