Elena Ellmeier: Wär ich nicht arm, wärst du keine Bank?
»Die fetten Gewinne im Bankensektor sind kein Naturgesetz. Höchste Zeit, dass auch in Österreich die Politik aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und sich das Geld dort holt, wo es in Strömen fließt.« Die Ökonomin Elena Ellmaier, Mitglied des Ökonomie-Arbeitskreises der KPÖ im Interview.
Die Teuerung rückt thematisch gegenüber den Kriegen und anderen politischen Themen langsam in den Hintergrund. Wie schätzt du die Lage ein?
Die Bilanz von 2 Jahren Teuerungskrise in Österreich ist ernüchternd. Für viele Menschen hat spätestens die Inflation eine Zeit unleistbarer Mieten, Lebensmittel und Heizkosten eingeläutet. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass Österreich noch immer eine deutlich höhere Inflation hat als andere vergleichbare europäische Länder. Und diese Teuerungen finden vor allem in den Bereichen statt, die die arbeitenden Menschen am härtesten treffen, bei den Gütern des alltäglichen Bedarfs.
Die KPÖ beruft sich oft auf das berühmte Brecht-Zitat: “Wär ich nicht arm wärst du nicht reich”. Wer sind denn die Gewinner der Teuerung?
Die letzten Gewinner sind sicher die Banken. Für die Banken hat sich die Krise als regelrechter Lottogewinn herausgestellt. Allein im ersten Halbjahr 2023 verbuchten Banken einen Gewinn von 7,3 Milliarden Euro – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr! Das dritte Quartal von 2023 eingerechnet machen die Banken 6,5 Milliarden mehr Gewinn als im Jahr davor. Auch hier liegt Österreich deutlich höher als andere Länder in Europa. Relativ zu Bevölkerungsgröße und Wirtschaftsleistung sind die Bankengewinne in Österreich deutlich mehr gestiegen als beim absoluten Spitzenreiter Deutschland.
Wieso können Banken so stark von der Teuerung profitieren?
Das hängt eng mit der Zinspolitik der EZB zusammen: Als Antwort auf die Inflation wurden die Leitzinsen im Zeitraum 2022 bis Ende 2023 ganze 10 mal – von 0% auf 4,5%- erhöht. Die Banken sind die eindeutigen Profiteure dieser Zinspolitik: Bei den Kredit- und Überziehungszinsen haben sie kräftig angeschraubt, während die Zinsen auf Einlagen weiterhin mager ausfallen.
Wieso ist die EZB so vorgegangen? Welche Auswirkungen hat das für unser Leben?
Das Ziel dabei liegt auf der Hand: Die Wirtschaft abwürgen und die Nachfrage senken. Bei so hohen Zinsen sind Kredite für viele schließlich unrentabel – oder unleistbar. Für breite Teile der Bevölkerung in Österreich ging das mit dem endgültigen Platzen des Traums eines Eigenheimes einher. Damit ist auch die Nachfrage im Wohn – und Bausektor stark gefallen, weshalb die Regierung Milliarden an Steuergeld für diese Branchen bereithält.
Zurück zu den Banken: Du hast die Zinsschere von Krediten und Einlagen angesprochen…
Die Bank Austria hat dieses Spiel an die Spitze getrieben und war sogar mit Klagen konfrontiert: Bei der Kontoüberziehung fielen 12,5% Zinsen an, während Kund:innen für ihr Geld am Konto von der Bank sagenhafte 0,0% erhielten. Dieses extreme Beispiel verdeutlicht die simplen, aber üblen Tricks, die sich Banken zunutze machen konnten.
Ist die Bank Austria diesbezüglich ein Einzelfall?
Ähnliches zeichnet sich im gesamten Bankensektor ab: Im Jahr 2023 waren im Schnitt rund 6% auf Überziehungskredite zu zahlen, rund 3% auf Wohnkredite. Bei den Einlagezinsen verhält es sich mit den Zinsen aber anders – nicht mal 1% springt für das Geld am Konto raus.
Aber nicht alle müssen bei ihren Geldeinlagen dermaßen durch die Finger schauen. Banken sind auch hier wieder klar im Vorteil. Sie legen Geld bei der EZB ein, welches dort verzinst wird – aber ordentlich. Aktuell liegt der Zinssatz bei 4% und ist damit seit 2022 deutlich angehoben worden.
Also Geld wird teuer verliehen, hinterlegtes Geld wird kaum verzinst und die Banken hinterlegen Geld bei der Zentralbank für höhere Zinsen, als sie uns für unser Geld geben?
Die Absurdität dieser Situation ist kaum zu überbieten. Banken lassen Kund:innen bei den Kreditzinsen deutlich draufzahlen, gewähren ihnen aber nur mickrige Zinsen auf ihr Erspartes. Genau jenes Geld ihrer Kund:innen verwenden Banken dann wiederum, um es bei der EZB einzulegen, wo sie durch die gestiegenen Zinsen fett abkassieren. Wen wundert’s also, dass die Kassen klingeln. Die fetten Gewinne im Bankensektor sind jedoch kein Naturgesetz.
Was könnte die Regierung dafür tun, dass diese Gewinne nicht wieder bei den Reichsten landen?
Die Politik hätte viele Möglichkeiten, dieser himmelschreienden Ungleichheit entgegenzuwirken. Eine Abschöpfung der Übergewinne oder eine Regulierung der Zinsschere sind zwei effektive Maßnahmen, die sich leicht umsetzen ließen. Frankreich beispielsweise bereits eine Mindestverzinsung für Geringverdiener:innen eingeführt und greift damit gerade jenen, die es sich nicht richten können, unter die Arme – und Emanuel Macron war selbst früher Investmentbanker und ist bestimmt kein Sozialist.
Es wird höchste Zeit, dass auch in Österreich die Politik aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und sich das Geld dort holt, wo es in Strömen fließt.