Kriegsgegner im Aufwind
Für die Friedensbewegung in ganz Europa ist es eine gute Nachricht, daß George Galloway im nordwestenglischen Rochdale bei Manchester die Nachwahl zum britischen Parlament gewonnen hat. Während der Kriegsgegner auf rund 40 Prozent der Stimmen kam, entfielen auf die Kandidaten der drei Systemparteien – Konservative, Sozial- und Liberaldemokraten – zusammen nur 27 Prozent.
Galloway, der vor zwei Jahrzehnten wegen seiner konsequenten Haltung gegen den vom damaligen britischen »New Labour«-Premier Tony Blair mitgetragenen Irakkrieg der USA aus Labour ausgeschlossen wurde, richtete sich in seiner Siegesrede am Freitagmorgen direkt an den wegen seiner proisraelischen Haltung im Gazakrieg kritisierten Parteipräsidenten der Sozialdemokraten:
»Keir Starmer, das ist für Gaza! Sie haben einen hohen Preis für die Rolle gezahlt, die Sie bei der Ermöglichung, Ermutigung und Deckung der Katastrophe gespielt haben, die sich derzeit im besetzten Palästina im Gazastreifen abspielt, und Sie werden ihn auch weiter zahlen!«
Tatsächlich profitierte Galloway offenbar vom heftig geführten Streit in Labour über die jüngste Eskalation des Nahostkonflikts. Da Starmer den israelischen Krieg gegen Gaza lange Zeit uneingeschränkt unterstützte, verlor Labour durch damit begründete Austritte die Mehrheit in vielen Stadträten, z.B. in Oxford und Leicester. Seit dem 7. Oktober sollen Umfragen zufolge drei von vier muslimischen Wählern der Sozialdemokraten Labour den Rücken gekehrt haben.
Mit dem deutlichen Wahlsieg in Rochdale, wo mehr als vier von zehn Kindern in Armut aufwachsen und fast vier von zehn Wahlberechtigten als muslimisch geführt werden, zieht Galloways erst vor wenigen Jahren gegründete Workers Party of Britain zum ersten Mal ins Londoner Unterhaus ein. Im Wahlkampf hatte die Arbeiterpartei Britanniens ganz auf das Thema Palästina gesetzt und ihren Kandidaten auf Plakaten vor der Flagge Palästinas gezeigt.
Auch für die Haltung des nach wie vor von den konservativen Tories gestellten Premiers hat der wortgewaltige Kriegsgegner nichts übrig: »Keir Starmer und Rishi Sunak sind zwei Backen desselben Arschs, und beide haben heute Abend eine ordentliche Tracht Prügel bezogen«. Und Galloway hat noch viel vor: »Überall im Land werden sich nun Kandidaten der Workers Party gegen Labour stellen.«
Schon am letzten Februarwochenende hatte George Galloway auf der von ihm mitorganisierten, gutbesuchten Konferenz »No 2 NATO, No 2 War« (Nein zur NATO, Nein zum Krieg) in London angelehnt an Karl Liebknechts berühmtes Flugblatt vom Mai 1915 erklärt: »Unser wirklicher Feind steht hier bei uns zu Hause«.
Auch Liebknechts Antiimperialismus scheint beim ehemaligen Präsidenten der schottischen Labour Party (ab 1981) auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Der Westen, auch das betonte er auf der Londoner Friedenskonferenz, befinde sich im Niedergang, die »globale Dominanz von gerademal 13 Prozent der Weltbevölkerung« schwinde: »Die Ära, in der der Klub der Kolonialisten die Welt dominierte, geht zu Ende.«
Bleibt zu hoffen, daß der neue Unterhausdeputierte es weiterhin schafft, der Stimme des Friedens in Europa Gehör zu verschaffen.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek