17. November 2024

Kritik an Praxis der U‑Haft-Verhängung

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

Wien. Am Mittwoch präsentierte das Ludwig Boltzmann Institut die Ergebnisse des in diesem Sommer abgeschlossenen Projektes „Flightrisk: Beurteilung der Fluchtgefahr bei der Untersuchungshaft“.

Die Ergebnisse der Studie zur Verhängung von Untersuchungshaft in Österreich, die zwei Jahre lief, wirft einen kritischen Blick auf die gängige Praxis und im Rahmen der Präsentation wird auch explizit Kritik an dieser geübt. Ein zentrales Ergebnis des Forschungsprojekts, das in fünf EU-Staaten durchgeführt wurde, ist die Feststellung, dass bei Verdächtigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft oft pauschal von Fluchtgefahr ausgegangen wird. Diese Annahme führt häufig zur Anordnung von Untersuchungshaft. Fluchtgefahr ist in der gesamten EU der häufigste Grund für die Verhängung von Untersuchungshaft.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden 100 Fallakten aus sieben Bundesländern ausgewertet. Zusätzlich führten die Forscherinnen und Forscher Experteninterviews und analysierten Sekundärdaten. Das Team um Edith Riegler und Hauke Benjes-Pitcz stellte fest, dass in 39 dieser Fälle Fluchtgefahr als Grund für die Verhängung von Untersuchungshaft angegeben wurde. Von den insgesamt 59 Beschuldigten in den untersuchten Fällen waren nur fünf aus Österreich. 28 stammten aus anderen EU-Ländern und 26 aus Nicht-EU-Ländern. Zwischen EU-Bürgern und Angehörigen von Drittstaaten wird kaum unterschieden. Im Bericht heißt es: „In der Praxis gibt es fast einen Automatismus, dass Fluchtgefahr angenommen wird, wenn die beschuldigte Person nicht österreichische Staatsbürgerin oder österreichischer Staatsbürger ist.“ Gelindere Mittel werden laut den Forscherinnen und Forschern nicht ausreichend genutzt. „Unsere Forschung zeigt, dass eine detailliertere und individuellere Prüfung der Fluchtgefahr notwendig ist, um eine gerechtere Anwendung der Untersuchungshaft zu gewährleisten“, sagte Benjes-Pitcz.

Der Bericht empfiehlt eine Sensibilisierung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und ‑anwälten. Dass dies in einer tendenziell rassistischen Klassenjustiz wahrscheinlich nicht zu „Fairness“ führt, liegt jedoch auf der Hand, aber schaden tut es sicherlich nicht.

Quelle: Ludwig Boltzmann Institut/ORF

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