FIR erinnert an 50 Jahre „Nelkenrevolution“
Während Antifaschisten in vielen Ländern Europas den 8.Mai als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg bzw. den 9. Mai als Tag des Sieges begehen, wird z.B. in Italien der 25. April als Befreiungstag auf nationaler Ebene gefeiert werden. Auch in Portugal gilt der 25. April als Gedenktag für die „Nelkenrevolution“, die in diesem Jahr ihr 50jähriges Jubiläum feiert. Aus diesem Anlass erinnern wir mit diesem Newsletter an dieses wichtige Jubiläum.
Am 25. April 1974 wurde das klerikal-faschistische Regime von Antonio Salazar durch das gemeinsame Handeln von Widerstandskämpfern und linken Militärs gestürzt. Am frühen Morgen des Tages ertönte im katholischen Rundfunk das Lied “ Grândola, Vila Morena“. Das war das Zeichen zum Aufstand. Die Movimento das Forças Armadas (MFA) rückte mit Militärfahrzeugen nach Lissabon vor, um Ministerien, Rundfunk- und Fernsehsender sowie den Flughafen zu besetzen. Diese Aktion war über das ganze Land verteilt. Der Aufstand der MFA wurde von der Bevölkerung unterstützt und verlief weitgehend widerstandslos. Die Revolution verdankt ihren Namen den roten Nelken, die die Menschen den aufständischen Soldaten in die Gewehrläufe steckten. Seit der Zeit ist „Grândola, Vila Morena“ die Hymne der portugiesischen Antifaschisten.
Nach dem Ende der Mussolini-Herrschaft in Italien 1945 war das Salazar-Regime die älteste faschistische Diktatur in Europa. 1932 zum Ministerpräsidenten ernannt, schuf er einen neuen klerikal-faschistischen Staat („O Estado Novo“) mit dem Verbot von freien Gewerkschaften und linken Parteien, der Festnahme ihrer Führer sowie der Errichtung eines extrem repressiven Systems. Das KZ Tarrafal und die Gefängnisse in Peniche, Aljube und Caxias wurden zu Symbolen der Verfolgung, deren Werkzeuge die politische Polizei, die portugiesische Legion, eine faschistische Miliz, und militärische Einheiten der Republikanischen Nationalgrade waren.
Trotz der Repression baute die kommunistische Partei PCP illegale Strukturen und Widerstandsgruppen auf. Sie schuf Hilfsorganisationen für politische Gefangene und ihre Familien. Sichtbare Zeichen des Widerstands waren ein revolutionärer Streik am 18. Januar 1934 und der Seeleute-Streik am 8. September 1936. Daraufhin errichtete das Regime am 29. Oktober 1936 auf den Kap Verden das KZ Tarrafal, das bis 1954 als KZ genutzt wurde, später als Internierungslager für antikoloniale Befreiungskämpfer. Die Haftbedingungen waren katastrophal. Die Internierten starben im »Lager des langsamen Todes« an Unterernährung, verdorbenem Essen, verseuchtem Trinkwasser, fehlender ärztlicher Versorgung, Zwangsarbeit und Folter. Unter den Inhaftierten waren anarcho-syndikalistische Streikaktivisten, Gewerkschaftsführer, Republikaner, antifaschistische Oppositionelle und das gesamte Sekretariat der PCP.
Trotz solcher Verfolgung ging der Widerstand weiter. Man organisierte Streiks im Juni 1943, am 8. und 9. Mai 1944 in der Region Lissabon und der Baixo Ribatejo Provinz, man verteilte Untergrundflugblätter und Zeitungen, vor allem Anti-Kriegs-Manifeste, die von der PCP verfasst worden waren. Ein Symbol des Widerstands ist die Festung Peniche, die vom Salazar-Regime als Hochsicherheitsgefängnis ausgebaut wurden. Hier waren populäre Führer des Widerstands unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert. Neben den Berichten über Folter und andere Torturen prägen die Erinnerungen an zwei spektakuläre Fluchtaktionen das Narrativ dieses historischen Ortes. Die erste Flucht gelang im Dezember 1950 dem Kommunisten Jaime Serra. Am 3. Januar 1960 flohen zehn kommunistische Häftlingen, darunter Álvaro Cunhal. Sie stiegen mit einem Seil aus Bettlaken die Außenwände hinab. Cunhal ging nach seiner Flucht ins Exil und wirkte von dort für ein antifaschistisches Portugal, das mit der „Nelkenrevolution“ im April 1974 die Befreiung vom Salazar-Regime schaffte.
Nicht nur für Antifaschisten in Portugal, auch für die FIR und ihre Mitgliedsverbände war die „Nelkenrevolution“ eine Bestätigung ihrer Unterstützung der Widerstandskräfte in Portugal selber. Wenige Monate zuvor hatten Athener Studenten gezeigt, dass auch das griechische Obristen-Regime nicht mehr von langer Dauer sein würde. Und so wurde die „Nelkenrevolution“ im April 1974 zum Symbol für die Überwindbarkeit faschistischer Regime, wie sie mit der Franco-Diktatur in Spanien und dem Pinochet-Regime in Chile noch an der Macht waren, durch die Kraft der Völker und der internationalen Solidarität.
Heute findet in Portugal auch ein Kampf um die Geschichte statt. Seit ihrer Gründung im Jahre 1976 kämpft URAP (União de Resistentes Antifascistas Portugueses) für eine angemessene öffentliche Erinnerung an den 25. April 1974 und für eine Gedenkstätte in der Festung Peniche. An diesem Jahrestag soll dort endlich – verbunden mit einer Konferenz zum antifaschistischen Kampf in Portugal – eine zentrale Gedenkstätte des antifaschistischen Kampfes eingeweiht werden.