24. Dezember 2024

Wer ist schuld am schlechten Image der EU?

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

Laut der aktuellen Eurobarometer-Umfrage bewerten nur 35 Prozent der Österreicherinnen und Österreich die EU als „positiv“, auch EU-weit geben nur 45 Prozent der Bevölkerung ein „positives“ Urteil über die Union ab.[1] Man kann also getrost sagen, dass die EU ein Imageproblem hat. Als Ursache dafür werden von den Kommentatoren allerdings recht unterschiedliche Faktoren ausgemacht. Eine oft artikulierte Theorie konstatiert eine ungerechtfertigte Negativspirale in der Berichterstattung und gibt so den Medien die Schuld an dem schlechten Ansehen in der Bevölkerung. So sei es angeblich eine „fundamentale Systemkritik“ an der EU, die in den Medien unberechtigterweise im Vordergrund stünde.[2]

Fundamentale Kritik an der EU in den Mainstream Medien?

Aber gibt es eine solche fundamentale Kritik an der EU in den Mainstream-Medien überhaupt? Darunter wäre eine Kritik zu verstehen, die die Institutionen, den wirtschaftlichen Aufbau oder die politische Ausrichtung der EU im weiteren Sinne per se kritisiert. Solche Kritiken mögen teilweise im Zuge der Brexit-Kampagne im Vereinigten Königreich aufgekommen sein, in den österreichischen Medien lässt sich solch grundlegende Oppositionshaltung im Journalismus aber äußerst selten finden. Die oft genannten Beispiele von „Fake News“ über die EU zu „Bananen-Verordnungen“ oder einem „Wurstverbot“ usw. sind bestenfalls eine oberflächliche Kritik, über die man sich leicht lustig machen kann.[3] Inwiefern ein „Unbehagen“ mit der Europäischen Union auf solche Berichterstattung zurückzuführen ist, erscheint also zumindest fraglich.

Der deutsche Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass diese Fokussierung auf negative Berichterstattung „kein spezifisches Problem der Europa-Berichterstattung“ sei. Solche eine generelle Tendenz sei bereits für verschiedene Themen 1998 in einer wissenschaftlichen Langzeituntersuchung nachgewiesen worden.[4] Wie man den Medien einerseits eine „Blame it on the EU“ Vorgehensweise vorwirft, scheint es andererseits seitens der EU-Vertreter eine „Blame it on the Media“ Vorgehensweise zu geben.

Forderung nach gefälligeren Berichterstattung?

Werden nun die Medien einer ungerechten Berichterstattung bezichtigt, ergibt sich daraus implizit die Forderung, die EU gegen die Medien in Schutz zu nehmen beziehungsweise ein Gegennarrativ aufzustellen. Mit einer Schuldzuweisung an die Medien lässt sich leicht ein Imperativ ausformulieren, dass als Korrektiv gefälliger über die EU berichtet werden solle.  Auch wenn in den Raum gestellt wird, dass man anstatt „Was hat die EU falsch gemacht?“ doch vielmehr fragen sollte „Was hat die EU richtig gemacht?“, wirkt das wie die Forderung nach einer gefälligeren Berichterstattung und nicht wie ein konstruktiver und journalistischer Ansatz.[5] Auch Fragen wie „Was ist schlecht an der EU?“ gehören zur objektiven und insbesondere kritischen Berichterstattung. Man macht es sich zu leicht, wenn man die Antwort warum das Image der EU so schlecht ist, bei den Medien sucht, oder wenn man Kritik an der EU per se als Unwissenheit oder als konservativ abstempelt, denn „es gibt ein wachsendes Unbehagen gegenüber der EU, […] das nicht dumpf nationalistisch, sondern erfahrungsgesättigt ist.“ [6]

Europaverdrossenheit

Welcher Art diese Erfahrungen sind, ist einer weiteren Untersuchung wert, wobei noch einmal Russ-Mohl zu Wort kommen soll: „Ich glaube nicht, dass die Medien die Hauptschuldigen für die geringe Wahlbeteiligung sind. Die Bürger haben ein sicheres Gespür dafür, dass das Europäische Parlament im Grunde genommen kein richtiges Parlament ist und viel weniger Rechte hat als die nationalen Parlamente. Darüber hinaus ist eine grundsätzliche Europaverdrossenheit bei den Bürgern zu spüren, die mit dem bürokratischen Apparat in Brüssel zusammenhängt.“[7]

Man muss offenbar kein Kommunist sein, um zu versteht, dass es ganz reale demokratiepolitische Probleme in der EU gibt, die in der tatsächlichen Verfasstheit ihrer Institutionen begründet sind und selbst in der bürgerlichen Demokratie und den Ansprüchen an diese zu Widersprüchen führen. Während bürgerliche Journalistinnen und Journalisten oft einfach die angebliche Dummheit der Bevölkerung als Grund für EU-Skepsis angeben, sind es ganz unter anderem reale Demokratiedefizite, die von der Bevölkerung zurecht wahrgenommen und angeprangert werden. Die Menschen machen die Erfahrung, dass sich mit dem EU-Beitritt und unter dem Einfluss der EU zu keinen Verbesserungen für sie kommt, im Gegenteil. Rechte der arbeitenden Menschen werden abgebaut und angegriffen. Die Verfasstheit der EU als Bündnis der Banken und Konzerne selbst, ihr Charakter und ihre Grundlagen sind der Grund für das schlechte Image der EU.


[1] Die Presse online, Eurobarometer: Nur 35 Prozent der Österreicher empfinden EU als „positiv“, 10.07.2023, in: Die Presse online

[https://www.diepresse.com/13442578/eurobarometer-nur-35-prozent-der-oesterreicher-empfinden-eu-als-positiv]

eingesehen 27.08.2023.

[2] Martens, René, Sind die Medien am schlechten Image der EU schuld?, 24.05.2019, in: mdr Medien360G

[https://www.mdr.de/medien360g/medienpolitik/europa-journalismus-berichterstattung-100.html]

eingesehen 27.08.2023.

[3] European Union Studies – Jean Monnet Teacher Training 2022/23, Basispräsentation Tag 1, S. 20–25.

[4] Russ-Mohl, Stephan, Europa-Berichterstattung: „In internationalen Rechercheverbünden sehe ich eine große Chance“. Interview von Felix Fischaleck, in: Fachjournalist Onlinemagazin, 02.04.2019,

[https://www.fachjournalist.de/europa-berichterstattung-in-internationalen-rechercheverbuenden-sehe-ich-eine-grosse-chance/]

eingesehen 27.08.2023.

[5] Martens, Sind die Medien am schlechten Image der EU schuld?.

[6] Candeias, Mario/Oberndorfer, Lukas/Steckner, Anne, Neugründung Europas?. Strategische Orientierungen, in: europalinks. Beilage der Tageszeitung neues deutschland (Februar 2014), S. 3–5.

[7] Russ-Mohl, Europa-Berichterstattung.

The post Wer ist schuld am schlechten Image der EU? appeared first on Zeitung der Arbeit.

Quelle: Zeitung der Arbeit

EuropaZeitung der Arbeit