Wie hält Luxemburg es mit der Revolution?
»Wir machen in diesem Land keine Revolution« verkündete Premierminister Frieden (CSV) am Vorabend des Luxemburger Nationalfeiertags. Wenn er mit dieser Aussage seine Partei, beziehungsweise die Regierung, der er vorsteht, meinte, ist dem nicht zu widersprechen. Aus historischer Perspektive betrachtet gehört die CSV bis heute zu den Parteien, die am meisten reaktionär und am wenigsten fortschrittlich sind, und die Regierung mit der DP, die zu großen Teilen neoliberal ist, macht die Sache nicht besser.
Wenn Frieden mit seiner demagogischen Behauptung »Wir machen in diesem Land keine Revolution« aber das Luxemburger Volk gemeint hat, liegt er falsch. Große Teile der Bevölkerung aus Luxemburg stellten sich im Jahr 1830 auf die Seite der belgischen Revolutionäre, und im März 1848, als es zu einem Aufstand der Armen, Tagelöhner und Handwerker kam, und die Rote Fahne in Ettelbrück gehisst wurde, musste die Regierung alle verfügbaren Gendarmen, Forst- und Zollbeamten sowie Soldaten des Bundeskontingents und die Justiz mobilisieren, um einen revolutionären Umsturz zu verhindern.
70 Jahre später, am 10. November 1918, einen Tag nach dem Ersten Weltkrieg, forderte der »Luxemburger Arbeiter- und Bauernrat« die Abdankung der Dynastie, die Schaffung einer Volksrepublik, die Verstaatlichung der Eisenbahnen, der Banken, der Hütten- und Bergwerke, die Einführung des Achtstundentages und die Übertragung der politischen Macht an die Arbeiterschaft. Zwei Monate später, am 9. Januar 1919, bereiteten französische Besatzungstruppen den revolutionären Ereignissen, die zur Ausrufung der Republik geführt hatten, mit Waffengewalt ein Ende. Die Dynastie der Nassauer überlebte und ist hierzulande bis heute das Aushängeschild für einen Staat, der vom Groß- und Finanzkapital und seinen politischen Wasserträgern geführt wird.
Seit den revolutionären Tagen von 1918/19 griffen die Regierungen, welche die Interessen der Stahlherren und Banker verteidigen, immer wieder zur Gewalt, um revolutionäre Veränderungen oder auch nur demokratische Veränderungen im Staat und in der Wirtschaft zu verhindern. Das ging so weit, dass die Chamber, die von der Rechtspartei (die Vorgängerin der heutigen CSV) dominiert wurde, im Jahr 1937 für ein Verbot der KPL stimmte, bevor die Luxemburger anschließend dieses Verbot in einem Referendum kippten. Wenig überraschend ist da, dass Premier Frieden sich 87 Jahre später noch immer abschätzend gegenüber Referenden äußert.
Gewalt übten Regierung und Kapital auch gegenüber den Stahlarbeitern von Belval aus, als sie 1962 für bessere Löhne und demokratische Rechte streikten, die ARBED 500 Arbeiter aussperrte, und die CSV/DP-Regierung 200 mit Gummiknüppeln, Pistolen und Gewehren bewaffnete Gendarmen mobilisierte, um den Streik zu brechen.
Auch wenn die Herrschenden es seither bei subtileren Unterdrückungsmethoden belassen, da es ihnen gelang, ihre revolutionären Gegner auf gewerkschaftlicher und politischer Ebene deutlich zu schwächen, ist das »friedliche Zusammenleben« und der »Gemeinschaftssinn«, den es laut Premierminister Frieden durch all die Krisen hindurch gab, eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.
Man erinnere sich nur an das Gegeifer und die Drohungen der Herrschenden, als der OGBL es im Jahr 2022 gewagt hatte, auch nur eine Zeitlang die sozialpartnerschaftliche Zwangsjacke abzulegen und gegen die Indexmanipulation zu mobilisieren!
Möglicherweise war dieser kurze Augenblick ein Wetterleuchten und ein Zeichen der Hoffnung auf bessere revolutionäre Tage, denn zwischen den Ausbeutern und den Ausgebeuteten kann es auf lange Sicht keinen »Gemeinschaftssinn« und keinen «Zusammenhalt« geben. Auch nicht an einem »Nationalfeiertag«.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek