Verwirrte Debatten zum Thema Arbeitszeit
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Wien. Seit dem Vorstoß der Industriellenvereinigung, dass man in Österreich die Arbeitszeit erhöhen sollte, um etwas gegen Inflation und Krise zu tun, hat die Debatte zur Arbeitszeit mal wieder Fahrt aufgenommen. Wenngleich sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), nachdem seine Parteikollegin Edtstadler dem etwas abgewinnen konnte, von dem Vorstoß distanzierte, kommt es immer wieder zu Schlagzeilen rund um das Thema..
Nachhilfe für Agenda Austria-Ökonom
Ökonom Hanno Lorenz von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria meldete sich via APA zu Wort und hielt nicht nur fest, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit ohne Einkommens- und Wohlstandsverlust nicht möglich sei. Aber der Herr scheint ohnehin noch einmal Nachhilfe in Sachen Wirtschaftsdaten und Interpretation von Statistik zu brauchen. Er behauptete nämlich außerdem: „Gerade vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels muss der Trend, weniger zu arbeiten, durchbrochen werden. Die durchschnittlich tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit der Erwerbstätigen liegt in Österreich inzwischen bei unter 34 Stunden – das ist so wenig wie kaum sonst irgendwo in Europa.“
Dass in Österreich unter 34 Stunden gearbeitet wird, hat auch viel mit unfreiwilliger Teilzeitarbeit insbesondere von Frauen zu tun. Österreich hat nämlich im EU-Vergleich eine ganz besonders schlechte Infrastruktur in Sachen Kinderbetreuung zum Beispiel. Wie die Statistik Austria kürzlich in ihrem Monitoring Bericht für 2022/23 zeigte, sind nur etwa die Hälfte der Kinder, die eine Betreuungseinrichtung besuchen, in einer Einrichtung untergebracht, die eine Vollzeitbeschäftigung ermöglichen würde. Entsprechend reduzieren Frauen mit der Geburt eines Kindes relativ langfristig ihre Arbeitszeit und begründen dies auch mit Betreuungsaufgaben. Man würde von einem Ökonomen wohl erwarten können, dass er diese Zusammenhänge herstellen ebenso wie die negativen Folgen für die Frauen erfassen und interpretieren könnte.
Ein frommer Wunsch nach Vollzeit
Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) will seinerseits Vollzeitarbeit „attraktiv“ machen und schlägt einen 1.000-Euro-Vollzeitbonus vor. Außerdem will er in guter ÖVP-Manier steuerfreie Überstunden und Entlastungen für arbeitende Pensionistinnen und Pensionisten. Dieser Vorschlag ist so alt, dass er einen Bart hat, und er ist freilich vollkommen fehlgeleitet. Die Rahmenbedingungen mit Sorgeverantwortungen, mangelnder Infrastruktur und Arbeitsverdichtung machen Vollzeitarbeit für viele zu einem frommen Wunsch.
Was die werten Herren im Wahlkampf und Propagandamodus im Dienste des Kapitals jedoch nicht erkennen, ist, dass eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich durch die hohe Produktivität in Österreich und in Zeiten zunehmender Burnouts sehr wohl nachhaltig und möglich ist.
Quelle: ORF/OÖ Nachrichten/Statistik Austria
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