25. Dezember 2024

Vor 105 Jahren: „Die erste Tagung des revolutionären Proletariats zur Organisierung der Tat“

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

In dieser Woche vollzog sich vor 105 Jahren unter Anleitung Lenins und der Bolschewiki die Gründung der Kommunistischen Internationale, dem historisch ersten internationalen Zusammenschluss Kommunistischer Parteien. Die III. Internationale übernahm daraufhin eine zusammenführende Funktion des Informationsaustauschs, der praktischen und programmatischen Vereinheitlichung im globalen Maßstab. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass es der österreichische Vertreter war, der die Gründung der Komintern einläutete.  

Moskau/Wien. Allein durch ihre Existenz übte die Sowjetunion seit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution im Jahr 1917 einen mächtigen revolutionierenden Einfluss auf die internationale Arbeiterklasse aus. In dieser Situation gewann die marxistische Verallgemeinerung der Erfahrungen der Oktoberrevolution und deren Übernahme durch die revolutionären Arbeiterinnen und Arbeiter an Bedeutung für die Stärkung der internationalen revolutionären Bewegung. Diese Aufgabe wurde umso dringlicher, da die herrschenden Klassen und ihre sozialdemokratischen Verbündeten alle möglichen Mittel einsetzten, um zu verhindern, dass sich Ereignisse in ihren Ländern nach dem Vorbild Russlands wiederholten. Gewalt, Täuschung, Drohungen und Versprechungen wurden genutzt, um die zunehmende Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu unterdrücken, aber auch, um die gerade erst entstandene Sowjetunion nach allen Regeln der Kunst zu diffamieren. Auf der Tagesordnung stand also die Bildung revolutionärer Parteien neuen Typs und ihr Zusammenschluss in einer tatsächlich revolutionär ausgerichteten Internationale – nicht etwa aus dem Bauch heraus, sondern als historischgewordene Notwendigkeit nach dem Zusammenbruch der II. Internationale.

Die III. Internationale wurde bekanntlich erst im Jahr 1919 gegründet, auch wenn es gleich nach der Errichtung der Sowjetmacht, bereits im Jänner 1918, erste regelrechte Gespräche zur Vorbereitung mit Vertreterinnen und Vertretern sozialistischer Parteien anderer Länder gegeben hatte. Das Problem der Schaffung einer neuen Internationale wurde indes schon gleich zu Beginn des ersten Weltkriegs, sofort nach dem Zusammenbruch der II. Internationale, von Lenin und den Bolschewiki aufgeworfen. Zu Beginn des Jahres 1919 gab es eine Beratung von ausländischen Gruppen, die daraufhin 39 kommunistische und linkssozialistische Organisationen durch einen schriftlichen Aufruf zur Gründung der III. Internationale mobilisierten.

Lenin unterscheidet bei der Gründung der Komintern zwischen „faktisch“ 1918 und „formal“ im März 1919 und versteht sie als Ergebnis eines Prozesses:

„Die III. Internationale entstand faktisch im Jahre 1918, als der langjährige Prozeß des Kampfes gegen Opportunismus und Sozialchauvinismus, besonders während des Krieges, in einer Reihe von Nationen zur Bildung von kommunistischen Parteien geführt hatte. Offiziell ist die III. Internationale auf ihrem ersten Kongreß, im März 1919 in Moskau, gegründet worden.“

Am I. Weltkongress, der vom 2. bis 6. März 1919 in Moskau stattfand, nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus 29 Ländern teil, insgesamt waren es 51 Delegierte – darunter auch ein gewisser Peter Konradevič Gruber, den wir unter seinem richtigen Namen besser kennen.

Eine siebzehntägige Reise

Es mag überraschen, jedoch spielte auch die kleine und ideologisch noch nicht ganz gefestigte KPDÖ eine überaus bedeutende Rolle bei der Gründung der Kommunistischen Internationale. Karl Steinhardt, Mitbegründer der KPDÖ, wurde von der österreichischen Seite zu den Gründungsgesprächen entsandt. Er reiste in völliger Illegalität von Wien nach Prag und von dort aus, mit mehreren Zwischenstopps über Kiew, durch feindliches Gebiet nach Moskau. Denn die Sowjetunion befand sich gerade im Abwehrkampf gegen die polnische Armee. Diese wurde vom ehemaligen sozialdemokratischen Redakteur, späteren österreichischen Oberleutnant und damaligen Präsidenten Polens, Józef Piłsudski, angegriffen, während in der Ukraine zur gleichen Zeit Symon Petljura seine Mordkommandos gegen Russland hetzte. Der damalige sozialdemokratische Staatssekretär für das Äußere, niemand anderer als Otto Bauer, lehnte es ab, Steinhardt ein österreichisches Visum für Russland zu erteilen. Er musste also illegal einreisen und dabei nutzte er den Decknamen Peter Konradevič Gruber.

Steinhardt trug die handgeschriebene Einladung Lenins mit sich: Diese war aus Sicherheitsgründen in seinem Hosenbund eingenäht. „Siebzehn Tage sind wir von Wien nach Moskau unterwegs,“ erzählte Steinhardt den anwesenden Delegierten. „Wie Handwerksburschen sind wir die ganze Strecke gereist. Auf Tendern, auf Lokomotiven, auf Puffern, in Viehwagen, zu Fuß durch die Linien der ukrainischen und polnischen Räuberbanden, unter steter Lebensgefahr – immer mit dem sehnsüchtigen Gedanken: nach Moskau wollen wir, nach Moskau müssen wir, und nichts darf uns abhalten, dorthin zu gelangen!“

KPDÖ läutet die Komintern ein

Nach der beschwerlichen Reise über mehrere Grenzen hinweg muss Steinhardt auf die Delegierten einen bedauernswerten Eindruck gemacht haben. Trotzdem wurde er von Lenin und allen anderen Delegierten, die ihn bereits für tot gehalten hatten, herzlich begrüßt. Unrasiert, schmutzig und mit zerrissenen Kleidern hielt er im Kreml eine Begrüßungsrede:

„Werte Genossen! Wir Delegierte aus Deutsch-Österreich finden keine Worte, um die Gefühle auszudrücken, die uns heute in Eurer Mitte beseelen. Wir sind unter ungeheuren Schwierigkeiten nach siebzehntägiger Reise vor einer Stunde hier angekommen und überbringen Euch die Grüße und die heißesten Glückwünsche unserer revolutionären Genossen aus Deutsch-Österreich. Euch alle sollen wir begrüßen, vor allem aber, Genossen, müssen wir unseren russischen Genossen danken, denn sie haben durch die große Revolution vor mehr als einem Jahr den revolutionären Kräften in Österreich mächtigen Antrieb gegeben. Nur ihnen ist es zu verdanken, dass wir heute eine jugendstarke kommunistische Partei in Deutsch-Österreich haben. Und die Geschichte wird den russischen Genossen ein dauerndes Denkmal setzen, da sie der Weltrevolution zum Durchbruch verholfen haben.“

In seiner längeren Rede, die hier zur Gänze nachgelesen werden kann, ließ Steinhardt auch die Gründung der KPDÖ Revue passieren und die noch sehr aktuelle verräterische Rolle der Sozialdemokratie im Zuge des Jännerstreiks:

„Eine ungeheure Verschlechterung der Lebenslage trat ein. Sie führte im Januar 1918 zu einer sehr starken Bewegung, die von den Industriezentren im Süden von Wien ihren Ausgang nahm und deren Wellen in einigen Stunden den Weg nach Wien fanden. Die Räder standen still. Die Vertreter der sozialverräterischen Partei im Parlament waren sprachlos. Das Proletariat wollte weder mit den Führern der Gewerkschaften noch der sozialdemokratischen Partei etwas gemein haben.

Nachdem die Bewegung einige Tage gedauert hatte, nachdem sie übergriff auf alle Industriegebiete, rafften sich sowohl die Gewerkschaftsführer wie auch die Parteibonzen auf und suchten die Bewegung in andere Bahnen zu lenken, Das führte denn auch zum Versanden der ganzen Bewegung. Die Herren Seitz, Renner, Leuthner von der Sozialdemokratie, Tomschik, Domes und andere von den Gewerkschaften stellten sich an die Spitze und versprachen, die Interessen der Arbeiterschaft zu vertreten. Sie behaupteten aber, Österreich hätte nicht das Recht, aus der Reihe der kriegführenden Länder auszuscheiden, denn das bedeute den Zusammenbruch der wirtschaftlichen Existenz seines Proletariats. Die Arbeiterschaft ließ sich wiederum von ihren politischen und gewerkschaftlichen Vertretern betören. Diese stellten sich zwischen die Regierung und die Arbeiterschaft. Sie formulierten einige radikal scheinende Forderungen, bekamen von der Regierung die verabredete Erklärung, und die Arbeiterschaft ging nach kaum einer Woche des Stillstandes der Maschinen wieder an ihre Arbeit.“

Umwandlung einer Konferenz zum Ersten Kongress der III. Internationale

Auf Beschluss der KPDÖ überreichte Steinhardt dem Präsidium den Antrag zur Gründung der III. Internationale. Dieser wurde jedoch am ersten Tag der Konferenz vom deutschen Delegierten Hugo Eberlein abgelehnt. Eberlein argumentierte, dass die Komintern erst dann gegründet werden dürfe, wenn sie über ausreichend Kader und Akzeptanz in der arbeitenden Bevölkerung verfüge.

Nach der Sitzung wurde Steinhardt ein Dolmetscher zugewiesen und Angelica Balabanova, die spätere Sekretärin der Komintern und zeitweise enge Vertraute von Lenin, kümmerte sich um sein Wohlbefinden. Nach seinem ersten Bad und dem ersten ordentlichen Abendessen nach so langer Zeit, ging es aber auch wieder an die Arbeit. Zu einem nach langem wieder ruhigem Schlaf sollte Steinhardt aber nicht kommen:

„Nach dem Nachtmahl hatten drei Menschen, Lenin, Eberlein und ich, eine ziemlich schwere Arbeit zu bewältigen. Es sollte noch die Resolution des Gründungskongresses, die in der nächsten Vormittagssitzung auf die Tagesordnung gesetzt werden sollte, um diskutiert und beschlossen zu werden, durchgearbeitet werden. Um zehn Uhr am Abend begannen wir diese Arbeit, um sie um halb sechs Uhr in der Früh zu beenden. In diesen Stunden lernte ich Lenin als unermüdlichen und ungemein gewissenhaften Arbeiter kennen. Satz um Satz, Gedanke um Gedanke wurden unter die Lupe genommen, bis zur letzten Konsequenz durchgeknetet und in stilistisch einwandfreiem Deutsch ausgearbeitet. Lenin ließ keine Unklarheit zu. Er erlaubte kein Ausweichen, kein Übergehen, keine leeren Phrasen, um etwa eine schwache Stelle zu überdecken. Jede Stunde wurde die Stenotypistin abgelöst. Immer wieder wurde das Konzept verbessert und umgeschrieben. Wir spazierten, um nicht zu ermüden, im Zimmer auf und ab, Tee trinkend. Ab und zu unterbrachen wir die Beratungen und sprachen über neutrale Gegenstände. Lenin war unverwüstlich. Mitten in der ernsten Arbeit konnte er einen Scherz anbringen, sodass wir in herzliches Lachen ausbrechen mussten. Diese kleinen Unterbrechungen waren uns wie eine Erholungs- und Erfrischungspause. Im Laufe der Diskussion kam es vor, dass Lenin hartnäckig an einer Redewendung festhielt, die Eberlein und ich nicht für richtig hielten. Wir glaubten, da wir doch die deutsche Sprache als unsere Muttersprache beherrschten, müssten wir in der Formulierung den Vorzug haben. Aber Lenin ließ sich nicht immer von unserem besseren Deutsch überzeugen. Und wirklich hatte er in manchen Fällen die präzisere Bezeichnung getroffen. Nach Schluss der Arbeit riet Lenin uns, nicht ins Bett zu gehen, sondern ein Bad zu nehmen, zu frühstücken und ein wenig an die Luft zu gehen.“   

Bezüglich Lenins (sehr gutem) Sprachverständnis muss man vielleicht im Hinterkopf behalten, dass er bekanntlich viel Zeit damit verbracht hat, Hegel im Original zu lesen und das eventuell auch sein Sprachgefühl beeinflusst haben könnte. Vor Beginn der Sitzung am folgenden Tag, dem 4. März 1919, suchte er jedenfalls noch einmal Steinhardt auf. Steinhardt erinnert sich in seinen Memoiren daran:

„Vor Beginn der Vormittagssitzung am 4. März ersuchte mich Lenin um eine Unterredung. Er empfing mich in seinem Arbeitszimmer, das ich später noch oft betreten sollte. Bei meiner Ankunft hatte ich dem Präsidium der Konferenz den Beschluss unseres Parteitages zur Gründung der Dritten Internationale übergeben. Lenin informierte mich, dass der gleiche Beschluss in der ersten Sitzung der Konferenz auf der Tagesordnung stand. Der Antrag der russischen Delegation wurde aber durch den Einspruch des deutschen Delegierten, Eberlein, abgelehnt. Eberlein habe erklärt, er könne für den Antrag nicht stimmen, da er von seiner Partei keinen offiziellen Antrag hierfür mitbekommen habe. Er hatte beantragt, die Frage der Gründung der Dritten Internationale bei einer nächsten Konferenz auf die Tagesordnung zu stellen. Lenin teilte mir seine Absicht mit, bei Beginn der Vormittagssitzung den österreichischen Antrag zur Besprechung zu bringen. Er werde die Aufnahme der Debatte über meinen Antrag damit begründen, dass eine wichtige Delegation nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig auf der Konferenz zu erscheinen. Dieser Delegierte habe einen eigenen Antrag als Beschluss des Parteitages der Kommunistischen Partei Österreichs dem Präsidium überreicht. Deshalb wäre er der Ansicht, dass der Antrag des österreichischen Delegierten begründet und besprochen werden müsse. Ich hatte inzwischen den dahingehenden Antrag verfasst gehabt. Er wurde unterschrieben von Lenin, Grimlund (Schweden), Rakowski (Ukraine) und mir. Die Konferenz schloss sich dem Vorschlage Lenins an.“

Gemeinsam erarbeiteten sie einen neuen Antrag zur Gründung der Komintern, der von drei weiteren Parteien mitunterzeichnet wurde. Punkt 2 des Antrags wurde im direkten Zusammenhang mit der Neugründung der II. Internationale formuliert:

„2. Die Gründung einer solchen Zentrale wird umso mehr zur Pflicht, als augenblicklich in Bern […] der Versuch gemacht wird, die alte opportunistische Internationale wiederherzustellen […]. Deshalb ist es notwendig, eine scharfe Scheidung zwischen den revolutionären proletarischen und den sozialverräterischen Elementen herbeizuführen.“

Punkt 3 hatte die Auswirkung auf die Außenwirkung im Blick: Würde die Komintern nicht gegründet, „so könnte der Eindruck entstehen, daß die kommunistischen Parteien uneins seien, was unsere Lage schwächen und die Verwirrung in den schwankenden Elementen des Proletariats aller Länder vergrößern würde.“ Nach einer Rede von Steinhardt wurde der Antrag mit allen Stimmen, abgesehen von denen der sich nun enthaltenden KPD, angenommen. Am 5. März 1919 wurde um 9 Uhr abends die III. Internationale gegründet, wobei sich der Vertreter der KPDÖ rühmen durfte, dazu einen entscheidenden Schritt getan zu haben.

Steinhardt erinnert sich: „Ich begründete kurz meinen Antrag und er wurde einstimmig – bei Stimmenthaltung Eberleins – angenommen. Mit Annahme dieses meines Antrages verwandelte sich die Konferenz kommunistischer Parteien in den ersten Kongress der Kommunistischen (Dritten) Internationale. Begeistert stimmten die Delegierten die Internationale an.“

V.I. Lenin unter den Delegierten des Ersten Kongresses der Kommunistischen Internationale in Moskau (Bildautor unbekannt, gemeinfrei)

Eine historische Notwendigkeit

Nachdem Lenin den Zusammenbruch der II. Internationale diagnostiziert hatte, deren Ziel es, ähnlich wie bei der von Marx und Engels gegründeten I. Internationale, gewesen wäre, Theorie und Praxis in der Arbeiterbewegung zu organisieren und zu vereinheitlichen, war für viele Marxistinnen und Marxisten ein Vakuum entstanden, das es auf Gedeih und Verderb der revolutionären Ausrichtung schleunigst zu kompensieren galt. Letztendlich verfolgte die III. Internationale ein ähnlich festgelegtes Ziel wie ihre Vorgängerin – die Erfüllung des Marxismus und die Verwirklichung der Ideale der sozialistischen Arbeiterbewegung:

„Und der charakteristischste Zug dieser Internationale, ihre Bestimmung: das Vermächtnis des Marxismus zu erfüllen und in die Tat umzusetzen, die uralten Ideale des Sozialismus und der Arbeiterbewegung zu verwirklichen – dieser charakteristischste Zug der III. Internationale trat sofort darin zutage, daß die neue, die dritte ‚Internationale Arbeiterassoziation‘ schon jetzt in gewissem Maße mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zusammenfällt,“ so Lenin.

Ähnlich wie die sukzessive Lostrennung von der Sozialdemokratie und die Gründung der kommunistischen Parteien, wies die Gründung der III. Internationale dabei nicht nur subjektive, sondern auch objektive Vorbedingungen auf. Die organisierte Arbeiterbewegung musste wie in Russland Ziel und Aufgaben der herannahenden Revolutionen festsetzen. Da der Weltkrieg noch tobte, wäre es nötig gewesen, den Krieg in einen Bürgerkrieg umzuwandeln, den Sturz des Imperialismus herbeizuführen und die proletarische Revolution bis zur Diktatur des Proletariats weiterzutreiben.

Die Gründung und die internationale Vereinigung revolutionärer Parteien war zu einer geschichtlichen Notwendigkeit geworden, um ebendiese Stoßrichtung zu vereinheitlichen und im internationalen Maßstab zu koordinieren. Lenin argumentiert in Die Dritte Internationale und ihr Platz in der Geschichte (Tretij Internacional i ego mesto v istorii, 1919) ebenfalls damit, dass die Gründung der III. Internationale auf objektiven Notwendigkeiten fußte, weist aber auch darauf hin, dass sie trotz der ihr in den Weg gelegten Hindernisse der Entente-Imperialisten, „der Scheidemänner“ in Deutschland und „der Renner“ in Österreich nicht aufgehalten werden konnte:

„Die Gründung der III. Internationale erfolgte in einer solchen internationalen Situation, daß keinerlei Verbote, keinerlei kleinliche und klägliche Kniffe der „Entente„imperialisten oder der Lakaien des Kapitalismus, wie der Scheidemänner in Deutschland, der Renner in Österreich, verhindern konnten, daß sich die Kunde von dieser Internationale und die Sympathie für sie in der Arbeiterklasse der ganzen Welt ausbreiten. Diese Situation wurde geschaffen durch die allerorts täglich, ja stündlich unverkennbar heranreifende proletarische Revolution. Diese Situation wurde geschaffen durch die Sowjetbewegung unter den werktätigen Massen, die bereits eine solche Kraft erlangt hat, daß sie tatsächlich international geworden ist.“

Mit der Gründung der III. Internationale wurde der Grundstein für die gewaltigste weltumspannende Organisation des Proletariats, die es je gab, gelegt, die Debatte um die richtige Strategie zur Heranführung an die Diktatur des Proletariats, ob durch Mehrheiten in Wahlen oder durch Revolution, war damit gleichsam für alle Kontrahentinnen und Kontrahenten in diesem langbestehenden Diskurs gelöst.

Die Gründung der Komintern zementierte den Trennungsstrich von der internationalen Sozialdemokratie, umgekehrt galt das aber auch für die sich aufrappelnde II. Internationale, die sich in Bern im Februar 1919 formal wiederherstellte, jedoch selbst schon Symptom einer absterbenden Vergangenheit war, wie auch Steinhardt in seiner Eröffnungsrede feststellen konnte: „Die Konferenz der Zweiten Internationale in Bern ist die Agonie einer absterbenden Epoche, der heutige Kongress ist die erste Tagung des revolutionären Proletariats zur Organisierung der Tat.“

Die Debatten über die Revolution und der sozialdemokratischen Tabuisierung der Revolution, mochten in den jeweiligen Organisationen weiterbestehen, jedoch in einer anderen Qualität und Quantität, da man von nun an getrennte Wege ging.

Sprachrohr der Revolution

Die Gründung der Kommunistischen Internationale löste zweifellos einen erheblichen Schub im Versuch der Zusammenführung gleichgesinnter Marxistinnen und Marxisten aus. Die Initiatorinnen und Initiatoren strebten dabei an, den Sammlungsprozess möglichst umfassend zu gestalten, um als Sprachrohr der Revolution so viele Arbeiterinnen und Arbeiter als möglich anzusprechen. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass die Maxime Einheit um jeden Preis! nicht im Vordergrund stand, sondern langwierige Debatten darüber geführt wurden, welche Organisationen überhaupt in Betracht gezogen werden sollten, um der Komintern beizutreten. In diesem Kontext lautete die Leitlinie Klarheit vor Einheit!

Es galt, etwas völlig Neues zu schaffen, wobei die positiven Erfahrungen berücksichtigt und negative Erfahrungen nicht bedenkenlos übernommen werden sollten. Vor allem mussten sozialdemokratische Überreste aus den in Betracht kommenden Parteien (unter solidarischer Kritik) beseitigt werden. Diese Überreste manifestierten sich in Opportunismus, Zentrismus und Vorstellungen, die nicht mit den Beschlüssen der Komintern übereinstimmten. Der offene Revisionismus der meisten sozialdemokratischen Führerinnen und Führer erforderte keine intensive Auseinandersetzung, da sie einerseits nicht für die Komintern infragekamen und andererseits fest in der sogenannten Zweieinhalbten Internationale verankert waren und keinen Gedanken an einen Wechsel verschwendeten. Auf dem II. Weltkongress der III. Internationale wurden schließlich Lenins ausgearbeitete Leitsätze zu den Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale verabschiedet, die 21 Aufnahmebedingungen enthielten. Diese wiederum ebneten den Weg für eine organisierte Form der Bolschewisierung, aus deren Erfahrungsschatz kommunistische Parteien weltweit noch lange zehrten und durch die sie auch die schwierigsten und widrigsten Situationen überleben konnten.

Literatur:

Autorenkollektiv (1970): Die Kommunistische Internationale – Kurzer historischer Abriß. Dietz Verlag, Berlin.

Hautmann, H. (1970): Die Anfänge der linksradikalen Bewegung und der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs 1916–1919. Europa Verlag, Wien.

Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (Hg.): Der I. und II. Kongreß der Kommunistischen Internationale – Dokumente der Kongresse und Reden W.I. Lenins, Berlin, Dietz Verlag 1959

Lenin: Die Dritte Internationale und ihr Platz in der Geschichte in: Lenin, W. I. (1984): Lenin – Werke, Band 29, Dietz Verlag, Berlin.

Steinhardt, K. (2013): Lebenserinnerungen eines Wiener Arbeiters, Alfred Klahr Gesellschaft, Wien.

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Quelle: Zeitung der Arbeit

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