28. Dezember 2024

Ukraine: Mobilisierungsgesetz führt zu zahlreichen Fahndungen

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

Kiew. Am vergangenen Samstag ist in der Ukraine ein verschärftes Mobilisierungsgesetz in Kraft getreten. Bereits zwei Tage später wurden nach Angaben des ukrainischen Nachrichtenportals „obozrevatel.ua“ mindestens 95.000 Männer zur Fahndung ausgeschrieben, da sie den Einberufungsbefehlen nicht gefolgt sein sollen. Diese Zahlen stammen aus unvollständigen Daten der ukrainischen Polizei. Im Gebiet Dnipropetrowsk allein werden 38.282 Männer gesucht, von denen etwa 5.500 bereits gefasst und den Wehrersatzbehörden übergeben wurden. Diese unvollständigen Zahlen deuten darauf hin, dass mindestens die Hälfte der 250.000 Männer, die für den Militärdienst angefordert wurden, versuchen, der Einberufung zu entgehen.

In Kiew berichteten einberufene Männer, dass ihnen beim Betreten der Kasernen ihre Telefone abgenommen wurden, sodass sie keinen Kontakt zu ihren Familien aufnehmen könnten. Ein IT-Unternehmer äußerte auf Facebook seinen Unmut darüber, dass ein 50-jähriger Mitarbeiter ohne Vorwarnung von der Straße weg eingezogen wurde, ohne persönliche Gegenstände oder berufliche Dokumente abholen zu können. Russische Medien berichten von ukrainischen Kriegsgefangenen, die nur eine Woche Ausbildung erhielten, bevor sie an die Front geschickt wurden.

Der französische Sender Europe 1 berichtete am Freitag, dass viele ukrainische Militäreinheiten auf 40 Prozent ihrer Sollstärke reduziert seien. Ukrainische Quellen bestätigen, dass es zu einer Welle von Desertionen unter frisch eingezogenen Soldaten kommt. Selbst Offiziere zeigen Verständnis für die Deserteure und versuchen oft, solche Fälle gütlich beizulegen. Laut einem ukrainischen Militärarzt mit dem Kampfnamen „Ronin“ wissen viele Offiziere nicht, wie sie mit ihren erschöpften und unzureichend ausgebildeten Truppen den Durchhaltebefehlen nachkommen sollen.

Ein Artikel in der New York Times deutet darauf hin, dass der Mangel an Soldaten die Handlungsfähigkeit der ukrainischen Armee ernsthaft einschränkt. US-Militärs sehen die Notwendigkeit, eigene Ausbilder in die Ukraine zu schicken, da die Transporte ukrainischer Soldaten zu NATO-Truppenübungsplätzen in Polen oder Deutschland zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Lage an der Front sei so kritisch, dass jede Verzögerung von einer Woche einen signifikanten Unterschied mache.

Nach Angaben der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas sind bereits jetzt Ausbilder aus verschiedenen NATO-Staaten in der Ukraine aktiv. Sie äußerte gegenüber der Financial Times, dass die westlichen Entsendeländer nicht den Bündnisfall ausrufen würden, falls diesen Ausbildern etwas zustieße. Die frühere US-Außenstaatssekretärin Victoria Nuland warnte jedoch vor der Entsendung von Ausbildern in die Ukraine, da dies die Gefahr einer Eskalation berge.

Das neue Mobilisierungsgesetz erleichtert die Einberufung aller Männer zwischen 18 und 60 Jahren und droht bei Nichtmeldung mit Geldstrafen, Haftstrafen bei Wiederholung, Sperrung der Bankkonten und Konfiskation von Autos. Gleichzeitig berichten ukrainische Medien von Männern, die der Einberufung entkommen sind und geben Tipps für die Flucht über die Karpaten nach Rumänien. Dabei wird empfohlen, längere Märsche mit dem Rucksack zu trainieren, Ersatzschuhwerk mitzunehmen und offizielle Wanderwege zu meiden, da diese mit Drohnen überwacht würden. Immer wieder werden im ukrainisch-rumänischen Grenzfluss Tisa (Theiß) die Leichen von Männern gefunden, die versucht hatten, schwimmend das rumänische Ufer zu erreichen.

Quelle: junge Welt

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