Kinder mit Sprachproblemen: Politikversagen soll mit Scheinlösungen verdeckt werden
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Wien. Aktuell gibt es eine heißte Debatte zum Thema Familiennachzug und der freien Wohnortwahl von Personen mit einem anerkannten Asylstatus. Reale, nicht neue Probleme sollen somit auf die Individuen verlagert werden, anstatt dass man das Problem mit angemessener Investition und Infrastruktur ausstattet. Das Phänomen, dass größere Städte für Migrantinnen und Migranten attraktive Wohnorte sind, weil es einerseits ein größeres Angebot an Arbeitsstellen auch ohne oder mit wenig Sprachkenntnisse gibt, ein höheres Maß an sozialer Infrastruktur gibt, auf die man angewiesen ist, wenn familiale und soziale Netzwerke im Heimatland bleiben, u.a.m., ist keine neue Erkenntnis.
Nun sind alle offenbar überrascht, dass in einem Bildungssystem, in dem ohnehin akuter Lehrkräftemangel herrscht, ein zunehmender Anteil an Schülerinnen und Schülern, aber auch Kindergartenkindern mit Sprachproblemen eine Herausforderung darstellt, die man in einem unzureichend finanzierten Bildungssystem nicht wirklich abfedern kann. Auch der Punkt, dass dies einige Bezirke in Wien besonders trifft, ist kaum verwunderlich, da räumliche Segregation ebenfalls nichts Neues ist. So ist auch die Antwort auf eine Anfrage der Wiener ÖVP, die zeigt, dass Kinder mit Sprachproblemen in den Bezirken Wiens ungleichmäßig verteilt sind, wenig überraschend.
Räumliche Segregierung
Die zur Verfügung gestellten Daten stammen von der Statistik Austria bzw. der Stadtregierung aus dem Jahr 2022 und dürften heute sogar noch deutlicher sein. In fünf Wiener Gemeindebezirken haben über die Hälfte der Grundschülerinnen und ‑schüler einen „außerordentlichen Status“, was darauf hinweist, dass sie aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse nicht am Unterricht teilnehmen können.
Die höchsten Prozentsätze dieser Schülerinnen und Schüler finden sich in Margareten (68 Prozent), gefolgt von Ottakring und der Brigittenau (jeweils 57 Prozent), Favoriten (54 Prozent) und Meidling (51 Prozent). Es gibt jedoch auch Bezirke, in denen vergleichsweise wenige Grundschülerinnen und ‑schüler einen außerordentlichen Status haben, wie beispielsweise Mariahilf (elf Prozent), Wieden (14 Prozent), die Innere Stadt (15 Prozent), die Josefstadt (18 Prozent) und Hietzing (19 Prozent). Der Anteil dieser Schülerinnen und Schüler in der gesamten Stadt Wien liegt bei 36 Prozent.
Geld für Bildung statt für Benko
Ebenso bemerkenswert ist, dass viele dieser Kinder bereits Integrationsprogramme durchlaufen haben. Drei von vier haben mindestens zwei Jahre lang einen österreichischen Kindergarten besucht. Zwei Drittel von ihnen wurden sogar in Österreich geboren. Zusätzlich kamen in den letzten Monaten bis zu 350 Kinder pro Monat im Zuge des Familiennachzugs neu an Wiener Schulen. Es ist anzunehmen, dass praktisch alle von ihnen kein oder nur sehr wenig Deutsch sprechen.
Die Zahlen zeigen, dass die bestehenden Maßnahmen nicht ausreichen. Kindergartengruppen mit über 20 Kindern und einer Pädagogin bieten nicht die Basis für eine individuelle Sprachförderung – dass hier zusätzlich Kräfte zur Sprachförderung eingesetzt werden, passiert nur sehr selten. Somit ist der ausbleibende Effekt von halbherziger „Förderung“ wenig überraschend. Auch die Lehrervertreterinnen und ‑vertreter melden sich zu Wort und warnen vor Überlastung. Die Lage ist sowohl für die Schülerinnen und Schüler unbefriedigend als auch für die Lehrkräfte und geht gesamtgesellschaftlich mit Folgeproblemen einher.
Die bislang am Tisch liegenden politischen Forderungen werden jedoch kaum Abhilfe schaffen. Statt den Benkos Geld zuzuschustern, müsste man nämlich nachhaltig in das Bildungssystem investieren sowie in Integrations- und Sprachassistenzen, in kleine Klassengrößen und vieles mehr. Ansonsten wird sich das Problem nicht lösen lassen.
Quelle: ORF
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