Kommunalwahlen in der Türkei: Ein falscher Frühling
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Am Wochenende fanden die Kommunalwahlen in der Türkei statt. Die AKP gilt als die große Verliererin bei den kommunalen Wahlen. Die sozialdemokratische CHP hat die Bürgermeisterposten in den Metropolen Istanbul und Ankara verteidigt und eroberte weitere Städte. Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) trat ebenfalls zu den Wahlen an.
Bei den Kommunalwahlen in der Türkei am Wochenende hat die regierende AK-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Niederlage einstecken müssen. Der islamisch-konservativen Regierungspartei gelang es nicht die Bürgermeisterposten in den beiden Metropolen Istanbul und Ankara zurückerobern. In weiteren Metropolen verlor sie Positionen an die Opposition.
Als größter Sieger gilt die sozialdemokratische CHP. Diese konnte in zahlreichen Städten die Wahlen für sich entscheiden. Sie ist damit erstmals seit 47 Jahren die stärkste politische Kraft in der Türkei. Die islamistische Neue Wohlfahrtspartei (YRP) erreichte mit einem landesweiten Ergebnis von rund 6 Prozent den dritten Platz. Das kurdisch-nationalistische Bündnis Partei der Emanzipation und Demokratie der Völker (DEM) war in mindestens 10 Provinzen erfolgreich.
TKP nahm ebenfalls an Wahl teil
Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) nahm ebenfalls an den kommunalen Wahlen teil und trat mit einer eigenständigen Wahlkampagne in zahlreichen Provinzen an. Vor dem Hintergrund der gesunkenen Wahlbeteiligung im Vergleich zur Kommunalwahl 2019 sprach die TKP vom „„aufregendste“ Wahlergebnis der AKP-Jahre bei der unaufregendsten Wahl in der jüngeren Geschichte der Türkei“.
Seit dem Herbst 2022 steht die zunehmende Verarmung und die steigenden Lebenserhaltungskosten für große Teile der türkischen Gesellschaft im Mittelpunkt. Das verheerende Erdbeben 2023 hat die Sorgen und Nöte der arbeitenden Menschen in der Türkei noch weiter verschärft und die Glaubwürdigkeit der AKP in der Öffentlichkeit stark beschädigt. Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im vergangenen Jahr konnte sich die AKP jedoch noch behaupten. Das führt die Kommunistische Partei einerseits auf die Suche nach Stabilität und einer starken Regierung großer Teile der Gesellschaft andererseits auf die weitere Personalisierung der Wahl durch Erdogan, der in der Bevölkerung eine größere Verankerung genießt als die AKP selbst.
Das große Oppositionsbündnis habe hingegen weder Glaubwürdigkeit noch Stabilität ausgestrahlt. Einig war man sich im Oppositionsbündnis nur darüber, dass man „den Sturz des Ein-Mann-Regimes und die Errichtung eines gestärkten parlamentarischen Systems“ anstrebe.
Ein falscher Frühling
Bei den kommunalen Wahlen in diesem Jahr hatten sich die Voraussetzungen verändert. Nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr war klar, dass Erdogan die Regierung der Türkei auch in den nächsten Jahren führen werde, der Stabilitätsdruck in der Gesellschaft hätte deswegen abgenommen. Gleichzeitig sei die Wut und die Frustration der türkischen Arbeiterklasse über die immer schwieriger werdenden Lebensverhältnisse verstärkt zum Ausdruck gekommen.
Der Sieg des Trios Ekrem İmamoğlu, Özgür Özel, Mansur Yavaş stellt mitnichten ein Sieg über das von Erdogan geschaffene politische System und die hinter ihm stehenden Kapitalverbände. Dass İmamoğlu in das von Erdogan geschaffene Vakuum treten konnte, ist Ergebnis der massiven Intervention durch die Organisation des türkischen Großkapitals TÜSİAD. Imamoğlu hat nicht wegen seiner persönlichen Fähigkeiten auch über die CHP hinaus, „in allen politischen Parteien an Gewicht gewonnen“ und verfügt „über ein breites Mediennetzwerk“, sondern wegen der „Entschlossenheit der Kapitalklasse“.
İmamoğlu, Özel und Yavaş haben wenig verwunderlich bereits angekündigt auch nach der Wahl eine konstruktive und verständnisvolle Haltung gegenüber der Regierung einzunehmen. Die Drei haben weder etwas gegen eine Außenpolitik, die sich stärker an den USA orientiert, noch gegen eine volksfeindliche Wirtschaftspolitik.
Weiters ergänzt die TKP, dass die Worte „wir werden zum parlamentarischen System zurückkehren“, die vor einem Jahr in jeden Satz eingefügt wurden, durch die Balkonreden der neuen Präsidentschaftskandidaten ersetzt worden, die das Präsidialsystem voll ausschöpfen wollen. In der Worten der türkischen Kommunisten: „Die Türkei der AKP und die Türkei der AKP-Gegner haben sich vermischt, und die Sekten und Gruppierungen haben den Mörtel dieses Ganzen gebildet.“
Die TKP geht gestärkt aus der Wahl
Die Kommunistische Partei der Türkei konnte ihr Wahlergebnis gegenüber der Parlaments- und Präsidentschaftswahl 2023 mit 127 000 Wählerinnen- und Wählerstimmen verdoppeln. Allerdings bleibt die Partei damit weiterhin hinter ihrem tatsächlichen organisatorischen und politischen Einfluss zurück.
Einige herausragende Ergebnisse konnte die Partei trotz allem erzielen. In Defne in Hatay, einer der am stärksten vom Erdbeben zerstörten Gebiete, erreichte die Partei 39 Prozent der Stimmen. Das Amt des Bürgermeisters konnte die TKP knapp nicht erreichen. Insgesamt erreichte die TKP in 32 Bezirken und zahlreichen Städten, von denen einige in den konservativsten Regionen der Türkei liegen, mehr als 1 % der Stimmen. Zehn Gemeinderatssitze konnten gewonnen werden und ein Sitz in der Provinzversammlung. Die Partei konnte außerdem ihre organisatorische Basis vergrößern und einige neue Parteiorganisationen gründen.
Fatih Mehmet Maçoğlu, der erste kommunistische Bürgermeister der Türkei, kandidierte ebenfalls wieder für die Kommunistische Partei der Türkei. Er kandidierte dieses Mal in der viereinhalbtausend Einwohner zählenden Istanbuler Randgemeinde Kadıköy. Trotz einer intensiven Wahlkampagne konnte der Bürgermeisterposten allerdings nicht gewonnen werden.
The post Kommunalwahlen in der Türkei: Ein falscher Frühling appeared first on Zeitung der Arbeit.
Quelle: Zeitung der Arbeit