Wie sozial ist die Regierung?
Es ist schon erstaunlich, wenn die LSAP-Fraktionsvorsitzende sich darüber beschwert, dass die für den 1. Januar 2025 von Premierminister Frieden angekündigte Bereinigung der Steuertabelle um weitere 2,5 Indextranchen den Staat so viel Geld kostet, wo die LSAP doch seit ihrem Gang in die Opposition fordert, die Schaffenden müssten entlastet werden.
Vielleicht ist das der Fluch der bösen Tat, denn bekanntlich hat die LSAP, zusammen mit der DP und den Grünen, den Schaffenden und Rentnern nicht nur den Index manipuliert, sondern die Dreierkoalition hat sich auch geweigert, die Steuertabelle automatisch an die Inflation anzupassen, so dass alle Lohnabhängigen und Rentner wegen der kalten Progression zunehmend mehr Steuern bezahlen müssen.
Was die Regierung von Premier Frieden jetzt tut, besteht einzig und allein darin, den Menschen etwas von dem zurückzugeben, was ihnen von der Dreierkoalition gestohlen wurde.
Das kostet die Regierung keine größeren finanziellen Anstrengungen, denn die Steuereinnahmen werden in diesem Jahr wieder einmal deutlich höher ausfallen, als das zuvor dargestellt wurde.
Nur: Auch von der CSV/DP-Regierung ist nicht zu erwarten, dass ihr Gerechtigkeitssinn so weit geht, die automatische Anpassung der Steuertabelle an die Inflation wieder einzuführen, wie das die Gewerkschaften und die KPL fordern.
Noch weniger ist damit zu rechnen, dass sie die himmelschreienden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten beseitigen wird, die es nicht erst seit gestern im Steuerbereich und anderswo gibt. Das Kapital wird deutlich weniger besteuert als die Schaffenden, und die Konzerne, das Finanzkapital und die Super-Reichen bezahlen im Verhältnis weniger Steuern als die Bezieher von mittleren Einkommen.
Wer blauäugig vom Premier erwartet hatte, er werde in seiner ersten Rede zur Lage der Nation im Kampf gegen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten tatsächlich weitergehende Maßnahmen verkünden, wurde eines Besseren belehrt.
Selbstverständlich ist es zu begrüßen, wenn die Steuertabelle um 2,5 Indextranchen bereinigt wird, die Energieprämie für Haushalte mit niedrigem Einkommen verdreifacht werden soll, den Alleinerziehenden Entlastung angekündigt wird, allerdings erst ab 2025, und für Menschen, die von Altersarmut betroffen sind, eine »allocation complémentaire« in Aussicht gestellt wird.
Aber das sind Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, dass in diesem reichen Land, das sich den Luxus leistet, Jahr für Jahr Hunderte von Millionen für die Aufrüstung der Armee und der NATO zu verpulvern, inzwischen jeder fünfte Haushalt arm ist, immer mehr Kinder auf vieles verzichten müssen, weil ihre Eltern wegen des niedrigen Einkommens und der teuren Miete am Monatsende die beiden Enden nicht mehr zusammenbekommen, und eine wachsende Anzahl von Lohnabhängigen es trotz aller Bemühungen nicht aus der Armutsfalle herausschaffen, obwohl sie tagtäglich acht Stunden und oft mehr klotzen.
Sie merken nur wenig von den Spendierhosen, die das CSV-nahe »Luxemburger Wort« der Regierung andichtet, müssen aber befürchten, dass neue Belastungen auf sie zukommen, weil die Regierung sich weigert, eine strukturelle Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes und der Mindestrente vorzunehmen, keine Maßnahmen gegen Spekulation und Mieterhöhungen ergriffen werden, und nun auch noch beschlossen wurde, dass 2025 die meisten staatlichen Energiepreishilfen wegfallen werden.
Die Schaffenden und Rentner sollten nicht auf Almosen der Regierung oder auf bessere Zeiten warten, sondern für ein besseres Leben kämpfen. Niemand wir ihnen das abnehmen.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek