18. Oktober 2024

Arbeit und Gesellschaft

Am Mittwoch stellte die deutsche Bundesregierung eine neue Rentenreform vor. Die Beiträge werden nach diesem Plan steigen, jedoch soll eine Abkoppelung vom deutschen Lohnniveau garantiert bis 2039 verhindert werden. Gleichzeitig, zur großen Freude der wirtschaftsliberalen DP-Schwesterpartei FDP und ihres Finanzministers, soll mit den staatlichen Zuschüssen zur gesetzlichen Rente am Wertpapiermarkt spekuliert werden, um durch etwaige Gewinne die Rentenkasse zu entlasten.

Während ein weiteres Mal versäumt wurde, das Rentensystem auf gesunde Füße zu stellen, indem an der Gruppe der Einzahler geschraubt wird, müssen es ein weiteres Mal die Beitragszahler ausbaden. Allein mit dem vagen Versprechen beruhigt, daß das Rentenniveau bis 2039 garantiert sicher sei.

Die Konservativen im deutschen Bundestag springen selbstverständlich direkt auf die Barrikaden, Beiträge müßten niedrig gehalten werden. Auch hier wird am Ziel vorbei geschossen. Es scheint, als würde der Blick auf die Lösung absichtlich verschleiert. Ähnliches Gemurkse an der Rente deutet sich bekanntlich auch hierzulande an.

Dabei braucht es nicht nur bei der Rente endlich ein moderneres Maß, sondern auch im davor stattfindenden Arbeitsleben. Die Schufterei unserer ein Mythos. Insbesondere Job-Einsteiger und jüngere Berufstätige wünschen sich mehr Flexibilität zu ihren Gunsten, beziehungsweise eine Abkehr von Arbeit als alleinigem Alltagsinhalt. Sie werden regelmäßig als »Generation Z« mit dem Vorwurf konfrontiert, bloß arbeitsscheu zu sein.

So können sich einer im Frühjahr erschienenen Studie zufolge in unserem Nachbarland acht von zehn Beschäftigten im Alter von 18 und 42 Jahren vorstellen, die Arbeit von 5 Tagen auch an 4 Tagen zu schaffen. Dabei sollte eine Arbeitszeitverkürzung auch wirklich eine sein. Sprich: Eine Vier-Tage-Woche mit etwa 10 Stunden-Tagen ist es nicht. Zahlreiche Studien und Testläufe rund um den Globus haben bereits bestätigt, daß die Produktivität der Beschäftigten bei kürzerer Arbeitszeit deutlich steigt. Dies allen Katastrophenszenarien der Industriellenverbände zum Trotz, die einen völligen Zusammenbruch der Gesellschaft prophezeien, wenn der Arbeitsfetisch fällt.

Noch bis zur Pandemie galt es etwa als selbstverständlich und lobenswert, rotzkrank zur Arbeit zu erscheinen. Doch spätestens nach drei Jahren Corona sind viele, denen es vermutlich auch schon vorher nicht mehr recht war, wie die Lohnarbeit den größten Teil der Alltagszeit einnimmt, auf die Idee gekommen, das System herauszufordern. Home Office und andere in der Pandemie plötzlich machbaren Flexibilisierungen haben viele auf den Geschmack gebracht, profitiert haben plötzlich Umwelt und Klima. Ungewohnt im Kapitalismus. Ihm zu Ehren steht bekanntlich die Produktivität über allem: Gesundheit, Entfaltung des Einzelnen, Klima und Naturschutz.

Immer mehr Menschen sind bereit, Wohlstand und und Lebensqualität neu zu definieren. Arbeiten gehen um der Arbeit Willen und sinnloser Konsum, um die Ödnis zu verdrängen, die sich an langen Tagen am Lohnarbeitsplatz breit macht, während eigene Entfaltung und soziale Kontakte zwangsweise brach liegen. Auch in anderen Ländern regt sich Widerstand bei der jungen Generation.

Es ist längst an der Zeit, die aktuellen Verhältnisse in Frage zu stellen. Nicht nur im Sinne einer besseren Gesellschaft, sondern auch im Sinne der Klimarettung. Denn wenn Wirtschaft und Industrie sich weiterhin dem Fortschritt verweigern, werden uns keine Papierstrohhalme und Lastenräder retten.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

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