26. Dezember 2024

Der 30. Juni 1934 – ein Lehrstück zur Beseitigung innerfaschistischer Konkurrenz

Die Etablierung faschistischer Herrschaft ging in den jeweiligen Ländern immer einher mit der Beseitigung von Konkurrenten innerhalb der Bewegung, die dem eigentlichen Ziel der Herrschaft im Wege standen. Ein gutes Beispiel dafür ist in Deutschland die gewaltsame Entmachtung der „Sturmabteilung“ (SA) Ende Juni 1934, an die mit diesem Newsletter erinnert werden soll.

In der Zeit der Weimarer Republik war die SA eine Bürgerkriegstruppe, die mit politischer Gewalt den Machtanspruch der NSDAP auf den Straßen und in den Versammlungen gegenüber den Arbeiterparteien mit aller Brutalität durchsetzen sollte. Allein im Jahre 1932 starben in Deutschland durch SA-Terror über 300 Menschen, 1100 wurden bei Auseinandersetzungen schwer verletzt. Wie als Schläger kleinbürgerliche Kräfte und manche Erwerbslosen gewonnen werden konnten, ist hinreichend untersucht. Integriert wurden sie nicht nur durch eine warme Mahlzeit und festes Schuhwerk, sondern gleichermaßen durch pseudosoziale Propagandasprüche. Dabei wiesen schon 1932 die Antifaschisten darauf hin, dass der Faschismus an der Macht in keine dieser propagierten sozialpolitischen Forderungen folgen würde. Hitlers Ansprachen vor der deutschen Großindustrie und deren Finanzierung der NSDAP waren ein deutlicher Beweis für diese Einschätzung. Gleichzeitig verbreiteten die Faschisten Legenden um soziale Forderungen, denen viele Mitglieder der SA 1932/33 folgten.

Ihre Rolle als „Kampforganisation“ setzte die SA als „Hilfspolizei“ in den ersten Monaten der NS-Herrschaft fort. Der Terror richtete sich gegen politische Gegner aus der Arbeiterbewegung, gegen bürgerliche Kräfte und jüdische Menschen wie am „Boykottaktionstag“ vom 1. April 1933. SA-Trupps standen vor jüdischen Geschäften und schmierten die Parole „Kauft nicht bei Juden“ an deren Fenster. Mit dem Übergang des Terrors in institutionell „geregelte Bahnen“ und der Schließung der „wilden Konzentrationslager“ der SA-Stürme, verlor diese Bürgerkriegsarmee ihre eigentliche Funktion für die Machtsicherung. Die Gleichschaltung von Gesellschaft und Verbänden in Deutschland war faktisch widerstandslos vollzogen, das Parlament funktionslos. Die Gestapo verfolgte politische Gegner, die Justiz verkündete Urteile wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, die man zur Einschüchterung benötigte. Hitler hatte im Gespräch mit der alten Generalität der Reichswehr deren neue Rolle im Rahmen der strategischen Kriegsvorbereitung zugesagt und mit dem „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ waren auch die Verhältnisse in den Betrieben eindeutig im Sinne der Macht der Unternehmer geklärt.

Andererseits hatten in den ersten Wochen des Jahres 1933 zahlreiche neue „Mitglieder“ in die Reihen der SA gefunden, die sich auf diesem Wege der neuen Herrschaft andienen und ihren Anteil an der neuen Macht wollten. So verzehnfachte sich die Mitgliederzahl der SA von Ende 1932 bis Ende 1933 auf fast vier Millionen. Diese Neumitglieder betrachteten mit Ärger, dass die konservativen Eliten der Weimarer Zeit ohne Probleme die Anpassung an die veränderten Herrschaftsverhältnisse vollzogen und dort ihre Rolle spielten. Die einzige Möglichkeit der Ausschaltung solcher Konkurrenz war daher ihre propagandistische Denunziation als „reaktionär“, wogegen eine „zweite Revolution“ stattfinden müsse. Die SA glaubte sogar, die alte Reichswehr, mit der die Hitler-Regierung den Krieg vorbereitete, als „völkische Armee“ ersetzen zu können.

Offenkundig hatte die Führung der SA die Machtverhältnisse falsch eingeschätzt. Mit Unterstützung der Reichswehr und auf Befehl Hitlers schaltete die SS am 30. Juni 1934 die gesamte Führung der SA unter Ernst Röhm aus. Die NS-Propaganda sprach vom „Röhm-Putsch“, der Volksmund titulierte diese Abrechnung als „Nacht der langen Messer“. Einzelne Historiker sahen in diesem Vorgang sogar eine „soziale Revolte“ gegen Hitler. Dabei ging es, wie Bertolt Brecht in dem Stück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ anschaulich gezeigt hat, vor allem um die Ausschaltung innerfaschistischer Konkurrenten.

Im Zuge der Aktion wurden auch politische Gegner und unliebsam gewordene Mitläufer ermordet, z.B. der ehemalige Reichskanzler General von Schleicher. Der Rechtfertigung der Aktion mit dem anschließend verkündeten „Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr“ vom 3. Juli 1934 bedurfte es eigentlich nicht. Die verbliebenen SA-Mitglieder beeilten sich, ihre „Treue zum Führer“ öffentlich zu bekennen, ohne je wieder Einfluss im faschistischen Staatsapparat zu bekommen.

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