23. November 2024

Kartell der Kriegsparteien

Das Ergebnis der Wahlen zum EU-Parlament ist eine schwere Niederlage für die Friedenskräfte. Die drei Parteizusammenschlüsse, die auch bisher die Mehrheit hatten – Christdemokraten (EVP), Sozialdemokraten und Liberale –, errangen fast 400 der 720 Mandate.

Mit diesem Resultat ist gesichert, dass die Kriegspolitik der EU weiter parlamentarisch gestützt wird. Zu erwarten sind neue Schritte, um der EU-Kommission direkte Unterstützung von Rüstung und Waffenlieferungen, die ihr bislang offiziell untersagt sind, zu ermöglichen. Frankreich drängt darauf, die EU neben der NATO zur „zweiten Lebensversicherung“ (Außenminister Stéphane Séjourné) zu machen. Am 28. Mai vereinbarte der deutsch-französische Ministerrat in Meseberg die Entwicklung einer sogenannten Präzisionsabstandswaffe unter Einbeziehung anderer EU-Staaten. Drei Tage später gestattete Olaf Scholz Kiew, russisches Territorium mit deutschen Waffen zu beschießen. Gleichzeitig trat er im EU-Wahlkampf als „Friedenskanzler“ auf.

Das nahmen die Wähler am 9. Juni zwar der SPD nicht ab, stimmten aber nicht für jene, die sich konsequent für Frieden einsetzten, sondern machten CDU/CSU und AfD zu den stärksten Parteien. Mit den 30 Prozent der Stimmen für die „Ampel“ erhielt das Kartell der Kriegsparteien mehr als 75 Prozent. Deutschland ist nicht nur ökonomisch und wirtschaftlich Führungsmacht beim Krieg gegen Russland, es ist erneut auch Zentrum der ideologischen Reaktion auf dem Kontinent.

So richtig darüber freuen konnten sich aber nicht alle Akteure des bürgerlichen Blocks. Von einer „Kränkung des Stolzes der Sozialdemokratie“ sprach SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gegenüber dem Fernsehsender „Phoenix“. Damit bezog er sich aber nicht auf die zum Weltenbrand treibende Politik seiner Partei, sondern auf das Wahlergebnis von schlanken 13,9 Prozent. Selten war eine Regierungspartei so fies vom eigenen Volk enttäuscht worden. Doch glücklicherweise wusste Kühnert auch warum. Wer hat uns verraten? FDP und Grüne! Diese brächten für die SPD nämlich eine „Kontaktschande“ mit sich. Die SPD habe in der Ampel „eine Politik gerade für untere Einkommens-gruppen gemacht“, behauptete er. Doch „unsere beiden Koalitionspartner (werden) von diesem Teil der Bevölkerung stark abgelehnt“, das färbe auch auf die SPD ab.

Mit diesen geistreichen Erklärungsversuchen hatte sich Kühnert erfolgreich auf das allgemeine Niveau der bürgerlichen Wahlanalysen eingelassen. Besonders die Jugend bekam dabei ihr Fett weg. In der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen verloren die Grünen im Vergleich zu 2019 rund 23 Prozent an Wählerstimmen, während die AfD 11 Prozent hinzugewann. 28 Prozent der jungen Stimmen gingen an Kleinparteien. Schnell wurde von „TikTok-Politik“ gesprochen, um das katastrophale Abschneiden des Regierungslagers zu erklären und vermeintlicher „Desinformation“ die Schuld zu geben. Wer heute 16 ist, war im Jahr 2020 12 Jahre alt. Diese Generation hat in ihrem bewussten politischen Leben nichts anderes als Pandemie, Krise und Krieg erlebt. Doch diese Überlegungen fanden im Mainstream keinen Widerhall, würden politische Ableitungen doch bedeuten, den jungen Menschen friedliche und lebenswerte Perspektiven bieten zu müssen. Die gibt es im Reigen der Kriegsparteien aber nicht.

Und es würde sie auch nicht geben, wenn es – wie von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert – zu vorgezogenen Neuwahlen kommen würde. „Diese Regierung ist im Grunde genommen fertig“, sagte er und zeigte sich mit dieser Einschätzung erstaunlich volksnah. Doch vorerst bleibt es beim Gedankenspiel. SPD und Grüne werden in Anbetracht ihrer gewaltigen Verluste den Teufel tun, sich einer Wahl zu stellen. Auch die an der 5-Prozent-Hürde kratzende FDP dürfte kein besonderes Interesse am Urnengang haben.

Wenn die EU-Wahl eins gezeigt hat, dann dass sich der hochgefährliche Kriegskurs bei aller Unzufriedenheit nicht einfach abwählen lässt. Um den Kriegstreibern in den Arm zu fallen, braucht es eine starke Bewegung und mutige Gewerkschaften für Frieden und gegen den sozialen Kahlschlag.

Quelle: Unsere Zeit

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